aus bma 02/98

von Marcus Lacroix

Anfang Januar, ein Sturmtief nach dem anderen jagt Regenschauer über’s Land. Ich verbummel gerade meinen Resturlaub, als das Telefon klingelt. Einen Fahrbericht über die neue Suzuki GSX 750 soll ich verfassen. Na toll! Schietwetter und dann auch noch ein Motorrad, das mich nicht im geringsten faszinierte. Ich hatte die Suzuki-Werbung für die GSX in der Zeitung gesehen. Ein etwas pummelig wirkendes Naked Bike in langweiliger roter Lackierung, das markttechnisch wohl mühsam zwischen der Honda CB 750 und der Kawasaki Zephyr 750 plaziert werden soll. Das Einzige, was in meinen Augen für die Suzuki GSX 750 sprach, ist der Verkaufspreis von schlappen 11.590 DM. Andererseits stellte sich da natürlich die Frage, ob sie bei dem Preis überhaupt etwas taugen könnte. Ich denke, Ihr könnt Euch in etwa die Motivation vorstellen, die ich hatte, als ich beim Bremer Aprilia und Suzuki Vertragshändler Lohrig&Crone auf den Hof rollte, um die Suzuki zu übernehmen.
Die neue GSX 750 konnte ich zwischen den dort stehenden Motorrädern zunächst nicht erspähen. Sollte da eine Terminabsprache versagt haben? Doch siehe da, ich hatte sie glatt übersehen. Mit meiner negativen Grundeinstellung hatte ich automatisch nach einer häßlichen roten 750er gesucht, doch vor mir stand eine hübsche schwarze Maschine, die eher zierlich wirkte. Meine Stimmung stieg merklich, und irgendwie freute ich mich nun auch trotz des schlechten Wetters auf die Landstraßen im Bremer Umland. Wie sich noch herausstellte, sollte ich nicht enttäuscht werden.

 

