aus bma 11/06

von Jens Möller

Suzuki GSX-R 750 (Mod. 2006) Ich muß schon sagen, daß ich mich besonders auf diesen Fahrbericht gefreut habe. Nicht, daß das die Objektivität beeinflussen würde, aber als glühender Verehrer von Sportmaschinen mit 600 ccm Hubraum schien die Suzuki GSX-R 750 mir wie die perfekte Symbiose aus Drehzahlgier und Drehmomentkraft. Dieses Bild kommt natürlich nicht von ungefähr. Vor mehr als 20 Jahren waren es die Mannen aus Hamamatsu, die mit der Alurahmen-bestückten ersten GSX-R 750 den sportlichen Motorradbau nach vorne trieben. Auch wenn die Motorkraft bei der ersten Gixxer dem Fahrwerk noch überlegen war, so war sie dennoch Grundstein einer langen Ahnenreihe, ohne die auch Konkurrenzmodelle wie Fireblade, R1 und ZX-9R nicht denkbar gewesen wären. Zur Krönung des Ganzen dominierte die 750er Klasse zudem lange Zeit den seriennahen Rennsport, der zwar nicht unbedingt von Suzuki geprägt wurde, dennoch als Superbikes vielbeachtet die zweitwichtigste Weltmeisterschaft im Motorradrennsport neben den Grand Prix darstellte.
Und heute? Nicht zuletzt auch wegen der Konkurrenz im eigenen Haus ist die GSX-R 750 ein bißchen in den Schatten ihrer übermächtigen Schwester GSX-R 1000 geraten. Die Superbikes vertrauen bei den Vierzylindern eh schon länger auf die Kraft aus dem vollen Liter Hubraum. Man muß es Suzuki daher hoch anrechnen, daß mit der GSX-R 750 das letzte japanische Superbike immer wieder aufgefrischt wird.

 

