Suzuki GSX 1100F SchrauberlustDie Suzuki GSX 1100 F ist als 89er Baujahr schon fast ein Oldtimer, macht aber nicht nur durch den tollen Motor viel Spaß. Ralf hat sich eine an Land gezogen …

aus Kradblatt 01/17
von Ralf Tausche

Suzuki GSX 1100 F

Suzuki GSX 1100F SchrauberlustIch sitze gerade im Auto, an die Anhängerkupplung ist ein gebremster Motorradanhänger gekoppelt und es sind noch einige Kilometer zu fahren bis Zirndorf zum Streetfightershop, wo das Motorrad steht, welches ich bis dato nur per Foto in Augenschein nehmen konnte und faktisch per Telefon gekauft habe.

Solche Aktionen gehen schon mal in die Hose bei den Möglichkeiten zur Schönfärberei, die das Internet bietet, wenn jemand etwas verkaufen will. Aber die Intuition, dass schon alles gut werden wird und so lautete der Anzeigentext auf einer Internetplattform für gebrauchte Fahrzeuge wie folgt: „Fahrzeug aus 1. Hand in sehr gutem Zustand mit erst 20.000 km, fast Sammlerzustand. Leider steht sie schon etwas und der Vergaser müsste gereinigt werden, springt nur mit Startpilot an (…)“ Eine Suzuki GSX 1100 F von Baujahr 1989, somit ein Model der früheren Baujahre.

Suzuki GSX 1100F zerlegtEnde 1987 wurde die völlig neu konstruierte, 14.399 DM teure Suzuki GSX 1100 F auf dem Motorradmarkt vorgestellt und löste die GSX 1100 EF ab. Der Motor basierte auf dem, ihrer schon 1986 erschienenen, sportlichen Schwester GSX/R 1100 die in der ungedrosselten Version zu Beginn gut 130 PS stark war, hatte aber mit 1127 zu 1052 Kubikzentimetern, mehr Hubraum. Zum Modelljahr ’88 übernahm die GSX/R dieses Hubraumverhältnis. Ihre Konkurrentinnen im Wettbewerb hießen K 100 RT (17.650 DM) von BMW, FJ 1200 (14.300 DM) von Yamaha, GPZ 1000 RX (14.790 DM) von Kawasaki, die später durch die ZZR 1100 ersetzt wurde und VFR 1000 F (13.658 DM) von Honda, welche aber schon bald von CBR 1000 F (13.770 DM) abgelöst wurde.
In diversen zeitgenössischen Vergleichstests brillierte die GSX 1100 F stets mit ihrem durchzugsstarken Motor und für die Gewichtsklasse über 270 Kilo, sehr handlichem Fahrwerk, was wohl den eigentlich schon damals wieder aus der Mode gekommenen 16 Zoll großen Rädern, geschuldet ist. Unter anderem brachte sie als Gimmick noch eine Verkleidungsscheibe mit, die der Fahrer bequem und per Knopfdruck in der Höhe verstellen konnte.

Suzuki GSX 1100F linksDoch das Debüt gestaltete sich etwas unglücklich, da diverse Fahrzeugtests Fahrwerksschwächen im Höchstgeschwindigkeitsbereich aufdeckten. Der Ruf war erst mal beschädigt. Der Hersteller rief bereits ausgelieferte Maschinen zurück und spendierte diesen andere Fahrwerkskomponenten. Zum Modelljahr 1988 wurde die GSX 1100 F überarbeitet, so wurde der Lenkkopfwinkel geändert, die Hinterradschwinge verlängert, das Fahrwerk überarbeitet und der Rahmen erhielt zusätzliche Verstrebungen zur Stabilisierung, letztere Maßnahme behielt man aber den in die USA exportierten Modellen, wo sie schlicht, doch recht bedeutungsschwanger Katana hieß, vor. Dafür konnten sich die Besitzer, einer für den kalifornischen Markt ausgelieferten GSX, über einen elektrischen Kühlerlüfter freuen, der vor dem riesigen Ölkühler verbaut ist. Offiziell wurde sie in Deutschland nur mit 100 bzw. 98 PS angeboten. Offen soll sie laut Hersteller 135 PS haben, was ihr eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 241 km/h ermöglicht.

