aus bma 09/02
von Frank Schmiester
„Schneebedeckter Berg” lautet die wörtliche Übersetzung von Teneriffa. Dieser Name der mit 2.057 Quadratmetern größten Insel des rund 300 Kilometer vor der afrikanischen Westküste im Atlantik liegenden kanarischen Archipels mag im ersten Augenblick überraschend klingen, verbindet man doch im allgemeinen mit Teneriffa Sommer, Sonne und Badespaß. Auf der „Insel des ewigen Frühlings” liegt aber auch der Pico de Teide, und das ist mit 3.717 Metern der höchste Berg von ganz Spanien, wozu die Kanaren politisch gehören. Alexandra und mich fasziniert an Teneriffa die reizvolle Kombination aus Badespaß und Motorrad fahren im Gebirge – und das alles auch noch mitten im Winter bei Temperaturen von beständig über 20°C.
Fast über die gesamte West-Ost-Achse der Insel erstreckt sich eine Gebirgskette. Sie ist mitverantwortlich, dass sich das Wetter im Norden und im Süden der Insel teilweise erheblich voneinander unterscheidet. Während es im Norden mitunter ausdauernd und ergiebig regnen kann, ist es im Süden nahezu uneingeschränkt sonnig. Trotz dieser aus der Sicht des Motorradfahrers im Vergleich zum Süden eher ungünstigen Wetterprognose, wollen wir unser Urlaubsquartier in Puerto de la Cruz im Norden der Insel aufschlagen. Hierfür gibt es mehrere Gründe: Die landschaftlichen Highlights der Insel sind im Norden zu finden, der Norden weist deutlich mehr Vegetation als der eher karge Süden auf und Puerto de la Cruz ist ein zwar touristisch geprägter Ort, es leben aber auch über 40.000 Spanier in Puerto, die die Tradition und den Charme des Ortes prägen, was die charakterlosen Touristenzentren im Süden der Insel nicht bieten können.
Flug und Hotel buchen wir als Pauschalreise im örtlichen Reisebüro. Wegen der fahrbaren Untersätze schreibe ich drei örtliche Motorradverleiher an. Hierbei handelt es sich um Beckel´s Bike, ZigZag Motos und Motos Rueda. Von Motos Rueda bekomme ich keine Antwort, aber Beckel´s und ZigZag schicken mir Modell- und Preislisten, wobei in Puerto de la Cruz offenbar ausschließlich Honda SLR 650 verliehen werden. Beckel´s empfiehlt, eine Reservierung per E-Mail vorzunehmen, da die kanarische Post nicht die zuverlässigste sei. Auf meine Mail erhalte ich aber keine Antwort, auch ein weiterer Versuch vier Wochen später bleibt erfolglos.
Als ich drei Wochen vor Reiseantritt immer noch keine Antwort erhalten habe, schreibe ich kurzfristig an ZigZag Motos und bitte um Reservierung von zwei Hondas SLR 650. Eine entsprechende Reservierung wird auch umgehend bestätigt, so dass wir wenig später beruhigt und voller Vorfreude in den Flieger steigen. In Puerto de la Cruz angekommen stellen wir jedoch fest, dass die Uhren bei den Südeuropäern tatsächlich anders zu gehen scheinen. Als wir zum vereinbarten Termin bei ZigZag Motos erscheinen, offenbart uns Ricardo, dass er überhaupt nur zwei Motorräder im Verleih hat. Und das sind keine zwei Hondas, deren Reservierung er uns ja bestätigt hatte, sondern eine Yamaha Virago 250, die gerade defekt ist, und eine SLR 650, die er auch noch fast unmittelbar vor unserem Eintreffen an einen anderen Interessenten vermietet hätte. Wir nehmen die SLR 650, aber woher jetzt noch ein zweites Motorrad kriegen?
