aus bma 07/04

von Elke Rosskamp

Suzuki SV 650 S Vor knapp vier Jahren war es soweit – die olle CB 500 reichte irgendwie nicht mehr. Als Lehrmeisterin hatte sie ausgedient, diesen Job hatte sie perfekt erledigt.
Es sollte nun eine Suzuki SV 650 sein: Leicht mit moderater Sitzhöhe, charaktervoll, druckig, schick und im wahrsten Sinne des Wortes preiswert. Nachdem ich der CB nach 35.000 treuen Kilometern noch ein paar Krokodilstränen hinterhergeweint hatte, griff ich zur schwarzen SV-S und ließ ihr sofort höhere Lenkerstummel von Lukas verpassen. Trotzdem: Au, mein Rücken! Ich werd halt nicht jünger. Daher wichen die Stummel einem Superbike-Lenker von LSL, welcher im Zusammenspiel mit einer Speer-Scheibe (ohne Einsatz der Säge) wunderbar in der Hand liegt. Dem touristischen Gedanken frönte ich außerdem durch einen Hepco & Becker – Kofferträger (ja, ich weiß, einigen dreht sich jetzt der Magen um, aber Koffer sind einfach „praktisch” und wozu sie noch gut sind, erfahrt Ihr später), Heizgriffe (ja, ich weiß, Warmduscher und so, aber bei 5 °C spricht da nur noch der Neid), den etwas tieferen Fußrasten der N-Version und einen Hauptständer von SW-Motech.
Die ersten 1500 km verbrachte mein neues Schätzchen nicht auf norddeutschen Straßen, sondern ich packte meine Köfferchen und ritt mit ihr ins schöne Hessenland. Natürlich nicht über die Dosenbahn, so fährt man schließlich kein Motorrad ein. Wunderbare Sträßchen im Spessart, Taunus und Odenwald warteten auf uns.

 

Der nächste Eingriff galt den Reifen. 6000 km auf ME-Z4 waren schon 6000 zuviel. Die Fuhre eimerte durch die Kurven, das Schienengefühl wollte sich einfach nicht einstellen. Also runter damit und ME-Z3 aufgezogen. Geht doch.
Ich brachte die SV zur Inspektion und fragte den Meister:„Haste irgendwas, womit ich wieder nach Hause komme, ’nen Roller oder so?” Er schaute in seine Liste. „Eine Maschine habe ich noch, ’ne GSX-R 1000” Ich ganz lässig: „Okay, ist in Ordnung, gib her das Ding” Mein Gott, war das ein abartiges Teil! Die geringste Zuckung am Gasgriff brachte Schuuuub! Die schiere Angst überkam mich. Noch perverser war es, auf diesem Gerät mit legalem Tempo durch die Ortschaft zu eiern. Sowas gehört verboten. Als ich meine kleine Schwarze wieder in die Arme schloß und mit ihr losfuhr, dachte ich, hallo, sitz ich auf’m Mofa?
Suzuki SV 650 SIm September 2001 durfte die SV sich zum ersten Mal richtig austoben. Südtirol, wir kommen! Die schnöde Anreise erledigten wir, übrigens nicht zum ersten Mal, mit dem Autoreisezug. Ich bin ja eine Verfechterin dieser Einrichtung. Gerade für Nordlichter, die dem hitzigen Jugendalter entwachsen sind und keine Lust mehr haben auf Dauerregen-, Sturgeradeausfahr- und Arschplattsitzrekorde, ist das die ideale Alternative. Und mal ehrlich, eine einzige Nacht in diesem Ding ist wirklich nicht so schlimm. Auch wenn man die Arschkarte gezogen hat und sich das Abteil mit furzenden, schwitzigen und schnarchenden Kreaturen teilen muß. Wenn das man keine Biker sind?!? Übrigens gibt es zum Abendbrot ein alkoholisches Getränk kostenlos dazu. Klausi bestellte Bier und ich Wein. Klausi bekam eine Flasche Bier und ich eine Flasche (!) Wein, was ich ausgesprochen fair fand. Klausi aber wollte plötzlich tauschen.
