aus Kradblatt 9/17
von Torsten Thimm

Im V-Strom der Zeit

Suzuki V-Strom 650XT in Vollausstattung Es gibt Motorräder, die sind für die Seele gemacht! Allerdings oftmals auch nur für den Trip von Café zu Cafe´ zu gebrauchen. Bei anderen Maschinen wiederum muss man das Seelenheil erst erfahren, um zu sehen, wie gut sie wirklich sind. So gesehen ist es also eine Art Krux aber in meinem Fall hier gerade eine Gute.

Wieder einmal steht, wie jedes Jahr seit 2003, unsere jährliche Herrentour an und dieses Jahr geht es nach Ligurien, in Begleitung meiner drei Freunde Klaus, Marc, Sascha und der neuen Suzuki V-Strom 650XT. Die ist nicht nur optisch für den Tanz über die ligurischen Straßen ausreichend gerüstet, nein, sie kommt zudem auf güldenen Speichenfelgen daher. Vorne auf 19 Zoll mit einem 110er Reifen, hinten mit einem 17 Zöller in einer 150er Breite. Das alles, sowie das zwar einfache aber gut abgestimmte Fahrwerk aus 43er Telegabel (nicht einstellbar) und in der Zugstufe sowie Federvorspannung (mit Handrad) einstellbare Federbein, machen die kleine Strom agil, auf den schlaglochbewerten Straßen und auf dem anstehenden Geländeritt über die ligurische Grenzkammstraße.

Suzuki V-Strom 650XT War die Anfahrt noch eher harmloser Natur, war das von uns bereits am ersten Tourentag befahrene Stück des Grenzkammes in einem sehr enduristischen Zustand. Für den anstehenden Fahrtest der Suzuki allerdings war es ideal geeignet und die Natur bot die passende, vor allem atemberaubende, Kulisse dazu.

Grenzkammstraße hin, Naturkulisse her, an dieser Stelle des Testes kommen wir nun noch einmal auf das anfänglich genannte Seelenheil zurück! Denn wer einmal seinen Platz auf der 850 mm hohen Sitzbank gefunden hat, der möchte so schnell nicht mehr runter vom bequemen Gestühl.

Für kleinere Menschen bietet Suzuki noch eine, mit 820 mm Sitzhöhe, niedrigere Bank an, für die Größere eine um 20 mm höhere Bank. Wie bei der SV 650 reicht auch bei der V-Strom ein Streicheln des Startknopfes und das Easy Start System beginnt seine Arbeit so lange am Anlasser, bis der V2 zum Leben erwacht. Unterstützt durch den ebenfalls elektronischen Low RPM Assistenten, der die Drehzahl beim Einrücken der Kupplung anhebt, wird es zudem schwer das Motorrad abzuwürgen. Eine sehr praktische Funktion für Anfänger und auch für mich auf dem gerade unter mir befindlichen Untergrund. Dieser besteht hier in den Bergen in großen Teilen aus losem Ge­röll. Die zweistufig, abschaltbare Traktionskontrolle erledigt den Rest und bietet zudem Sicherheit gegen ein ausbrechendes Hinterrad. Manch einem reinrassigen Enduristen wäre das hier sicherlich gerade recht, mir als eher straßenorientiertem Motorradfahrer hingegen nicht.

Stehend, auf den etwas zu schmal geratenen Fußrasten, geht es also Kilometer für Kilometer hinauf und mitten hinein in die Bergwelt Liguriens. Die Ausblicke auf die unter uns liegenden Täler werden weiter, die Flanken der Berge werden kahl und steil, Nebel zieht auf, bitte nicht jetzt und nicht hier denke ich mir. Doch so schnell wie die Schwaden da waren, haben sie sich auch wieder verzogen und die Sonne holt sich mit aller Macht ihr Vorrecht zurück.

Suzuki V-Strom 650XT Das ist es, was wir uns für unsere Tour gewünscht hatten und genau so bleibt es auch zum Glück für den Rest des Tages. Indes kann einem das Motorrad wirklich leidtun, denn mit zum Teil heftigen Einschlägen der faustgroßen Steinbrocken am Bugspoiler und den unteren Extremitäten, hat sie ordentlich etwas wegzustecken. Doch irgendwann, gefühlte Stunden später, ist auch dieser Spuk erst einmal vorbei und wir haben es endlich geschafft den höchsten Punkt der Tour zu erreichen. Wie anstrengend das bis hier war, sieht man uns deutlich an, denn keins der T-Shirts ist mehr trocken.

Cockpit plus Navi - Suzuki V-Strom 650XT Bis dato war, das schon eine grandiose Grenzerfahrung in mehrfacher Hinsicht. Und um das Erlebte ein wenig besser verarbeiten zu können, beschließen wir die Picknickdecke auszupacken und erst einmal Pause zu machen. Natürlich kommen wir bei der Gelegenheit auch auf die Motorräder zu sprechen, speziell auch auf die Suzuki als jüngstes Mitglied der Truppe. Die Meinungen über sie gehen, wie sollte es auch anders sein, auseinander. Während ich als Fahrer aus meiner Sicht nichts zu meckern habe, sind meine drei Begleiter der Meinung, dass man hier und da hätte durchaus etwas mehr Wert auf die Qualität der verwendeten Materialien legen können. Und in der Tat scheint es bei näherem Hinsehen so, dass einige Teile der Kunststoffverkleidungen um den Tank herum und am vorderen Kotflügel, nicht ganz die Wertigkeit besitzen, die man sich als Besitzer wünschen würde. Leuten, die eine V-Strom kaufen um damit wie wir auch mal im Gelände unterwegs zu sein, das kann sie nämlich wirklich sehr gut, sollten im Zubehörregal nach einem Aluminium Motorschutz Ausschau halten. Der Originale aus Kunststoff, wurde hier schon ganz schön strapaziert.

