aus bma 08/08

Text & Fotos: Frank Sachau

Teutoburger Wald Wo einst die Römer kräftig Dresche bezogen, warten Nebenstrecken durch den Teutoburger Wald, das Wiehen- und das Eggegebirge auf ihre Entdeckung. Unzählige Kurven, berühmte Sehenswürdigkeiten und abwechslungsreiche Landschaften lassen einen Motorradtag wie im Flug vergehen.
Axel hat uns „seine” Route 66 gezeigt, die Bundesstraße 66 von Barntrupp nach Bielefeld, die, außer der Zahl, überhaupt nichts mit der legendären amerikanischen Traumstraße gemein hat. Über verschlungene Pfade lotste er uns hinauf zur Bielefelder Sparrenburg, um gemeinsam mit dem großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm den Blick über die Stadt schweifen zu lassen.
Unsere gemischte Truppe hat sich am gestrigen Abend beim Bier im Landgasthaus Niemann kennen gelernt, und spontan wurde der Chef verpflichtet, uns heute in die schönsten Ecken des Teutoburger Waldes zu führen. Der Treck der Toleranz – Moto Guzzi, BMW und einige Japaner – zieht weiter. Die Nebenstrecke „Tierpark” bei Uerentrup läßt die Metropole Bielefeld vergessen, Werther dient als Sprungbrett in die weite Landschaft zwischen „Teuto” und Wiehengebirge. Bei Melle tauchen die ersten Höhenzüge auf, über ihnen rauschen bizarre Wolkenformationen in beunruhigenden Grautönen durch den Himmel. Das schwarze Teerband hinüber nach Bad Essen gehört zur Oldtimer-Route, die an verschiedenen Fahrzeug-Museen entlang führt und sich als kurvige Bergstrecke entpuppt.

 

Axel spielt seinen Heimvorteil aus und gibt seiner rassigen, mittlerweile in Jahre gekommenen Italienerin die Sporen. Wenig später zügeln wir unser Temperament und rollen bedächtig zwischen fein herausgeputzten Fachwerkhäusern weiter nach Preußisch Oldendorf, wo uns erneut eine Waldstrecke zum Kurventanz durch das Wiehengebirge auffordert. Anschließend genießen wir den forschen Ritt über verkehrsarme Nebenstrecken, an Stoppelfeldern vorbei, durch verträumte Nester bis nach Bielefeld. Kaum finden wir uns auf Axel’s Route 66 wieder, biegen wir auch schon bei Oerlinghausen zur Gaststätte „Bienenschmidt” im Lippischen Wald ab. Bei Kaffee und Kuchen erfahren wir von unserem Tourguide einiges über die Geschichte des Teutoburger Waldes.
Externsteine Um Christi Geburt drangen die Römischen Legionen immer weiter gen Norden vor. Die vielen, untereinander zerstrittenen Germanenstämme konnten sie nicht aufhalten, bis der Cheruskerfürst Arminius es schaffte, alle Häuptlinge unter sich zu vereinigen. Nach dem Motto „Einigkeit macht stark” wurde der Feldherr Varus mit seinen Legionären bei Kalkriese in der Nähe von Osnabrück vernichtend geschlagen. Nicht aber am 53 Meter hohen Denkmal südlich von Detmold. Das sehenswerte Bauwerk wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von Ernst von Bandel errichtet, in einer Zeit, in der die vielen deutschen Kleinstaaten dringend einer neuen Führung bedurften. Und aus Arminius wurde urdeutsch Hermann, der bis heute sein riesiges Schwert weit sichtbar über den Teutoburger Wald erhebt.
Was sonst noch über den Wäldern kreist, erleben wir anschließend in der Adlerwarte Berlebeck, der größten und ältesten in ganz Europa. Mehrmals täglich zeigen Adler, Geier, Bussard und Milan ihre beeindruckenden Flugvorführungen über den Köpfen der Zuschauer.
Teutoburger Wald Das südliche Ende des „Teuto” und das Eggegebirge rufen. Wir springen über die Paßhöhe Gauseköte, die mit ihren mageren 350 Metern über Normal Null auch Bergungewohnten nicht das Fürchten lehrt. Von der dünnen Höhenluft verschont, räubern wir von Schlangen durch den Wald nach Veldrom, und lernen auf dem Weg ins nahe Feldrom den Unterschied zwischen Vogel-V und Feuer-F kennen. In Altenbeken, östlich von Paderborn, bestaunen wir mit offenen Mündern das riesige Eisenbahn-Viadukt und die ausgestellte Dampflok 044 389, die seit Mitte der vierziger Jahre treu ihren Dienst geleistet hat. Aus dieser Zeit stammt auch die am Straßenrand ausgestellte – selbstverständlich entschärfte – Fliegerbombe, mit denen alliierte Kampfflieger den Schienenverkehr unterbrechen wollten.
Mehrere Serpentinen führen uns nach Langeland, Ähnlichkeiten mit der dänischen Ostseeinsel wären rein zufällig, dann rauschen Bad Driburg und Willebadessen vorbei. Den Wendepunkt unserer Tour finden wir in den menschenleeren Wäldern um Blankenrode. Schmale Fahrwege geleiten uns nach Lichtenau, wo uns die Nebenstrecke nach Altenbeken aufnimmt. Eine feine Gelegenheit, die Brennräume tief durchatmen zu lassen. Wir wechseln hinüber nach Erpentrup, um in der dortigen Waldglashütte tief ins Glas zu schauen, ohne dabei betrunken zu werden. Täglich, auch Sonntags, können interessierte Besucher aus unmittelbarer Entfernung beobachten, wie unter den geschickten Händen der Glasmacher die 1200 Grad heiße Glasmasse geformt, geblasen und gegossen wird.
Teutoburger Wald Nach einer kurzen Abkühlphase passieren wir einige Kilometer später den 468 Meter hohen Velmerstot, seines Zeichens höchste Erhebung des Teutoburger Waldes und erreichen bei Horn-Bad Meinberg die bekannten Externsteine. Kaum haben wir unsere Eintritts-Euro in den Münzschlitz der Schrankenanlage geworfen, steht dem Besuch der bis zu 37 Meter aufragenden Sandsteinfelsen nichts mehr im Wege. Die Gruppe aus 13 mächtigen Steinen, in einer sonst felsenlosen Gegend, war einst heidnisches Heiligtum. Es wurde mit fortschreitender Christianisierung mit religiösen Bildhauereien verziert und in den Dienst der Kirche gestellt.
Unser Rückweg führt uns erneut durch den wunderschönen Lippischen Wald zu Füßen des Hermannsdenkmals am Rand der Senne. Axel läßt seine Moto Guzzi 1000 SP 1 noch einmal ordentlich bollern und tauscht wenig später den Motorraddress gegen die Kochschürze. Ganz sicher war die gemeinsame Ausfahrt eine Inspiration für das heutige Abendessen. Mit zunehmender Dunkelheit kehren auch die übrigen Hausgäste von ihren Tagesausflügen zurück. Unter dem Sternenzelt werden im gemütlichen Biergarten schon die Ziele von morgen ausbaldowert.