Die Suzuki GSX 750 läßt sich trotz der 222 Kilogramm Lebendgewicht (sprich fahrfertig) gut rangieren. Der optisch ansprechende Arbeitsplatz des Fahrers bietet nichts ungewöhnliches. Schalter, Anzeigeinstrumente und Kontrolleuchten liegen gut in der Hand, bzw. im Blickfeld. Eine Tankanzeige und eine zusätzliche Warnleuchte, die bei Erreichen der Reserve aufleuchtet, ersetzen einen manuell zu bedienenden Benzinhahn. Die gut gepolsterte Sitzbank und die tourenmäßige Fahrerhaltung versprechen langanhaltenden Fahrspaß ohne schmerzende Gelenke. Lediglich der Sozius sollte nicht zu groß sein, denn dann wird der Kniewinkel zu eng.
Die Startprozedur verläuft unspektakulär. Der am Lenker montierte Chokehebel läßt sich fein dosieren und der Motor springt wie erwartet auf Knopfdruck an. Ungewöhnlich ist allerdings, daß man den Kupplungshebel dabei ziehen muß, egal ob ein Gang eingelegt ist oder nicht. Bei etwa vier Grad Lufttemperatur zieht sich die Warmlaufphase über mehrere Kilometer hin, bevor der Antrieb ohne Choke sauber Gas annimmt.
Der luft-/ölgekühlte Motor ist ein alter Bekannter. Mit anderem Hubraum und anderer Abstimmung treibt er nicht nur die GSX 750 sondern auch die 600er und 1200er Bandit an. Das Licht der Welt erblickte er jedoch in den 80er Jahren als Supersportler in der GSX-R. Vier fein gerippte Zylinder mit je vier Ventilen machen ihn zum Markenzeichen der GSX-Modelle. Die Modifikationen, die er in der GSX 750 über sich ergehen lassen mußte, kamen vor allem dem Durchzug und der Alltagstauglichkeit zugute. Gelohnt haben sich die Änderungen auf jeden Fall – die GSX fährt sich ausgesprochen gut. Ist der Motor erst einmal auf Betriebstemperatur, begeistert er mit Drehfreude und gutem Durchzug. Dabei entwickelt er keine unangenehmen Vibrationen und erschreckt den Fahrer auch nicht mit plötzlichen Leistungssprüngen. Ab ca. 2.000 U/min liefert er verwertbare Leistung, so daß eine Ortsdurchfahrt durchaus im letzten Gang erfolgen kann. Der Zenit der Leistungskurve ist bei 9.500 U/min erreicht. 86 PS stehen dem Fahrer dann zur Verfügung. Das maximale Drehmoment von 67 Nm liegt 1.000 U/min früher an.
Die Leistungsdaten lassen schon erahnen, daß es den Suzuki-Konstrukteuren bei der GSX 750 nicht darauf ankam, irgendwelche Spitzenleistungen zu erbringen. Die Maschine ist weder für den HighTech-Sportfreak entwickelt worden, noch für den Langstreckentourer. Trotzdem bietet sie für jeden etwas. Genußvolles leises Dahingleiten durch eine schöne Landschaft im sechsten Gang machen ebensolchen Spaß, wie Kurvenräubern im dritten oder vierten Gang. Die Soundkulisse, die Motor und Auspuff verbreiten, passen sich dem Einsatzzweck perfekt an und machen etwaige Nachrüstanlagen überflüssig. Rostfreier Stahl soll der 4in1 Anlage zur Langlebigkeit verhelfen.
Daß der Fahrspaß auf der Autobahn nicht sehr hoch ist, dürfte niemanden wundern. 130 km/h sind dank des recht schmalen Lenkers ohne Windschutz als Dauergeschwindigkeit erträglich. Darüber kann entweder eine Verkleidung, oder ein hoch beladener Tankrucksack helfen. Theoretisch rennt die GSX 750 über 200 km/h, doch praktisch habe ich mir das nicht angetan. Wozu auch, schließlich wurde sie nicht dafür gebaut. Ihr Revier ist die Landstraße. Wird sie dort zügig bewegt, verbrennt sie sechs Liter bleifreies Benzin auf 100 Kilometern. Rein rechnerisch würden die 18 Liter Tankinhalt also für 300 Kilometer reichen. Die Maschine eignet sich sowohl für Wiedereinsteiger, als auch für geübte Motorradfahrer. Erstere werden sich vor allem über die leichte Beherrschbarkeit des Motorrades freuen. Die GSX verhält sich in allen Lebenslagen gutmütig. Der Wendekreis ist angenehm klein und die Schräglagenfreiheit reicht selbst bei forscher Gangart allemal. Darüber freuen sich dann auch die routinierten Fahrer. Das Fahrwerk der Maschine ist sehr handlich und spurstabil. Kein Rühren oder Pendeln, selbst bei zügiger Kurvenfahrt, trübt den guten Eindruck. Die Einstellmöglichkeiten halten sich dafür in Grenzen. Die Telegabel ist nur durch die Wahl des Gabelöls bzw. den Ölstand zu justieren, und die zwei wichtig aussehenden Showa-Federbeine im Heck lassen sich lediglich in der Federvorspannung verändern (is‘ eben nur Show, wa?!). Da die Abstimmung des Fahrwerks gut gelungen ist, kann man die fehlenden Möglichkeiten jedoch gut verschmerzen. Schließlich ist der Preis der Suzuki heiß, und da mußte der Rotstift irgendwo kreisen. Dafür kommt die Kupplung mit geringer Handkraft aus, und das leicht zu schaltende Getriebe wartet mit kurzen Schaltwegen auf.
Anfänger sind auch mit der Bremsanlage auf der sicheren Seite. Die Gefahr, in einer Schrecksekunde die Maschine zu überbremsen, ist sehr gering. Das soll nicht heißen, daß die Doppelscheibenbremse im Vorderrad schlapp wäre. Lediglich der Kraftaufwand bei starken Bremsungen fällt recht hoch aus. Man bekommt die GSX immer sicher zum Stehen, doch der Routinier wünscht sich einen exakteren Druckpunkt und geringere Handkräfte. Befriedigung verschafft hier möglicherweise der Einsatz einer Stahlflexbremsleitung. Die hintere Scheibenbremse gefällt hingegen durch Unauffälligkeit. Sie verrichtet ihre Arbeit zuverlässig.
Alle Fahrleistungen werden von der Serienbereifung (120/70 vorne und 170/60 hinten) anstandslos auf die Straße übertragen. Das Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage fällt gering aus. Glücklicherweise hat Suzuki hier keine extrabreite Showbereifung verwendet.
Auch bei der übrigen Ausstattung haben die Japaner ganze Arbeit geleistet. Der Handbremshebel ist einstellbar, der Haltegriff am Heck solide, Gepäckhaken erleichtern die Unterbringung einer Gepäckrolle, die Spiegel bieten gute Rücksicht, unter der Sitzbank befindet sich ein geräumiges Staufach, der Scheinwerfer sorgt Nachts für eine gute Ausleuchtung der Straße und sogar einen leicht zu bedienenden Hauptständer gibt es. Mit einer kleinen Verkleidung, die es bestimmt bald im Zubehörhandel gibt, bekommt die GSX für den Einen dann einen sportlichen Touch, mit einem Koffersatz wird sie für den Anderen zum idealen Reisebegleiter. Aber nur wenn man will.
Da fragt man sich natürlich, wo Suzuki bei der GSX 750 denn nun gespart hat. Mit Ausnahme der Bremsanlage gibt es eigentlich kaum etwas, was mir zum Glück gefehlt hätte. Außer vielleicht einen besseren Kettenschutz, denn das Teil ist Müll, und einen einstellbaren Kupplungshebel. Über die Qualität der Maschine kann man nach so kurzer Zeit natürlich noch nicht viel sagen, doch zumindest fand sich nach mehreren Tagen im Freien noch kein Rost an ihr, was bekanntermaßen ja nicht immer so war.
Wieder einmal hat sich gezeigt, daß der Eindruck, den man durch bedrucktes Papier bekommt, täuschen kann. Die Suzuki GSX 750 ist ein tolles Motorrad, das viel Fahrspaß für wenig Geld bietet. Wenn man sie probegefahren hat, stellt man sich unweigerlich die Frage, ob die 20.000 DM und mehr,die man sonst in seine Motorräder investiert hat, wirklich nötig waren.