Suzuki GSX-R 750 (Mod. 2006)Und nun steht sie vor mir. Keine Hubraumgewalt aus 1000 ccm, mit der ich knapp über Standgas doch nie mehr als 80 PS nutzen würde, aber auch keine wild drehende 600er, die für die 80 PS immer im fünfstelligen Drehzahlbereich gehalten werden müsste.
Nachdem das Auge einmal um die vom Suzuki-Händler Bergmann & Söhne aus Tornesch zur Verfügung gestellte Maschine gewandert ist, kommt die erste Fühlprobe. Aufsitzen, Hebel kontrollieren, Dämpfung und Federbasis einstellen. Schon diese neuen Impressionen vom Popometer vermelden, daß die Neue gehörig kompakter geworden ist. Zumindest im Vergleich zur direkten Vorgängerin. Die Füße wollen nicht sofort auf den Rasten sitzen, also den Inbus gezückt, und sie der Testerlänge angepasst. Richtig gelesen, die Rasten lassen sich um 14 Millimeter nach unten oder hinten verstellen. Unten war schon einmal gut, weiter hinten könnten sie aber immer noch sitzen. Wobei das Thema Sitzen für ganz unterschiedliche Auffassungen unter den Testern sorgte. Dem Zwei-Meter-Lulatsch schmeckte die Sitzposition durchaus, während Kollege Rademaker mit dem Kniewinkel überhaupt nicht zurecht kam, und das bei unter 180 cm.
Doch genug eingestellt, Praxis heißt Fahren, also Schlüssel gedreht, Kupplung gezogen und dann aufs Knöpfchen gedrückt. Und egal wie man zu Vierzylindermotoren im Allgemeinen steht, was da aus dem kurzen Auspuffstummel unter der rechten Fußraste rausbrummelt, verdient das Prädikat Hörgenuß. Steigerbar durch pubertäres Spiel mit dem Gasgriff, völlig sinnfrei, aber einfach schön. Daß der kurze Stummel nur durch einen großen Blechkasten namens Vorschalldämpfer möglich wird, ist egal. Sieht man nur, wenn man sich neben das Motorrad legt. Also Schwamm drüber und drauf auf den Hobel, den Oberkörper nach vorne auf die 855 mm hohen Lenkerhälften gebeugt, die übrigens vier Zentimeter höher als das straffe Sitzpolster liegen und los. Kurven, ich komme.
Suzuki GSX-R 750 (Mod. 2006) CockpitSchnell sind die sechs Gänge dank leichtgängiger Kupplung und sicherer Rastung im Getriebe durchgesteppt. Bei landstraßenkonformen 100 km/h dreht sich die Kurbelwelle gerade 5000 Mal im Kreis. Interessanter ist da schon eher, daß dann bereits 50 PS an der Kette zerren, und sich die Drehmomentkurve gerade von einem kleinen Hänger erholt hat. Die Power reicht bereits bei dieser Drehzahl für lässiges Vorbeikommen an Blechkarossen, zur Not zupft man eben etwas mehr an den Drosselklappen. Wer den Motor der GSX-R auf diesem Niveau bewegt, wird sich besonders über den Verbrauch freuen. Mehr als fünf Liter sind bei dieser Fahrweise nicht zu vernichten. So reicht die 16,5 Liter Tankfüllung für mehr als 300 km. Gute 50 km vor der endgültigen Ebbe im Spritfass mahnt eine Kontrollleuchte im Cockpit den nächsten Boxenstop an.
Doch wer fährt schon so mit einem Sportmotorrad? Schnell zwei bis drei Gänge runtergeschaltet und die Drehzahlen des Viertelliters genießen. Besonders der Bereich ab 9500 U/min sei an dieser Stelle nachhaltig empfohlen. Leistungs-und Drehmomentkurve streben bei dieser Drehzahl noch einmal deutlich nach oben, der Motor drückt die Mensch-Maschine-Kombination nun mit geballter Vehemenz nach vorne. Dabei dreht der Motor bis 14700 U/min, mahnt durch den hellen Schaltblitz aber schon eher nach einer erneuten Betätigung der Schaltwalzen. Seine Höchstlesitung von 150 PS gibt er gute 1300 U/min vorher ab. Diese Leistung kommt nicht von ungefähr. Eine Verdichtung von 12,5:1, Titanventile und verringerte bewegte Massen lassen das explosive Feuer der Verbrennung in diese Sphären vordringen.
Daß diese Abstimmung im Zusammenhang mit der Euro-3-Homologation nicht immer ganz glücklich gelang, zeigt sich bei Lastwechseln. Rollt man mit geschlossenen oder nur wenig geöffneten Drosselklappen um eine Kurve, und gibt dann beim Rausbeschleunigen wieder Gas, kommt für den Hauch eines Wimpernschlages nichts. Das Fahrerhirn vermeldet sofort: Gas weiter öffnen, was zur Folge hat, daß man letztendlich mehr Gas gegeben hat, als man eigentlich wollte. Ständiges Korrigieren während der Kurvenfahrt folgt aus dieser Abstimmung. Das tritt zwar, wie gesagt, nur auf, wenn die Drosselklappen nur wenig geöffnet sind, nervt aber trotzdem. Abhilfe würde volles Hineinhalten in Kurven und gehörig Drehzahl am Scheitelpunkt bringen. Nur, wer ist so schon auf unbekanntem Terrain unterwegs?
Suzuki GSX-R 750 (Mod. 2006) Dabei meistert die Suzuki diese Aufgabe eigentlich perfekt. Ihr Fahrwerk ist für den Landstraßenritt ausreichend straff gedämpft, bietet satte Verstellmöglichkeiten, so daß jeder seine individuelle Abstimmung finden sollte, fährt zielgenau und mit ordentlichem Komfort auch über pockennarbigen Asphalt. Der Lenkungsdämpfer unterbindet auch bei starkem Beschleunigen mit deutlicher Vorderradentlastung jegliches Lenkerschlagen, und die Bremse vorne mit Radialpumpe, radial montierten Vierkolben-Festsätteln und 310 mm großen Scheiben verzögert transparent und sicher. Und wer vor der nächsten Kurve urgewaltig drei Gänge auf einmal runter schaltet, freut sich über die Anti-Hopping-Kupplung, die das nicht stempelnde Hinterrad sauber in der Spur hält. Zudem läßt sich die GSX-R dank der gemäßigten Hinterradbreite von 180 mm und dem geringen Gewicht von 193 kg voll getankt lässig von einer Ecke in die andere werfen. Trotz dieser Handlichkeit bietet die Suzuki auch über 200 km/h noch eine beeindruckende Stabilität, während der Fahrer den für Supersportler guten Windschutz hinter der Verkleidungsscheibe genießt. Erwähnenswert, zumindest für Sportmotorräder, ist die angemessene Rücksicht in den schicken Spiegelblinkern, wie auch das gut ablesbare, sogar mit einer Ganganzeige, ausgestattete Cockpit. Alles ist auf sportliches Wohlfühlen ausgelegt, mit Bedienelementen, die genau da anzutreffen sind, wo sie erwartet werden.
Und jetzt? Ist die Suzuki die, wie eingangs erwähnt, perfekte Symbiose aus Drehzahlgier und Drehmomentkraft? Als Antwort kann nur ein einfaches „JA” stehen. Der Motor drückt immer und überall mehr nach vorn als jede 600er, bietet ein ideales Leistungsfeuer mit ausgeprägten Renngenen, überfordert den Fahrer jedoch nie mit der urgewaltigen Leistung einer 1000er. Trotzdem verfügt er über genug Power, um auch mal mit niedrigen Drehzahlen durch die Gegend zu cruisen, ohne gleich zum Verkehrshindernis zu werden. Und genau diese Leistung läßt sich mit dem guten Fahrwerk und der ausgewogenen Motorabstimmung jederzeit sicher auf den Straßenbelag bringen. Was fehlt, ist die Emotion, die der Charakter der Suzuki GSX-R 750 ein wenig schuldig bleibt. Die Emotion, die sich 600er- und 1000er-Motorräder eben auch über ihre Motorauslegung holen. Wen das nicht stört, der findet in der 750er Gixxer das aufgrund seiner Ausgewogenheit wohl beste Sportmotorrad auf dem Markt, das auch beim Preis noch an Überzeugungskraft zulegt. 11290 Euro plus 130 Euro Nebenkosten kostet der dreiviertel Liter Sportlichkeit und positioniert sich damit deutlich unter der großen Schwester und nur wenig über der kleinen GSX-R 600. Manchmal muß eben der Perfektionismus aus Tradition zur Emotion führen. Bei dem Angebot sollte das leicht fallen.