Beim Spaziergang durch Puerto hatten wir am Vortag noch „Crazy Motos”, einen uns bis dahin unbekannten Verleiher entdeckt. Also zu zweit auf der SLR zu Crazy Motos. Als wir dort ankommen, unterschreiben gerade zwei junge Männer die Mietverträge für die letzten beiden SLR 650. Weitere Motorräder gibt es nicht. Wie man uns erklärt, besteht zur Zeit eine ungewöhnlich große Nachfrage nach Mietmotorrädern. Auf dem Rückweg kommen wir zufällig bei Beckel’s Bike vorbei. Und was steht dort vor der Tür? Eine (die letzte von insgesamt sechs!) SLR 650. Für vorschriftsmäßige Wendemanöver bleibt jetzt keine Zeit mehr. Ich drifte mit blockierendem Hinterrad fast bis in den Laden, damit uns nicht noch im letzten Moment jemand die letzte SLR vor der Nase wegschnappt. Beim Ausfüllen des Mietvertrages erklärt mir Jürgen Becker von Beckel’s Bike, dass meine Reservierungs-Mails nie bei ihm angekommen sind, weil nach seiner Aussage überhaupt keine Mails über AOL den Weg zu ihm finden.
Unsere SLR 650 sind nach Aussagen der Verleiher beide erst knapp drei Jahre alt. Meine weist aber laut Tacho bereits eine Laufleistung von über 87.000 Kilometern auf und nagelt wie ein alter Schiffsdiesel. Alexandras Tacho hat bei 50.800 Kilometern die Zählerei eingestellt, ihre SLR dürfte aber insgesamt eine ähnliche Laufleistung aufweisen wie meine. Bei Alexandra „jault” der dritte Gang und der Simmerring am rechten Tauchrohr der Telegabel scheint nicht nur undicht, sondern vollständig abhanden gekommen zu sein. Mich jedenfalls erstaunt die Ölmenge, die ihre Telegabel im Verlauf unseres Urlaubs ans Tageslicht pumpt. Wir sind jedenfalls froh, nun doch noch mit inselgerechten Fahrzeugen ausgestattet zu sein und lassen den Motorradurlaub beginnen.
Die erste Ausfahrt führt uns über den gleich hinter Puerto liegenden Ort La Orotava und durch das gleichnamige Tal hinauf in die Las Canadas. Die Strecke bis La Orotava ist zwar kurvenreich und landschaftlich reizvoll, aber aufgrund der dichten Besiedlung auch stark frequentiert, so dass sich erst einmal noch kein richtiger Fahrspaß einstellen will. Hinter La Orotava lässt der Verkehr dann schließlich nach und wir schrauben uns mit jedem gefahrenen Kilometer weiter nach oben. Aus dem in Puerto de la Cruz noch mit 24°C hinter dem Visier wirbelnden lauen Lüftchen wird mehr und mehr ein kühler Wind. Unaufhaltsam nähern wir uns dem alles überragenden und ständig in unserem Blickfeld befindlichen Teide.
Wir fahren durch eine einzigartige, schier endlose Lava-Landschaft, geprägt von skurrilen Felsformationen aus in der Sonne rot bis braun und teilweise türkis leuchtenden Bimsgestein. In Portillo sind bereits über 2.000 Höhenmeter erreicht und es geht weiter bergan. Alle paar Kilometer laden Aussichtspunkte zu einem Stopp.
In etwa 2.200 Metern Höhe passieren wir die Talstation der zur kegelförmigen Spitze des Teide hinauf führenden Seilbahn. Kurz danach findet die Strecke am Puerto de las Canadas mit 2.300 Metern ihren respektablen Höhepunkt. Von hier aus geht es in südwestlicher Richtung durch eine nahezu vegetationslose Gesteinswelt wieder bergab. Wenige Kilometer und etliche Aussichtspunkte später biegen wir nach rechts ab auf die Stichstraße zu den Los Roques. Dabei handelt es sich um Gesteinsformationen, die aufgrund ihrer Härte der Erosion mehr entgegen zu setzen hatten als ihre unmittelbare Umgebung, so dass sie heute als Felsentürme eine natürliche Grenze zwischen der Hochebene und der Tiefebene der Las Canadas bilden.
Direkt hinter den Los Roques passieren wir dann die Llanco de Ucanca. Das ist eine mehrere Quadratkilo- meter große sandbedeckte ebene Fläche, auf der laut Reiseführer bereits mehrere Science-Fiction-Filme gedreht worden sein sollen. Und wie auf dem Mond sieht es tatsächlich ein wenig aus – nur der blaue Himmel und die hellen Sonnenstrahlen irritieren in dieser Szene ein wenig…
Die nächste Ausfahrt soll uns in das Teno-Massiv führen. Wir fahren von Puerto de la Cruz auf der Küstenstraße Richtung Westen. Von der Küstenstraße kann man dabei die beiden wichtigsten Devisenbringer Teneriffas gut überblicken. Während der unmittelbare Küstenbereich dem Tourismus vorbehalten bleibt, werden direkt dahinter in Monokultur kanarische Bananen auf riesigen Plantagen angebaut. Bis an den Straßenrand stehen die Bananenbäume, aber wir widerstehen der Versuchung und pflücken keine ab.