Suzuki GSX 1100F Front„Sie haben ihr Ziel erreicht“ tönt es aus dem Navi endlich. Streetfightershop Zirndorf, ich schaue mich auf dem Hof um und entdecke den vermeintlichen Inhaber, wie er mit seiner Partnerin relaxed auf Liegestühlen, in der Sonne bratend, den zahlreichen Tattoos den saisonalen Braunton gibt. „A, bischt der ausm Norden, der die Gixxe kaufen wollt?“ ertönt es vom Liegestuhl „Jo, der bin ich. Wo steht die Mühle?“ entgegne ich. „Komma mit“ kommt es vom Shopbesitzer. Wir betreten die „Geschäftsträume“, die eine Mischung aus Werkstatt, Szenekneipe mit Livemusik und Verkaufsraum ergeben und schieben die GSX ans Tageslicht. Der Zustand ist O.K. und akzeptabel, der Herstellungscode des Vorderreifens aus dem Jahre 1989 passt zum Kilometerstand, hier und da ein Schrämmchen aber keinerlei Risse in der Verkleidung, keine Beule im Tank, passt. Rauf auf den Hänger mit dem Ding.

Suzuki GSX 1100F HeckVon 1987 bis 1996 befand sich die GSX 1100 F im Modellkatalog von Suzuki in Deutschland. Bis auf die bereits erwähnten Modifikationen, fand faktisch keine nennenswerte Modellpflege oder Weiterentwicklung statt. Lediglich das Design der Spiegel änderte sich dreimal, abgesehen von den je nach Modelljahr angebotenen Farbdesigns. Ihr Herzstück, der Motor, schaffte es zur Spielzeitverlängerung in die ersten zwei Generationen der Bandit GSF 1200 und der weniger bekannten GSX 1200 Inazuma, wo das Hubraumverhältnis auf 1157 cm3 anwuchs. Bei der sportlichen Schwester GSX/R 1100 schickte man den Motor bereits zum Modelljahr 1993 in Rente und stieg auf Wasserkühlung um, da dem Luft/Öl gekühlten Konzept, entliehen aus einem amerikanischen Kampfflugzeug aus dem 2. Weltkrieg, aus thermischen Gründen langfristig keine Spitzenleistungen zu entlocken sind.

Suzuki GSX 1100F Cockpit21:30 Uhr, endlich zuhause angekommen. Mein freundlicher Nachbar hilft mir den „Brocken“ abzuladen. In die Garage geschoben, ein gut gekühltes Bier geöffnet, nehme ich meinen Neuerwerb in Augenschein. Kettensatz am Ende, Gabelsimmerringe undicht, Reifen vorne überaltert, hinten verschlissen, alle Bremsbeläge abgenutzt, die praktische Cockpituhr ohne Funktion, Motor der elektrischen Windschutzscheibe ächzt und schafft es nicht die selbige zu bewegen, Starterbatterie auch im Eimer, mal abgesehen vom letzten Ölwechsel, der wahrscheinlich mit dem letzten Wechsel der Bundesregierung zwischen CDU und SPD einherging. Es steht also einiges auf der To-do-Liste und so wird der genommene Urlaub für’s Schrauben eingeteilt.

Große Neugierde, nachdem die Suzuki völlig gestrippt in der Garage steht folgt als letztes die Demontage der Auspuffanlage. Hier befinden sich für die auf 74 und 72 kW gedrosselten Varianten in den Auslasskrümmern verbauten Blenden, die den Querschnitt und somit den Durchlass der Auspuffgase verringern. Jupp, Blenden hat der Vorbesitzer schon entfernt.

Der Blick schweift zur noch unzerlegten, sich auf der Werkbank befindlichen Vergaserbatterie. Wenn der Vorbesitzer alles richtig gemacht hat, wird er auch den Vergaser auf das Entfernen der Drossel angepasst haben. Hierzu muss an der Unterseite der Gasschieber, neben der Düsennadel eine schon vorhandene Bohrung auf 1,5 mm vergrößert werden und eine zusätzliche gesetzt werden. Dies passt den Vergaser auf die geänderten Strömungsverhältnisse im Abgasstrang an und ermöglicht ein schnelleres Ansprechen des selbigen.
„Ach du heilige Sch…“ Die Bohrungen sind gesetzt aber mit gut 2,5 mm viel zu groß. Bei der Probefahrt wird sich wohl herausstellen, dass dies zu viel des Guten ist.

