aus Kradblatt 8/19, von Torsten Thimm

Das Samurai Prinzip … Suzukis neue Katana 1000

Suzuki Katana 1000 Modell 2019 Der typische Schriftzug prangt auf der Tankverkleidung und der polierten Seitenverkleidung, die die Sonnenstrahlen reflektiert. Eine echte Katana steht hier vor mir, eine, die wie früher schon, die Emotionen in Aufruhr versetzt. 

Lange, ja beinahe schon zu lange hat es gedauert, bis Suzuki seine Schwertschmiede in Hamamatsu erneut befeuert hat. Und ganz anders als der Großteil der am Markt befindlichen Hersteller, geht man mit seinem Retrokonzept nicht zurück in die Rolling Sixties oder wilden siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts, nein man setzt seinen Schwertstreich in den Achtzigern und erschafft das neu, was damals schon viele Menschen bewegt hat und Begehrlichkeiten weckte, die mut(h)ige Suzuki Katana. 

Heck - Suzuki Katana 1000 Modell 2019 Das ehemals in Deutschland vom Target Design Team um von Hans A. Muth entwickelte Bodykonzept auf Basis der GSX-Modelle überzeugte schon damals in erster Linie durch seine spektakuläre und rahmenfeste Halbschalenverkleidung. Diese war mit dem Tankverlauf verschmolzen und ergab in der Linie mit der flach auslaufenden Sitzbank das gestreckte und sehr lange Design der Maschine. Als Frontscheibe diente auch schon in der Vergangenheit, wie heute, nur ein kleines Windschild. Zum Ende der Baureihe gab es als besonderes Highlight sogar Versionen mit Klappscheinwerfern und hydraulisch betätigter Kupplung. 

Die berühmteste Variante war die 1100er, aber auch eine 650er, 500er, 400er und sogar 200er gab es über die Jahre zu kaufen. Das Ende kam dann Anfang der 2000er Jahre mit einer Final Edition von 200 Stück als Katana 1100, deren Motor in der Spitze bis zu 117 PS Leistung brachte, in Deutschland aber offiziell maximal 101 PS leistete.

Katana 2019: Doch wie sieht es heute, 19 Jahre später aus? Lohnt es sich für den Hersteller diesen Weg zu gehen? Denn was ist am Ende der Name Katana wirklich noch wert und wie packt man das System Suzuki Katana in der Neuzeit richtig an? Denn trotz des Stylings und des heutigen Kultstatus, eins war die alte Version für Suzuki tatsächlich nicht, ein wirklicher Verkaufsschlager. 

Front - Suzuki Katana 1000 Modell 2019 Um so schwerer ist es also, die feurigen Emotionen aus der Vergangenheit in Blech und Kunststoff zu verpacken und so anzurichten, dass das „HABEN WILL“ Gefühl für möglichst viele Kunden im jetzt und hier entsteht. Erschwert wird dies noch durch einen vermeintlich winzigen Tank mit gerade einmal 12 Litern Fassungsvermögen und dem leider zum Trend gewordenen Nummernschildträger am Heck, der weit unten am Rad zu finden ist und der Optik nicht gerade schmeichelt. Ein wenig mut(h)iger hätte man hier durchaus herangehen können. 

Doch erweist sich das alles am Ende als halb so wild, denn der Tank ist bei einem Verbrauch, je nach Fahrweise von 4,8–5,2 Litern ausreichend für 220–240 Kilometer Reichweite und für den Nummernschildhalter gibt es bereits jetzt einen passenden Ersatz im Zubehörhandel, der das Heck optisch angenehm entschärft. Vorteil des robusten, an der stabilen Schwinge angeschraubten Trägers, ist dafür der Spritzschutz bei Schmuddelwetter. 

Somit kommen wir also zum Kernstück der Schmiedekunst, dem Motorrad an sich. Optisch auf den ersten Blick eine Katana, die mit viel Aufwand ins neue Jahrtausend katapultiert wurde. Erwachsen aus der nackten GSX1000 hat sie zudem viel Gutes vererbt bekommen, wozu man unter anderem den Motor, den Rahmen und auch das Fahrwerk zählen kann. 

Suzuki Katana 1000 Modell 2019 - links Ersterer bietet mit 150 PS und 108 Nm Drehmoment bei 9500 Umdrehungen in jeder Lebenslage ausreichend Vortrieb, welcher wiederum durch eine dreistufige und auf Wunsch auch ganz abschaltbare Traktionskontrolle, in brenzligen Situationen im Zaum gehalten wird. Vorne übernimmt eine voll einstellbare 43er KYB-Gabel, in Verbindung
mit radial verschraubten Brembozangen, die Führungsarbeit, 310er Scheiben und die Vierkolben-Monoblocks sprechen für sich. Das Federbein am Heck ist in der Federvorspannung 7-fach und in der Zugstufendämpfung stufenlos einstellbar. Die Kombination der Bauteile vermittelt Sicherheit und alles funktioniert schlicht und einfach gut. 

Aufgeräumte linke Lenkerarmatur - Suzuki Katana 1000 Modell 2019 Suzuki hat neben ABS und Traktionskontrolle, unter jeder Menge Abkürzungen noch weitere elektronische Features im Motorrad versteckt. Eine SCAS genannte Rutschkupplung mit Antihopping-Funktion, die aus der SV650 bekannte Anfahrhilfe (Low-RPM-Assist), eine easystart-Funktion, eine elektronische Wegfahrsperre (SAIS), Auspuffsteuerung (SET) usw. 