Zwar steht in Icod ein angeblich tausendjähriger Drachenbaum, doch diese Touristenattraktion wollen wir uns lieber ersparen, denn schöne, den Ureinwohner als heilig geltende Drachenbäume gibt es genügend auf der Insel. Der Ort Garachico ist im Jahr 1706 durch einen Vulkanausbruch zerstört und direkt daneben in reizvoller Lage direkt am Meer wieder aufgebaut worden. Biegt man hinter dem Ortsausgang nach links in Richtung El Tanque ab, bietet die Straße einerseits ein tolles Arrangement aus Kurven und Kehren, und man kann andererseits einen schönen Ausblick von oben auf den Ort genießen, das mit seinen weiß gestrichenen Häusern einen schönen Kontrast zum dunklen Lavagestein darstellt.
In Buenavista biegen wir auf die Piste zum Punta de Teno ab, dem westlichsten Punkt der Insel. Große Schilder warnen mehrsprachig vor der Weiterfahrt bei Regen oder starkem Wind, da sich Gestein lösen und auf die Straße schlagen könnte. Da jedoch die Sonne scheint, fahren wir weiter.
Am Punta de Teno angekommen genießen wir schließlich in südöstlicher Richtung den Ausblick auf die Steilküste zwischen Atlantik und Teno-Massiv bis nach Los Gigantes. Zurück in Buenavista setzen wir unsere Tour fort und fahren mitten hinein in das Teno-Massiv. Die hervorragend asphaltierte, aber recht schmale Straße windet sich in unzähligen Kurven und Kehren durch das Massiv. Das Teno-Massiv wird von unzähligen Tälern und Schluchten zerschnitten und gleich rechts neben der Straße geht es meist steil bergab. Beeindruckt schleichen wir durch dieses Szenario, aber die SLRs scheinen für diese Trödelei wenig Verständnis zu haben und hacken wegen der niedrigen Drehzahl auf die Ketten ein. Das stört uns aber wenig, denn wir wollen uns keinen Eindruck entgehen lassen. Und wie schon für die Las Canadas so gilt auch hier, dass man die Strecke eigentlich insgesamt viermal fahren muss: einmal in jede Richtung, dann noch einmal zum Schauen und dann zum Kurven.
Auf dem Weg zum Anaga-Gebirge, dem geologisch ältesten Teil der Insel, verlassen wir Puerto de la Cruz in östlicher Richtung. Dabei erweist es sich schwierig, die über Santa Ursula führende alte Landstraße zu finden, denn die Verkehrsführung ist konsequent auf die Benutzung der ebenfalls parallel zur Küstenlinie verlaufenden Autobahn ausgelegt. Nach mehreren Versuchen schaffen wir es dann aber doch und genießen das geringe Verkehrsaufkommen in Verbindung mit zahllosen Kurven und exotisch anmutenden Ausblicken auf die tief unter uns verlaufende Küstenlinie.
Ab Las Mercedes wird die Straße dann immer enger und lange geradeaus geht es hier nicht mehr, sondern es folgt ein Geflecht aus unzähligen Kurven bis hinauf in eine luftige Höhe von 1.000 Metern. Wie das Teno-Massiv so ist auch das Ananga-Gebirge mit tiefen Schluchten und steilen Abgründen übersät. In El Bailadero folgen wir weiter der durch eine subtropische Gebirgslandschaft führenden Straße über Taganana bis hinunter nach Benijo, wo wir in einer kleinen Taverne direkt an der Atlantikküste eine Pause einlegen und den Blick über die schroffe Küstenlinie und auf die beeindruckend hohen Wellen genießen. Auf dem Rückweg haben wir sofort wieder den alles überragenden Teide im Blickfeld. Ihn kann man mit seinen 3.717 Metern – das wird uns langsam klar – von fast jedem Punkt auf der Insel aus sehen.
