aus bma 3/99

von Ralf Tausche

Der Winter geht, der Sommer kommt. Der Garagenstellplatz war seit längerer Zeit verwaist und das Lesen einschlägiger Motorradzeitschriften konnte auch nicht mehr befriedigen. Fazit:Ein neues Bike mußte her! Neu, nagelneu? Barzahlung vertrug mein Geldbeutel nicht, mit „Abzahlung und Brief auf der Bank” konnte ich mich nicht anfreunden – trotz verlockender Zinssätze! – und Leasing ist auch nicht viel billiger. Also hieß es, Ersparnisse zusammenkratzen. Viel konnte ich nicht „kratzen” – immerhin 4000 DM, damit mußte sich nun was anfangen lassen. Jetzt hieß es überlegen: was will ich haben? Siebenhundertfünfzig Kubik und mindestens 80 PS. Das erste Objekt war eine 84er Kawasaki GPZ 750, 87 PS. Ergebnis der Probefahrt: Motor leckte, Fahrwerk eierte, Reifen waren abgewetzt, der Kettensatz am Ende und andere Kleinigkeiten. Gerechtigkeitshalber muß man an dieser Stelle sagen, daß man bei einem so alten Bock gewisse Abstriche machen muß. Weitersuchen hieß es jetzt. Die nächsten Probanden hießen CB 750 F2, CB 900 Bol d ‚Or, GSX 1100 E, GPZ 1100. Ein Lichtblick in Orginaltreue und technischem Zustand war die CB 750 F2, 78er Baujahr, 67 PS konnten dann aber doch nicht überzeugen. Die anderen Maschinen waren wieder offene Groschengräber: für 3500 DM kaufen, anschließend 2000 DM und mehr reinstecken macht rechnerisch keinen Sinn wenn man für etwas mehr Geld schon ein Motorrad aus den frühen 90er Jahren bekommen kann. Ich kann an dieser Stelle nur warnen, wenn der Geldbeutel klein, das Bike aber groß sein soll, genau nachzuprüfen, was investiert werden muß. Ist das Rasseln im Motor von heute vielleicht der kapitale Motorschaden von morgen, hält der Kettensatz und der Reifen wirklich noch eine Saison? Im Zweifelsfall Finger weg, man (frau auch) kann sich verdammt schnell verkalkulieren. Resigniert blätterte ich nochmals die Anzeigen durch, in der Hoffnung, eine interressante Annonce übersehen zu haben, und tatsächlich: Suzuki GSX 1100 F, 58 tkm gelaufen – verdammt viel, dachte ich zu diesem Zeitpunkt, aber angucken wollte ich sie mir doch, zumal sie mit einer Erstzulassung 3/89 nicht zu alt war.Und dann stand sie vor mir im Design der späten 80er Jahre mit akzeptablen 150er Reifen, strammen 127 PS und einem Leergewicht von 266 kg. Eigentlich wollte ich ja nur eine 750er haben, aber wie das eben so kommt im Leben!

 

Zu einer Probefahrt mußte ich mich nicht lange überreden lassen.Anfängliche Skepsis über die hohe Kilometerleistung wichen einem Fahrgefühl, das dem einer neuen Maschine sehr nahe kam. Beim Testen ließ ich mir dann auch richtig Zeit,wollte ich doch jeden Mangel entdecken. Doch außer einer korrodierten Auspuffanlage und einem verschlissenen Hinterreifen war nichts zu finden. Die soll es sein, dachte ich noch auf der Fahrt. Ich einigte mich mit dem Besitzer auf 5000 DM inklusive neuem Hinterreifen. Die fehlenden 1000 DM ließen sich auch noch auftreiben. Zwei Tage später stand sie dann vor meiner Tür, obwohl, sie stand nicht viel. Das Wochenende war nah und jetzt hieß es fahren, bis der Arzt kommt. Wer kennt nicht das Gefühl: nach langer Tour zu Hause angekommen, könnte man vor Freude gleich wieder aufbrechen, man kommt einfach nicht aus dem Sattel.
Nach 5000 problemlosen Kilometern verlangte die Auspuffanlage dann doch nach Erneuerung, eine Gebrauchte ließ sich schnell und preiswert auftreiben. Beim Ventile einstellen entdeckte ich zwei eingelaufene Nockenwellen,von einer Erneuerung sah ich erstmal ab, da der Motor trotz dieses Mankos sehr gut lief. Im Laufe der Kilometer tauschte ich Kettensatz, Schwingenlager, Bremslichtschalter, Kerzenstecker und mal wieder einen Hinterreifen aus – keine schwerwiegenden Sachen.
Ein Jahr später montierte ich einen Superbikelenkersatz von Peschls – echt bequem – und verlängerte die Endübersetzung, was das Drehzahlniveau auf langen Strecken angenehm senkt. Eine Reise zum Bodensee verlief ohne Störung und ohne meßbarem Ölverbrauch, und das bei jetzt 70.000 km auf dem Tacho! Der Spritkonsum lag vollbeladen bei akzeptablen 6,5 Litern, mein Begleiter auf einer 450er BMW brauchte genausoviel Benzin!
Seit dem Kauf sind über zwei Jahre ins Land gegangen, und der Tacho nähert sich der 90.000er-Marke. Schwerwiegene Probleme blieben fern. Der durchzugsstarke Motor (gut, daß er in der GSF 1200 weiterleben darf) kann trotz eingelaufener Nockenwellen immer noch überzeugen, das Getriebe schaltet sich wie am ersten Tag und auch der Rest vom Hobel funktioniert einwandfrei. Und wenn mal etwas kaputt geht, stört mich das eigentlich wenig, denn das anschließende Reparieren in der Garage (draußen gießt es vielleicht in Strömen und auf der Werkzeugkiste steht ein kühles Beck’s) ist Balsam für meine Motorradfahrerseele.
Ein Schlüsselerlebnis hatte ich vor einiger Zeit: Ein GSX 750 R-Fahrer schaute auf meinen Tacho, las die Kilometerleistung und meinte, mein Motorrad sei ja Schrott.Als wir anschließend auf der Autobahn fuhren, und ich bei Tacho 260 km/h immer noch nicht aus seinem Rückspiegel verschwunden war, revidierte er auf dem nächsten Rastplatz seine Meinung, und wir rauchten noch eine schöne „Camel ohne”.