aus Kradblatt 7/16
von Torsten Thimm

 

Suzuki SV 650 Modell 2016 – zurück in die Zukunft

Suzuki SV650 2016 linksGenau so hieß 1985 der Film mit Michael J. Fox und Christopher Lloyd in den Hauptrollen. Die Erfolgsgeschichte des verrückten Professors Emmett Brown und seines Freundes Marty McFly sowie des als Zeitmaschine umgebauten ­DeLoreans dürfte wohl noch jedem hinreichend bekannt sein.

Ganz so schnell wie das Filmauto mit seinem Fluxkompensator ist die neue Suzuki SV 650 sicherlich nicht. Auch lässt sich mit ihr das Raum/Zeit-Kontinuum nicht verschieben. Dafür benötigt der nun mit Doppelzündung und von 72 auf 76 PS Leistung angewachsene V2 auch keine 1.21 Gigawatt um fulminant voranzukommen. Vielmehr begnügt der sich auch bei flotter Gangart mit 4–4,8 Litern normalem Superbenzin.

Suzuki SV650 2016 rechtsDie SV ist eine der wenigen Nakeds der Mittelklasse, die mit dieser Antriebsart übriggeblieben sind. Eine Vielzahl der Hersteller nutzt hier mittlerweile Reihenzweizylinder Motoren mit Hubzapfenversatz, da diese mit weniger Bauteilen einfach preiswerter zu fertigen sind. Sie klingen durch den Versatz zumeist ähnlich wie ein V2, können es aber mit der schmalen Konstruktion des Originals natürlich nicht aufnehmen. Suzuki indes betrieb viel Aufwand und gibt an, für die Neuauflage der SV650 nicht weniger als 60 Bauteile erneuert zu haben. Hauptangriffspunkte waren die Einspritzung, der Ansaugtrakt, das Kühl- und Abgassystem, sowie neu gestaltete Kolben und beschichtete Zylinder die die Reibung der bewegten Massen im Inneren des Motors verringern sollen. Auf ein Ride by Wire und die damit verbundene Möglichkeit verschiedene Fahrmodi anzubieten, verzichtet man. Hier tun noch die althergebrachten Seilzüge ihren Dienst. Sie bewegen die beiden Drosselklappen, welche aber durch die ECU zusätzlich elektronisch nachgeregelt werden.

Suzuki SV650 2016 FrontZeitsprung zurück in die Vergangenheit: 1999, als die erste SV das Licht der Motorradwelt erblickte, gab es noch eine verkleidete und unverkleidete Version, die als kleinere Schwestern der TL 1000 für Umsatz bei Suzuki sorgten. Schon da war ihr starkes V2-Herz ein ausschlaggebender Grund für den Verkaufserfolg. Man schätzt, dass dieses kleine Kraftpaket bis heute in rund 400.000 Motorrädern, auch anderer Hersteller, verbaut wurde.
Die 650er SV jedenfalls überlebte damit ihre größere TL- und die später neben ihr produzierte SV 1000 Schwester um viele Jahre.

Mit dem Modellupdate 2003 bekam sie ihr markant eckiges Design sowie 2007 ein ABS Bremssystem. Erst 2009 mit dem Erscheinen der „runderen“ und weniger wertig wirkenden Nachfolgerin SFV 650 Gladius bekam die SV Erfolgsgeschichte einen Knacks. Die Verkaufszahlen sanken, nicht zuletzt auch aufgrund der steigenden Konkurrenz aus Japan. Mit frecherem Design fing zuerst Kawasaki, später dann Yamaha die abwandernden und neuen Kunden ein. Bis auf das Schattendasein im Fahrschulalttag, war von der, nach dem römischen Kurzschwert benannten, Gladius nur wenig in freier Wildbahn zu sehen. Daher wurde sie 2016 durch die „neue“ SV ersetzt.

Suzuki SV650 2016 CockpitZeitsprung nach vorne: Zurück in die Gegenwart also mit Euro4 Norm, dem alten erfolgreichen Namen, mit Zusatz V-Twin-Sport, der nicht mehr oder weniger verheißt als Motorrad fahren pur. Schnörkellos an der Front mit ihrem Klarglas Rundscheinwerfer, der eine Hommage an die älteren nackten Modelle zu sein scheint. Sportlich, elegant und modern ist die schmale Silhouette bis zum Bürzel geworden.
Und wo wir schon bei der Heckansicht der SV sind! Viele erinnern sich sicherlich noch an die beiden geteilten LED Rücklichtleisten der zweiten SV Serie. Bei der Neuen wurde das Heck nun noch schnittiger, die Formen fließender, wobei die LED Technik im doppelten Rücklicht geblieben ist.

Suzuki SV650 2016 HeckEin ABS System, eine Niveauregulierung, welche die Drehzahl beim Anfahren anhebt, sodass der Motor nicht abstirbt genannt TI-ISC (Throttlebody Integrated Idle Speed Control), sowie das Easy Start System, welches die Maschine beim nur leichten Antippen des Startknopfes automatisch startet, damit wären die elektronischen Hilfen der neuen Generation genannt. Fast schon etwas zu viel Retro in unserer hochtechnisierten Motorradwelt möchte man meinen und doch so erfrischend einfach in jedweder Beziehung. Oder wie der Norddeutsche sagen würde: Das kann man so lassen.