Eine weitere Ausfahrt führt uns aus Puerto de la Cruz durch das Orotava-Tal hinauf Richtung Las Canadas. Diesmal biegen wir aber auf 2020 Höhenmetern in Portillo de las Canadas nach links in Richtung La Esperanza ab. Die Strecke weist zwar deutlich weniger Kurven auf, aber trotzdem bleibt der kräftige Dreh am Gasgriff aus. Wir bewegen uns hier nämlich auf einer Höhenstraße auf dem Kamm des Gebirgszuges und können von hier oben in einer einzigartigen Vulkanlandschaft auf beiden Seiten tief unten den Atlantik sehen. Wir fahren bei strahlendem Sonnenschein und azurblauem Himmel durch eine rotbraun leuchtende Vulkanlandschaft und sind hingerissen. Die eigentliche Sensation kommt aber erst ein paar Kilometer weiter kurz vor den Montana de la Crucita.
In einer Kehre führt die Strecke nicht über eine Anhöhe, sondern mitten hindurch. Dadurch haben wir einen ungehinderten Blick auf die in den verschiedensten Farben direkt neben der Straße leuchtenden Erdschichten, so als befänden wir uns in einem hohlen Zahn des Gebirges. Ein wirklich fantastisches Bild. Wir fahren weiter Richtung La Esperanza und hinter dem Abzweig nach Arafo erreichen wir den Bosque de la Esperanza, ein für die Kanaren eigentlich untypisch großes und dicht geschlossenes Waldgebiet. Damit lassen sich auf dieser Strecke ab Puerto de la Cruz die verschiedensten Vegetationszonen der Insel auf engstem Raum durchfahren.
Während eines Aufenthaltes am Playa Jardin, dem schwarzsandigen Strand von Puerto de la Cruz, entdecke ich beim Studieren der Teneriffa-Karte kurz vor Vilaflor eine nur weiß auf der Generalkarte eingezeichnete Strecke, die sich in ihrem Verlauf nach einigen Kilometern noch auf einen Strich verjüngt. „Fahrweg” erläutert die Legende, und das klingt doch ziemlich nach Naturbelag und Schotter. Wir wollen das natürlich überprüfen und fahren daher bei unserem nächsten Ausflug Richtung Vilaflor.
In der ersten Rechtskehre vor Vilaflor zweigt dann unscheinbar links die von uns anvisierte Piste ab. Sie weist tatsächlich Naturbelag auf und es fehlt sofort an jeglichem Verkehr. Wir genießen es, mit den leichten Hondas große Staubfahnen hinter uns her zu ziehen und bügeln über die Piste. An unzähligen Abzweigungen müssen wir uns orientieren und navigieren – nicht immer richtig – nach Sonnenstand, denn wir wollen bei Izana wieder auf die asphaltierte Straße nach Portillo de las Canadas treffen. Schließlich versperrt an der Stelle, an der sich die Piste laut Generalkarte auf eine „Fahrspur” verjüngt, eine Schranke die Weiterfahrt. Unliebsame Begegnungen mit den Hütern des Teide-Nationalparks möchten wir uns ersparen und treten daher wieder den Rückzug an. Wir fahren aber nicht ganz zurück bis nach Vilaflor, sondern biegen vorher rechts ab Richtung Las Vegas, um anschließend auf der laut Generalkarte extrem kurvenreichen Strecke an der sonnigen Südostküste der Insel nach Güimar zu fahren.
Die Piste nach Las Vegas wird mit jedem Kilometer übler und stellt schließlich eine richtige Herausforderung für die Fahrwerke der Maschinen und unser fahrerisches Können dar. Letztlich sind wir dann froh, in Las Vegas wieder Asphalt unter den Pneus zu haben. Die Strecke nach Güimar ist zwar tatsächlich extrem kurvenreich, aber die miteinander nicht harmonierenden Kurvenradien lassen kein gleichmäßiges Schwingen zu, so dass das ewige Beschleunigen und Abbremsen dann doch richtig anstrengend wird. Dazu ist auch die Landschaft lange nicht so beeindruckend wie auf der Nordseite der Insel.