Das Wetter meinte es extrem gut mit uns, in zweieinhalb Wochen öffnete der Himmel nur an zwei Tagen seine Schleusen. Ansonsten oft strahlende Sonne, fantastische Berge, Kurven satt… und eine erkleckliche Anzahl von Reisebussen, die vorwiegend weißhäuptige Rentner durch die Gegend schaukelten. Überholen möglich nur für Leute, die ihr Hirn vorher abgelegt haben. Besonders die berühmte Sellarunde litt unter dem Reisebus-Auftrieb. Ich finde außerdem, daß Serpentinen nicht das ideale Revier für die SV sind, weil die nun mal vorhandenen Lastwechsel sich hier am störendsten bemerkbar machen. Die Erhöhung der Leerlaufdrehzahl auf knapp 1500 Touren brachte leichte Linderung. Bei einer Bremsaktion, noch weit von einer Notbremsung entfernt, geriet zum wiederholten Male wegen einer Blockade das Hinterrad ins Schlingern. Als Sofortmaßnahme für etwas weniger Gift stellten wir den Fußbremshebel niedriger. Später wurden die Beläge gegen No-Name-Teile aus dem Zubehörhandel getauscht, was genau den gewünschten Effekt brachte.
Und dann passierte noch das, was garantiert nicht Bestandteil von süßen Motorradfahrerinnen-Träumen ist: Ich kippte sie um, die SV! Ich fuhr vor. Nach Karte. Ich fahr meistens vor, weil ich gerne vorfahre. „Oh, hier müssen wir ja rechts ab.” Huch, die Straße machte sofort einen 180°-Knick und ging auch noch bergab. Wie eine Serpentine, aber ich hatte nicht entsprechend ausgeholt. Bloß nicht auf die Gegenfahrbahn kommen. Der Lenker war eingeschlagen. Bremsen eine sehr schlechte Alternative, aber ich hatte sie gewählt. Typischer Anfängerfehler. Die Füße fanden wegen einer exzellent platzierten Senke keinen Boden. Stumpf fiel ich mit der SV auf die Seite. Da lag sie nun, der Magnet-Tankrucksack mit der reichhaltigen Fotoausrüstung war auf die Straße geflogen. Shit, shit, shit! Meine allerbeste Hälfte richtete das arme Moped wieder auf und wir unterzogen sie einer Inspizierung. Da soll noch mal einer über Koffer an der SV lästern. Auf eben diese war sie nämlich gefallen und hatte außer kleinen Abschürfungen am Lenkerende keinen Kratzer! Auch die Fotoausrüstung hatte ihren Flug heil überstanden, und so war alles doch gar nicht so schlimm. Und einen gewissen Lerneffekt hatte diese Aktion allemal! Nach knapp 3.000 Kilometern nahm uns der Autoreisezug wieder Huckepack und brachte uns in die norddeutsche Tiefebene.