Reifen, Reifen, Reifen. Viel gibt es für die GSX 1100 F nicht zur Auswahl, da Reifen im 16 Zoll Format alles andere als eine gängige Größe darstellen. 1. Wahl, meiner Meinung nach, ist der Roadrider von Avon, der mit gemessenen 158 mm als 150/80 VB 16 Reifen, hinten recht breit ausfällt. Der Reifen vermittelt viel Grip auch bei kälteren Temperaturen und fährt sich recht neutral. Er ist generell für die deutsche Variante der GSX, GV72C, per Unbedenklichkeitsbescheinigung freigeben. Fährt man eine GV72B oder eine andere Variante, konnte mir persönlich schon die Firma COOPER TIRES mit notwendiger Bescheinigung weiterhelfen, dort arbeitet der nette Herr Rost.

Geeeeschaft, alle Ersatzteile verbaut und die Uhr zeigt nach Jahren der Pause auch wieder an. Ab zum TÜV. Vorher an Suzuki Deutschland eine E-Mail mit Fahrgestellnummer geschrieben, schon bekommt man am selben Tag ein entsprechendes Datenblatt, um die Entdrosselung des Motors zu legalisieren.

Alles Plaketti, der Kfz-Sachverständige ist zufrieden, ich bekomme die Bescheinigung für die bestandene Hauptuntersuchung. Nächste Anlaufstelle, Zulassungsstelle. Im letzten Akt das Nummernschild rangeschraubt, Probefahrt.

Auweia, die Befürchtung, dass die Bohrungen in den Gasschiebern zu groß sind, bestätigt sich nun. Das Ansprechverhalten der Vergaser ist nervös bis nervig. Das heißt, man fährt zum Beispiel 140 km/h auf der Autobahn und immer „zuckt“ der Motor, da man die Gashand gar nicht so ruhig halten kann, wie es erforderlich wäre. Glücklicherweise habe ich noch gebrauchte Gasschieber rumliegen, die auch sofort verbaut werden.
Mittlerweile stehen nun einige tausend Kilometer mehr auf dem Tacho, zum Schrauben gibt es nichts mehr, außer den anstehenden Wartungsarbeiten. Hm, Gabel ist etwas weich vielleicht anderes Dämpferöl versuchen oder mal andere Federn einbauen …??

Fazit: Die GSX 1100 F ist ein Big Bike alter Schule, entstammt einer Zeit, in der die Fahrwerke solcher Motorräder besser konstruiert worden und somit in Konstellation mit den leistungsstarken Motoren (Frankensteins Tochter) beherrschbar wurden. Schwächen sind Vergasermembranen, die sich lösen, eine Lichtmaschine, die mit zu hoher Spannung lädt, aufgrund der mit den Jahren sich in den Kabelbaum einschleichenden Übergangswiderstände. Im Forum www.gsx1100f.de findet man Lösungen für diese und andere kleine Probleme. „Im Grunde genommen geht dieses Motorrad nicht kaputt, wird halt nur mal krank“ schreibt jemand aus dem Forum.

Man muss sich nicht zwangsläufig auf Weltreise begeben, um ein guterhaltenes Exemplar mit überschaubarem Kilometerstand zu finden. Letztens stand ein ’96er Modell mit gerade mal 15.000 km für 1500 Euro ganz in der Nähe meines Wohnortes. Suzuki hat den Markt der Sporttourer in den 1990er Jahren nie so beherzt bedient, wie es die anderen Hersteller taten, ging aber mit der Bandit 1200 früh einen eigenen, anderen Weg. Für die GSX 1100 F war die Spielzeit, wie schon erwähnt, 1996 vorbei. Die CBR 1000 F wurde noch in den 2000er Jahren angeboten, die ZZR 1100 von Kawasaki steigerte sich zur ZZR 1200 und hat somit bis zum Jahre 2005 die längste Laufzeit. Ob die derzeit von Suzuki, auf Basis der Bandit, angebotene GSX 1250 FA das geistige Erbe der 1100er angetreten hat, darf bezweifelt werden. Die GSX 1100 F steht in der Modellhistory von Suzuki für sich alleine. Wie auch immer, sie macht auch heutzutage immer noch viel Spaß, und vier Exemplare habe ich seit 1996 besessen. Wie die Zeit doch vergeht?!