Mittlerweile ist es auch auf der Südhälfte der Insel wolkig geworden und als wir in Güimar nach links abbiegen, um über Arafo wieder auf die Höhenstraße zwischen La Esperanza und Portillo de las Canadas zu gelangen, lässt sich der alte Motorradfahrergrundsatz „Fahr nie in eine Wolke” schon nicht mehr befolgen. Direkt hinter Arafo führt die Straße hinein in die tief hängende „dicke Suppe” und wir folgen der stetig bergan führenden Strecke wie durch dichten Nebel. Aber bereits einige Kilometer weiter und etliche Meter höher fahren wir wieder aus der Wolkendecke heraus und befinden uns bei schönstem Sonnenschein über den Wolken. Und hier treffen wir auch die einheimischen Motorradfahrer wieder, die uns unten alle überholt hatten. Hinter Arafo reihen sich nämlich Kurven aneinander, die sich mit entsprechenden Motorrädern in einem ziemlichen Tempo durcheilen lassen. Und genau das tun die einheimischen Motorradfahrer hier am Samstagnachmittag. Ärger mit der Polizei oder Streckensperrungen scheinen hier kein Thema zu sein und verirrte Mietwagenbesatzungen werden lässig überholt. Daher mobilisieren auch wir sämtliche Pferdchen der SLRs und genießen das Kurvenschwingen in der traumhaften Kulisse über den Wolken.
Schließlich wollen wir auch noch wissen, wie es denn in den Touristenhochburgen Las Americas und Los Christianos im Südwesten der Insel aussieht. Wir fahren daher wieder über den Erjos-Pass und Santiago de Teide zunächst nach Los Gigantes an der Westküste südlich des Teno-Massivs. Obwohl natürlich etliche Hotels und Ferienwohnungen vorhanden sind, ist Los Gigantes selbst weniger touristische Residenz, sondern mehr Ausflugsziel. Daher ist touristischer Trubel in Los Gigantes zwar unverkennbar vorhanden, hält sich aber in noch halbwegs erträglichen Grenzen. Jedenfalls erträglich genug, um am Hafen in Motorradklamotten den Blick auf die mehrere hundert Meter hohe Steilküste bei einem Milchkaffee zu genießen. War die Strecke zwischen Erjos-Pass und Los Gigantes noch ganz reizvoll, so ändert sich das am Ortsausgang von Los Gigantes in Richtung Las Americas schlagartig. Es ist staubig und dreckig, die Straße ohne Kurven und stark frequentiert, die Vegetation reduziert sich auf ein Minimum und landschaftlich hat die Gegend auch nichts zu bieten. Als wir dann in das Verkehrsgewühl von Las Americas eintauchen, reicht es uns bereits. Nur wieder weg hier. Kurzfristig biegen wir nach links ab und kurven über San Miguel nach Granadilla. Obwohl in der Generalkarte grün berandet, haut uns auch diese Strecke nicht um und muss im Vergleich zu den Straßen im Inselnorden und in der Inselmitte eindeutig zurückstecken.
In Granadilla beschließen wir schließlich, auf dem kürzesten Weg zurück nach Puerto de la Cruz zu fahren, um den letzten Nachmittag ausgiebig am Strand zu genießen. Wir befahren daher die in der Karte als Hauptverkehrsstraße eingezeichnete Strecke nach Vilaflor. Aber entgegen der Ausweisung in der Generalkarte handelt es sich um ein nur mäßig asphaltiertes, aber recht ordentlich geschwungenes Nebensträßchen, das uns schließlich doch noch unseren Fahrspaß bietet und zunehmend durch schönere Landschaft führt. So schön, dass ich die rechte Hand immer mehr zügele, um die landschaftlichen Eindrücke intensiver genießen zu können. Alexandra sieht aber durch das Bummeltempo ihre letzte Chance, sich noch einmal ausgiebig am Strand zu räkeln, eindeutig gefährdet und zieht an mir vorbei. Unter Ausnutzung der zugelassenen Höchst- geschwindigkeit scheint sie mir sofort zu enteilen, so dass ich kräftig am Quirl drehen muss, um wieder Anschluss zu finden. Im Formationsflug lassen wir die Eintöpfe poltern und die Las Canadas sowie den Teide an uns vorbeifliegen. Wir schwingen durch die Kurven und genießen einfach die dynamische Streckenführung, die – obwohl wir die Strecke schon öfter gefahren sind – noch nie so viel Spaß wie bei diesem Tempo gemacht hat. Die beiden Einzylinder erzeugen dabei eine kernige Geräuschkulisse und zwei mit Videokameras ausgerüstete Urlauber werden dadurch rechtzeitig auf uns aufmerksam und nutzen unsere Fahrt, um ihren Kameraschwenk über den Llanco de Ucanca hinüber zum Teide mit zwei durch die Kurven wedelnde Motorräder zu verschönern.