Landstraßenflitzer: Suzuki V-Strom 650XT Zu weiteren Diskussionen kommt es heute aber nicht mehr, denn die Zeit vergeht schneller als gedacht und so finden wir uns kurz später erneut auf der Piste wieder. Diesmal geht es talwärts in Richtung Realdo und irgendwann haben wir dann auch wieder richtiger Teer unter den montierten Bridgestone A40 Reifen. Eine gute Entscheidung von Suzuki bei der XT auf diesen Reifen zu setzen, denn er funktioniert vorzüglich und wäre auch für die Basismodelle wünschenswert. Außerdem ist nun endlich einmal die Gelegenheit gekommen, um die Gashand etwas mehr anzuspannen. Hierbei übersetzen die Züge den Befehl in ein sehr sauberes Ansprechverhalten der zusätzlich noch elektronisch unterstützten Drosselklappen. Ja richtig gelesen, die V-Strom hat Züge, kein Ride by Wire, keine Fahrmodi und keine hydraulische Kupplung. Man findet in der einfachen mechanischen Vergangenheit eine Realität im hier und heute wieder, die begeistert und eins kann … prima funktionieren.

Abgespeckt: Suzuki V-Strom 650 ohne XT Flink wie das sprichwörtliche Wiesel geht’s um die Ecken, immer an den leistungsmäßig stärkeren Maschinen meiner Kollegen dran. Auch auf längeren Geraden reißt diese Verbindung nicht ab, wenn man mal kapiert hat, dass der kleine V2 einfach ein paar Umdrehungen mehr braucht, um seine 62 Nm Maximaldrehmoment zu erreichen. Dabei dreht der Motor stets sauber hoch und als einer der letzten verbliebenen V-Motoren in diesem Segment ist er schon jetzt etwas Besonderes.

Somit denke ich, wird auch sie – wie die über 170.000-mal verkaufte Vorgängerin – sicherlich die Erfolgsgeschichte weiterschreiben, die Suzuki mit den Stromern 2004 begonnen hat. Dabei hilft natürlich auch das neue Gewand, das nun wie die große Schwester die Scheinwerfer übereinander und nicht mehr nebeneinander trägt, den Auspuff weiter unten und vor allem eins hat, den von Suzuki erfunden Entenschnabel.

Fährt sich auch auf trockenen Wegen offroad gut: Suzuki V-Strom 650XT Auf moderne LED Technik oder Tagfahrlicht verzichtet der Hersteller an der Front komplett, lediglich das Rücklicht ist mit LEDs bestückt. Schaden tut dies nicht im Geringsten, die Ausleuchtung ist gut und eine Birne ist bekanntlich schneller getauscht, als ein kompletter LED Scheinwerfer und erheblich günstiger noch dazu.

Günstig ist auch der Verbrauch, denn im Schnitt wurden gerade einmal 4,3–4,5 Liter Sprit aus dem 20 Liter Tank pro 100 km zerstäubt. Das schont den Geldbeutel und bringt vor allem auch Reichweite.

Von der komfortablen Sitzposition aus lässt sich die, wie alles im zum Fahrer geneigten und drei geteilten Cockpit, sehr gut ablesen. Schön auch, dass sich hier wenigstens noch ein Zeiger im Drehzahlmesser drehen darf. Ansonsten ist das Cockpit digitalisiert und bietet eine Menge Informationen, die sich über die Schaltwippe an der linken Lenkerarmatur abrufen lassen.

So wie sich der einsame Zeiger im Drehzahlmesser dreht, dreht sich leider aber auch immer der Zeiger der Zeit, so dass die Tage in Ligurien wie nichts vergingen. Ehe wir uns versahen saßen wir wieder im Transporter, auf dem Rückweg nach Deutschland. Was bleibt am Ende dieses Trips ist die Erkenntnis, dass Ligurien bei weitem nicht nur aus der Grenzkammstraße besteht. Es gibt viele Facetten dort, die es zu einem Reiseziel für Motorradfahrer machen.

Ideales Suzuki V-Strom 650XT Gebiet …Und die V-Strom …? Sie hat im wahrsten Sinne des Wortes ihre Seele gezeigt, ging mit mir über Teer und Stein und hat sich als zuverlässige Begleiterin über die gesamte Tour erwiesen. Für 8390 Euro steht die Basisvariante mit Gussrädern und mehr straßenorientiert bei den Händlern. Die von mir gefahrene XT Variante kostet 600 Euro mehr, bietet aber auch mehr und ist im direkten Vergleich der bessere Kauf.

Wem das nicht reicht, der wird ebenfalls bei Suzuki fündig, denn auch die 1000er gibt es als Basisversion für 12600 Euro, als XT Variante mit den goldenen Felgen für 400 Euro mehr, plus Nebenkosten. Der Mehrpreis der Tausender ist nicht nur alleine auf den größeren Motor zurückzuführen. Sie wirkt in allen Belangen wertiger und kommt zudem mit einem Kurven ABS und einer Upside-down-Gabel daher.

Wie die Entscheidung am Ende ausfällt, wird wohl der Geldbeutel und die ausgiebige Testfahrt entscheiden. Klar ist, beide machen eine Menge Spaß und sind zuverlässige Motorräder.