Suzuki SV 650 S Es folgte eine Zeit, in der die SV und ich glücklich miteinander lebten. An einem Villa-Löwenherz-Wochenende hätte mich der Hauptständer fast aus der Kurve gehebelt, er wurde schräglagengerecht angeschliffen. Auch ein gelegentliches Absterben des Motors beim Gangwechsel und plötzlich einsetzender Leistungsverlust bei Dosenbahn-Vollgas (eine meiner selteneren Übungen) trübte meine Liebe zunächst nur wenig. Letztes Jahr jedoch mußte ich zu meiner Schande gestehen, daß meine Gedanken begannen umherzuschweifen. Vielleicht doch mal was anderes? Groß war die Auswahl ja nie, wenn es darum ging, mit 172 cm Höhe und 53 kg Lebendgewicht (meine Pulsuhr sagt immer „underweight“ zu mir) ein passendes Motorrad zu finden, welches nicht zur Kategorie Chopper oder Fahrschule gehört. Die Monster 1000 ging erheblich besser als die alte 900er, wirklich fein, aber irgendwie hatte ich mich inzwischen ein wenig an ihr sattgesehen. Es gab jedoch ein neues Objekt meiner Begierde. Buell stand auf ihrem Tank, XB9S war ihr vollendeter Name. Ich fand (und finde) sie (immer noch), Entschuldigung, richtig geil. Der Motor ist ein Gedicht, im Stand und bei niedrigen Drehzahlen hat sein Wummern einen wunderbar massierenden Charakter, da werden wir Frauen einfach schwach. Aber wie das so ist in einer Beziehung, den Appetit kann man sich woanders holen, gegessen wird Zuhause.
Die SV ging wieder auf Reisen. Diesmal war das Ziel unserer Sehnsüchte Slowenien und Kroatien, über die Anreise muß ich ja nichts mehr erzählen. Slowenien bietet wunderbare Motorradreviere. Vierrädrige Hindernisse sind die Ausnahme, denn die Slowenen fahren einen heißen Reifen und Urlauber sind nur vereinzelt anzutreffen. In den Serpentinen lauern keine Reisebusse sondern Schafe. In Kroatien hingegen erwarteten uns wirklich alle Arten von Straßenbelägen von schmierglatt bis aufgefräst. Schon bei trockener Fahrbahn und verhaltener Fahrweise rutschte das Hinterrad weg. Auch die berüchtigte Bora, der kalte Fallwind aus dem dalmatinischen Gebirge, erwischte uns. Sturmböen trieben die Motorräder fast auf die Gegenfahrbahn. Das zu vernachlässigende Gesamtgewicht aus SV und mir hatte dem nicht viel entgegenzusetzen. Kurz darauf wurde die berühmte Küstenstraße, die Jardranska magistrala, gesperrt.
Suzuki SV 650 S Leider kam aus Zeitmangel das Erfahren dieser besonders im Süden wirklich traumhaften Straße etwas zu kurz. Also nächstes Mal gleich auf die Fähre bis Split und dann träum… . Dieser Urlaub raubte den SV-Schühchen das letzte Profil und mit dem Bridgestone BT10 findet sich nunmehr die dritte Paarung an den Felgen wieder. Eine gute Wahl, da gibt’s nix dran zu kritteln. Und, ich vergaß, noch vor dem Urlaub wanderte das Sitzpolster in die fingerfertigen Hände eines Sattlers, um aus dem Brötchen ein für mein Popometer angenehmes Kuschelplätzchen zu kreieren. Nach drei Versuchen war das Ergebnis perfekt und die geringfügig niedrigere Sitzhöhe ist ein nicht unangenehmer Nebeneffekt.
Im Herbst letzten Jahres wurde mir zugetragen, es gäbe im Großraum Hamburg eine Horde von SV-fahrenden Männlein und Weiblein, die sich regelmäßig zusammenrotten, um ihrem Bike zu huldigen: Die SV-Rider. Und so fand ich den Weg zum nächsten Stammtisch und zum übernächsten und überübernächsten… Meine SV fällt wegen ihres, Ihr wisst schon, Kofferträgers ein wenig aus dem Rahmen. Bei allen anderen Exemplaren dieser Spezies gehen die Umbauten irgendwie in eine andere Richtung. Trotzdem werde ich bei den SV-Ridern geduldet und ab und zu redet auch jemand mit mir.