Am nächsten Morgen müssen wir unsere 650er, die uns trotz ihrer Laufleistung 1.800 Kilometer ohne Schwierigkeiten über die Insel getragen haben, wieder abgeben. Ein wenig Wehmut macht sich breit, aber zum Glück ist es auf der ganzen Insel wolkig und auch der Teide verhüllt seine kegelförmige Spitze in einer dichten Wolkendecke, was die Abreise dann doch etwas erleichtert.
Kurz nach dem Start unserer Boeing durchstoßen wir die Wolkendecke und als ich aus dem Fenster blicke, sehe ich die Spitze des Teide oben aus den Wollen ragen. „Hey, ihr beiden! Hier bin ich! Wo wollt ihr denn hin?” scheint er uns hinterher zu rufen. „Nach Hause” antworte ich. „Dort ist es doch kalt und es regnet. Was wollt ihr denn da?”
Tja, und das ist eine gute Frage. Ich lehne mich zurück in meinen Sitz, um mir eine überzeugende Antwort zu überlegen, aber mir fällt nichts ein. Als ich wenig später wieder aus dem Fenster schaue, ist der Teide am Horizont nicht mehr zu sehen…
INFO:
Mietmotorräder – und zwar durchweg Honda SLR 650 – sind in Puerto de la Cruz bei folgenden Verleihern zu bekommen:
Motos Rueda S.L. Ctr. General de las Arenas 17, Tel. 0034-22-382902/00, Fax 0034-22-382800; ca. 22,- EURO/ Tag, Verständigung nur mit Händen und Füßen in gebrochenem Englisch.
ZigZag Motos Edificio Iris Park, Carretera Las Arenas, Tel. 0034- 22-382006, Fax 0034-22-382006; ca. 25,- EURO/Tag, Verständigung nur mit Händen und Füßen in gebrochenem Englisch.
Beckel’s Bike Perez Zamora 2A, Tel./Fax 0034-22-388035, ca. 55,- EUR/Tag; der Inhaber Jürgen Becker spricht deutsch.
Crazy Motos La Hoya 69, Tel. 0034-22-374887, ca. 60,- EUR/Tag, Verständigung nur mit Händen und Füßen in gebrochenem Englisch.
Bei einer Mietdauer von drei, fünf, sieben oder zehn Tagen gewähren alle Verleiher gleichermaßen Preisnachlässe. Wer sich kurz auf Teneriffa aufhält und deshalb darauf angewiesen ist, während eines bestimmten Zeitraums mit Sicherheit ein Motorrad zur Verfügung zu haben, der sollte bei Beckel’s Bike reservieren (per Brief, Fax oder Telefonanruf). Wer hingegen länger vor Ort und daher bezüglich des Mietzeitraums flexibel ist, der kann versuchen bei Rueda oder ZigZag eine SLR zu einem etwas günstigeren Preis zu bekommen.
Nachtrag 8/06: Als Vermietung von einem bma-Leser empfohlen http://www.teneriffa-on-bike.de
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Kommentare
Ein Kommentar zu “Teneriffa mit dem Mietmotorrad”
Im Januar 2001 haben Alexandra und ich Teneriffa mit Mietmotorrädern bereist und es entstand darüber dieser Reisebericht.
Genau 12 Jahre später verkürzten wir erneut die Winterpause auf Teneriffa und haben der Empfehlung des BMA-Lesers aus 08/2006 entsprechend die Motorräder bei Teneriffa on Bike gemietet. Die Anmietung und Übergabde der Motorräder war vollkommen problemlos und es wurde nichts versprochen, was nicht gehalten wurde. Die Maschinen befanden sich in einem ganz hervorragenden Zustand und auch die souveräne Betreuung vor Ort hat unseren positiven Eindruck maßgeblich beeinflusst. ToB ist eine echte Empfehlung.
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