Dreht man also den Zündschlüssel auf „On“ beginnt das hinter einer Art kleinem (Mc)Flyscreen versteckte, gut ablesbare LCD Mäusekino seinen Testdurchlauf. Danach bleibt es mit sichtbarer Ganganzeige, Balkendrehzahlmesser, Uhrzeit, Gesamtkilometer, Wassertemperatur und in meinem Fall voller Tankanzeige stehen, bis der Motor gestartet wird. Zusätzlich zu den genannten Funktionen hat es noch zwei Tripzähler, womit das Ende der Fahnenstange erreicht ist.

Suzuki SV650 2016 FarbenIn 785 mm Höhe thront es sich knackig auf dem straff bezogenen Sitzbrötchen dieser mit 197 kg Gewicht angegeben Maschine. In Verbindung mit der schmalen Taille passt das geradezu perfekt für die Kleineren unter uns. Bei größer Gewachsenen, ab 1,85 m wiederum wird der spitze Kniewinkel auf Dauer wahrscheinlich etwas zwicken.

Der Lenker ist, aufgrund der Größe der Maschine, gut erreichbar, wenn auch ein wenig schmal für meinen Geschmack. Alle Bedienungselemente lassen sich einfach und intuitiv bedienen. Schade nur, das der Kupplungshebel irgendwie klassenüblich nicht einstellbar ist und die Cockpitfunktionen nicht über die Lenkerarmatur abgerufen werden können. Sicherlich am Ende eine Frage des Preises.

Ein Druck auf den Startknopf und das V2 Herz erwacht pulsierend zum Leben. Von einer Lautstärkenrestriktion durch Euro4 hört man hier erst einmal nichts. Der Motor bollert freudig im Stand vor sich hin, was noch frecher wird, wenn man ihm während der Fahrt, so ab 6000 bis 8000 Umdrehungen, auf die Köpfe haut. Ab da hat man das Gefühl unter dem Tank öffnet jemand eine 2. Klappe, so böse röchelt das im Ansaugtrakt. Es bietet auf jeden Fall eine Menge Unterhaltungspotenzial, beinahe so wie ein Satz Flachschiebervergaser und ihr Zwitschern beim Hahn aufdrehen in vergangen Tagen.

Suzuki SV650 2016Hat man es dann unterwegs geschafft die veralteten Dunlop Qualifier Reifen warm zu fahren, kann die SV ihre vollen Qualitäten in Form von Handlichkeit ausspielen. Die schmalen Reifendimensionen, mit 120 mm vorne und 160 mm hinten, tragen, wie auch das kurze, kompakt geschneiderte Gitterrohrfahrwerk, erheblich zum zielgenauen, wenn auch etwas soften, Kurventanz bei. Zwar ist die 41er Telegabel, wie fast schon üblich in diesem Segment, nicht und das Federbein nur in der Federvorspannung einstellbar, der Gesamteindruck aber passt. Der niedrige Schwerpunkt des Motors beruhigt das Ganze beim Tanz durch die Kurven zudem. Lediglich bei wirklich schnellerer Gangart über schlechte Fahrbahnoberflächen und in flott gefahrenen Kurven kommt eine leichte, unbedenkliche Unruhe ins System.

Suzuki SV650 2016 gestripptMit dem groovigen Bollern des V2 Aggregates unter einem gleitet es sich einfach vortrefflich durch die frühlingshafte Landschaft. Viel zu schalten hat man bei dieser Art des Fahrens nicht, da trotz der „Größe“ des Motors immer genügend Druck zur Verfügung steht. Bei Bedarf und Suzuki typisch ist aber auch das kein Problem, da sich das Sechsganggetriebe flott und geschmeidig durchsteppen lässt. Ebenso unauffällig wie sauber arbeitet die ABS unterstützte Bremse. Sollte man das ABS wirklich einmal benötigen hält dies keinerlei Überraschungen für den Zeitreisenden … ähhh Fahrer bereit, es funktioniert einfach.

Motorrad fahren pur also? Ja, in der Tat könnte man es so beschreiben, denn eine einfacher gestrickte Maschine kann man mit einem Einstiegspreis von knapp 6400 Euro plus Nebenkosten nicht bekommen.

Suzuki SV650 2016 MotorDer Besitzer fährt damit nicht im Windschatten von Yamahas MT07 und auch nicht in dem der ER6n von Kawasaki, sondern auf einer Augenhöhe. Hinzu kommt, dass die beiden genannten Mitbewerber eben keinen echten V2 bieten, sondern in Reihe tanzen. Und auch was die individuelle Coolness angeht, lässt sich Suzuki nicht lumpen. Diverse Anbauteile wie Windschilder, Bugspoiler, seitliche Startnummerntafeln und abgesteppte Sitzbänke wurden auf den Messen im Lande schon vorgestellt. Auch eine Art Caferacer Version wurde gezeigt. Mit Sicherheit wird auch der eine oder andere Zubehörhersteller, wie z.B. SW-Motech auf den SV-Zug aufspringen und den Markt mit schicken Teilen befüllen. Wie weit man das treiben möchte … lassen wir uns überraschen! Eine SV als reinen Caferacer, als Scrambler mit hohem Auspuff, stolligen, auf Speichenfelgen montierten Reifen als Japan-Kontrast zum Ducati Scrambler, alles ist mit diesem Krad möglich.

Ob die SV650 am Ende der Geschichte zu einer Zeitmaschine in die Zukunft für Suzuki wird, legen die Käufer fest. Zumindest steht sie beim Händler parat und wartet auf den Interessierten, echten V2 Freund auf eine Probefahrt.