So ganz kalt ließ mich das Thema Modifikationen jedoch nicht, zumal ja die Liebe ein ganz klein wenig zu erkalten drohte. Der Unruhe an der Front wurde durch Gabelfedern von Wilbers ein Ende gemacht. Dann schlich ich auf dem Motorrad-Weihnachtsmarkt in Neumünster um eine Devil-Auspufftüte herum, aber der Preis entsprach noch nicht ganz meinen Vorstellungen. Zumal es das Risiko gab, daß der Topf wegen des, Ihr wisst schon, Kofferträgers, nicht paßt. Wochen später fand ich dieselbe Tüte bei Ebay, angeboten vom gleichen Händler, zu ersteigern! Bisher vom Auktions-Virus verschont, meldete ich mich nun flugs bei Ebay an. Okay, wie bietet man? Aha, Maximalgebot angeben. Bloß nicht zu niedrig, sonst wird sie nicht mein. Das Ebay-Feintuning kann ich mir später noch aneignen. In den letzten Sekunden vor Auktionsende stieg mein Adrenalinspiegel leicht an, 20 Sekunden vor Schluß jagte ich noch eine kleine, (wie sich gottseidank herausstellte unnötige) Erhöhung hinterher. Waren das die ersten Anfänge von Ebay-Sucht? Egal, das Ding gehörte mir. Den nächsten Adrenalinschub gab es, als Klausimausi aus der Frickelbude kam und sagte: Passt leider nicht. Toll, das hieß, der Krümmer war abgesägt, der teure Originalauspuff lag auf der Erde, das Geld für den Devil war in den Sand gesetzt. Hallo, „Scherz”! Es paßt, und zwar haargenau. Klaus bekam ein wenig Haue wegen des überflüssigen Adrenalins. Das Ergebnis der Aktion: Ein feiner Sound (trotz ABE) und mehr Druck untenrum.
Aber so richtig sauber lief sie nicht, die eingangs erwähnten Macken wurden nicht eben weniger. Klaus verschwand in der Frickelbude, Stunde um Stunde verging. Zu den an der SV vorgenommenen Operationen gehörten Vergasersynchronisation, Düsennadeln höher hängen, Gemischregulierschraube auf mager, ach, und was ist das da? Ein abgeknickter Schlauch vom Tanküberlauf. Auch nicht so schön. Die eigentliche Wurzel des Übels aber war ein ausgeleierter Unterdruckschlauch am Ben- zinhahn. Seitdem das behoben ist, geht mein Schätzchen wie die Pest und ich habe sie wieder richtig lieb. Noch lieber habe ich sie, seit sie süße kleine Miniblinkerchen zu ihrem Kleid trägt. Die blinken wunderbar, nur anfangs leider viel zu schnell. 10 Ohm Widerstand lösten das Problem. Das dämliche Kuchenblech von Nummerschild störte mein ästhetisches Empfinden zunehmend. Wir waren seinerzeit zu einem äußerst schlechten Zeitpunkt nach Hamburg gezogen und es gab nur zwei Ziffern mit drei Zahlen. Also marschierte ich kürzlich in das beliebte Amt mit den langen Wartezeiten und holte mir ein HH-SV-zwei Zahlen. Immerhin. Den Schildermacher bequatschte ich, bis er eine Nummer kleiner zur Hand nahm.
Im schnellebigen Zeitalter fliegender Modellwechsel ist meine „Schwarze” mittlerweile ja fast schon eine alte Dame. Der Kilometerzähler eilt auf die 30.000 zu und wird sie mit der anstehenden Sachsentour (sollte ich Ohrstöpsel mitnehmen?) sicher überschreiten. Weil sie mich immer noch nicht langweilt, wird sie sicher noch für ein paar Jahre mein Schätzchen bleiben. Den schönen alugebürsteten Kettenschutz von LSL könnte ich mir sehr gut vorstellen. Und was wäre mit… und vielleicht noch…, wenn das so weiter geht, wird aus meiner SV noch ein Streetfighter. Aber der Kofferträger bleibt dran!

P.S.: Beim SV-Rider-Stammtisch redet nicht nur ab und zu jemand mit mir. Wir quatschen und lachen, dass die Kneipe bebt.