Lediglich verschiedene Fahrmodi gibt es nicht. So fährt man am besten wie früher mit einer sanften rechten Hand und pur am Gasgriff. Bei der (SDTV) Einspritzanlage wird von den doppelten Drosselklappen eine vom Gasgriff und die andere, anhand verschiedener Parameter, vom Steuergerät betätigt. Mir persönlich gefiel das sehr gut, ergibt sich doch mit der Zeit daraus eine ganz andere, ehrlichere Verbindung zum Motor und dem gesamten Rest der schön gemachten Maschine. 

Doch nun lange genug gewartet, kommen wir zur Frage aller Fragen: Wie fährt sich diese Kombination denn nun? 

Zugstufendämpfung hinten - Suzuki Katana 1000 Modell 2019 Nun, ich hatte das Glück sie eine Woche lang in den Bergen rund um den Glockner, Gerlos und Venediger fahren zu können. Bei unseren täglichen Touren, die im Schnitt um die 300–350 km lagen, war natürlich einmal nachtanken pro Tag vorprogrammiert. Bei den landschaftlichen Highlights war das aber eher kein Nachteil. 

Die Katana vermittelte selbst auf den engen Straßen, wie dem Staller Sattel, ein sicheres und tolles Fahrgefühl, sowie jede Menge Fahrspaß, und ließ sich trotz des dicken 190er Hinterradreifens mit leichtem Nachdruck am breiten und hohen Lenker um die engen Kehren zirkeln. Untermalt von einem stets präsenten, aggressiven Grummeln aus dem Underfloorauspuff und dem parallel dazu nicht minder bösen Röcheln aus der Airbox. Eine echte Suzuki wie sie leibt und lebt und man das aus der Vergangenheit kennt. Auch der zum Schwestermodell GSX-S 1000 geänderte Gasgriff ändert nur wenig an ihrer Aggressivität. Im Gegensatz zu anderen Maschinen dieser Kategorie beißt die Katana aus dem Stand richtig böse zu.

Cockpit - Suzuki Katana 1000 Modell 2019 Weniger böse war da erfreulicherweise der Sitzkomfort. Ein zwar kantiges aber eher bequemes Sitzkissen nimmt den Hintern des Fahrers und den des Beifahrers in Empfang und führte bei mir mit 170 cm zu einer wirklich angenehmen Sitzposition mit gutem Knieschluss. Auch der Kniewinkel mit den Fußrasten stimmt, was in Verbindung mit dem, weiter oben im Text schon erwähnten, breiten Lenker zu einem sehr guten, direkten Gefühl führt. Außerdem wird man weder vom digitalen Display vor einem noch von den ebenfalls einfach gehaltenen Schalterarmaturen in irgendeiner Art überfordert. Schön, dass es auch so einfach geht, obschon die Funktionen im Cockpit umfangreich sind. Uhrzeit, momentaner Verbrauch, Restreichweite, Trip A und B, Systemspannung, Motortemperatur, Gang­anzeige und die Traktionskontrolle sind neben den elementar wichtigen Anzeigen wie Tacho und Drehzahlmesser zu sehen. Das alles wird über eine Schaltwippe und einen Mode-Knopf an der linken Armatur bedient und ist innerhalb kürzester Zeit im Kopf gespeichert. Das ist klasse, denn so hat man mehr Zeit sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, das Fahren durch die nächste Kurve, vorbei am nächsten Wasserfall …

Suzuki Katana 1000 Modell 2019So einfach Suzuki es mit den Bedienelementen hält, geht es aber in Sachen Licht nicht weiter. Die Katana verfügt rundum über modernste Lichttechnik, denn alles was leuchtet und blinkt, besteht aus LED. Besonders sticht hierbei die schmale und hell erleuchtete Silhouette der Frontpartie und das dagegen sehr monumentale Heck mit zweifarbig gestalteter Sitzbank hervor. 

Über das Heck gab es schon viele Stimmen im Netz. Ich finde es gelungen, andere meinen es sei zu wulstig. Über Geschmack lässt sich ja bekanntlich vortrefflich streiten und deswegen lasse ich es am Ende einfach mal so im Raum stehen.
Was mir hingegen weniger gut gefiel, aber hier macht die Katana keine Ausnahme zum Markt, ist der ungeschützte Kühler und der nicht einstellbare Kupplungshebel. Nun, der Aftermarkt wird das mit entsprechenden Teilen regeln. Verschiedenes Katana-Zubehör gibt es auch direkt von Suzuki.

Fazit: Ein jeder Hersteller weiß, wie schwer es ist Vergangenes in die Zukunft zu transferieren, auch wenn der Markt dafür zurzeit sehr weit geöffnet ist. Manchmal reicht allein der alte Name schon aus, um Begehrlichkeiten zu wecken und das Produkt damit an den Kunden zu bringen. Bei der Katana hat Suzuki hier vieles richtig gemacht und platziert sie im schwer umkämpften 1000er Nakedbike-Markt. Ob sie dort bestehen wird, wird die Kundschaft zeigen. Eine Berechtigung da zu sein hat sie als Stil­ikone der 1980er Jahre auf jeden Fall und auch von der Schärfe ihrer Vorgängerin hat sie nichts verloren, sondern eher an Erfahrung gewonnen. Die Front ist sportlicher, ja im Grunde viel harmonischer und immer noch kantig, das Heck breiter aber ebenso markant wie der Gixxer Motor in seinem Klang und Vorwärtsdrang. Für 13.690 Euro, also rund 1300 Euro mehr als ihre Spenderin GSX-S 1000 ist sie zu haben und wer sie kauft, findet damit unter Umständen eine scharfe Klinge für jedwede Art von Straße, die auch auf der längeren Tour kaum Wünsche offen lässt.