Unterkunft:
Landgasthaus Niemann: Im Herzen des Teutoburger Waldes, direkt an der deutschen Route 66, liegt das Landgasthaus Niemann. Stefani und Axel Delater bieten Motorradfahrer/innen (fast) alles – nur das gute Wetter muß noch mitgebracht werden. Geführte Touren, Biergarten, Zeltplatz, Garage, Waschplatz. Übernachtung/Halbpension ab 38 Euro pro Person.
www.landgasthaus-niemann.de

Allgemeines:
Wie ein schmales Band erstreckt sich der 110 Kilometer lange Teutoburger Wald von Osnabrück im Norden, über Bielefeld bis in den Süden hinter Paderborn. Die höchste Erhebung mit 468 Metern ist der Preußische Velmerstot.
Besonders lohnend sind Fahrten ins Wiehengebirge und ins Eggegebirge.

Anreise:
Begünstigt durch seine zentrale Lage, läßt sich der Teutoburger Wald schnell über die Autobahnen erreichen.
Als Abfahrt ist Bielefeld-Zentrum auf der A 2 zu empfehlen.

Literatur:
„Teutoburger Wald/Ostwestfalen”; HB-Bildatlas Band 173, HB-Verlag; 100 Seiten, Farbbilder und Straßenkarten; ISBN 3616 06273 X, Preis 8,50 Euro.
Motorrad Mitteldeutschland, Denzel-Verlag, Innsbruck; 76 ausgewählte Rundfahrten, 272 Seiten mit Kartenskizzen und zahlreichen Fotos; handliches Format 12 x 18 cm; ISBN 3- 85047-756-8; Preis 19,90 Euro.

Karten:
Motorrad Powerkarten „Nord- und Ostdeutschland” und „Mittel- und Westdeutschland”, Good Vibrations Verlag, je acht laminierte Blätter einschließlich Tourerguide im Schuber, neuer Maßstab 1 : 250.000, nahezu unkaputtbar, Preis je 19,90 Euro. Die Karten sind im Buchhandel oder unter www.tourershop.de erhältlich.

Informationen:
Teutoburger Wald Tourismus e.V.
Jahnplatz 5, 33602 Bielefeld
Tel. 0521/329770-0
www.teutoburgerwald.de

Adlerwarte Berlebeck;
Flugvorführungen täglich um 11.00, 15.00 und 16.30 Uhr;
www.adlerwarte-berlebeck.de.