bma 1994

von Marcus Lacroix

(Der Artikel stammt noch aus einer Zeit, aus der wir keine digitalen Daten mehr haben. Wir haben den Artikel auf Wunsch unseres Lesers Jan-Erik M. aus dem Archiv ausgegraben).

Wieder einmal saß ich in meinem schummrig beleuchteten Büro, die Leuchtreklame vor dem schmutzigem Fenster flackerte träge, meinen letzten Auftrag hatte ich gerade abgeschlossen und ich versuchte bei  einem lauwarmen Wiskey  und einer Kamel Light (das Leben ist schon hart genug) etwas Ruhe zu finden. Da meldete sich plötzlich das Faxgerät  und ein neuer Auftrag flatterte mir ins Haus. Wieder einmal sollte ich mich mit dem Steckbrief in der Hand auf die Suche nach einer Kleinkriminellen machen, die wegen Betrugs gesucht wurde.

 

Suzuki GSF 400 ist ihr  bürgerlicher Name. In  der Szene kennt man sie allerdings eher als Bandit. Als alter Fuchs wußte ich natürlich sofort  wo ich sie zu  suchen hatte und so stand ich wenig später auf dem Hof des Suzuki Dealers Lohrig und Crone in Bremen. Anhand des Steckbriefes konnte ich sie schnell identifizieren: Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor mit 398 ccm Hubraum und 16 Ventilen; Edelstahlauspuffanlage, Gitterrohrrahmen, Doppelscheibenbremse vorne, Einscheibenbremse hinten, Dreispeichen-Gußfelgen, O.Ringkette zum Hinterrad, 41er Telegabel vorne, Zentralfederbein mit lackierter Kastenschwinge hinten und, besonders auffällig, eine nicht serienmäßige Einzelsitzbank. Es gabt kein Vertun, ich hatte sie gefunden. Das die Kleine bildhübsch ist, davon stand allerdings nichts in dem Fax und so versuchte sie mich auch gleich  zu betören als ich sie dingfest machte.  Ehe ich mich versah saß ich auch schon auf der Bandit und vergaß den Alltag. Schon das stille Betrachten der Maschine befriedigte meine Seele. Offen zur Schau gestellte Technik von fließenden Formen umgeben. Ja, ich gebe es zu, ihr Anblick verzauberte mich. Und während ich so träumte rollt sie sanft mit mir vom Hof.
Leichtgängig und exakt ließen sich die sechs Gänge hochschalten und mit  niedrigen Drehzahlen glitt ich  leise aus der Stadt . Kaum hatten wir die Landstraße erreicht, wurde aus der ruhig brummenden Biene eine angriffslustige Hornisse. Vorbei war es mit der Ruhe und der Beschaulichkeit. Der Schalthebel flitzte hinunter in den dritten Gang, der Gasgriff ging auf Anschlag und die Drehzahlmessernadel raste der  12tausender Markierung entgegen. Erschrocken über diesen plötzlichen Charakterwechsel stoppte ich mit sanfter Gewalt ihren Vorwärtsdrang und zwang ihr meine geruhsame Gangart auf. Nun spielte sie zwar mein Spiel, aber ich spürte das es ihr nicht gefiel.  Das gabt sie mir  alsbald auch offen zu Verstehen, denn  sobald ich auch nur ein wenig mehr Leistung von ihr verlangte, stellt sie sich stur. Natürlich ging es auch im letzten Gang vorwärts, aber Überholmanöver wurden dabei zur Mutprobe. Es  schien fast so als wollte sie mir sagen: ?Entweder machen wir es auf meine Art, oder gar nicht!“. Das ging mir natürlich gegen den Strich, denn wo kommen wir denn da hin, wenn jede(r) macht was sie will. Da ich allerdings keine Lust hatte sie auf einem Anhänger dem Gericht zu überstellen, ließ ich die Zügel etwas lockerer.
Augenblicklich  schaltete sie zwei bis drei Gänge herunter und brachte   ihre 50 Pferdchen auf Drehzahlen jenseits der  9500 U/min. Die Lebensäußerungen, mit denen sie ihre wohlgeformten 190 kg beschleunigte,  erinnerten mich stark an die Formel eins. Schwer  vorstellbar, daß sich das noch im legalen Rahmen abspielte! Dafür gab sie mir einen Einblick in ihre Art zu leben. Der Motor jubelte ständig in fünfstelligen Drehzahlregionen und die Tachonadel bewegte sich auf der Landstraße stetig um höchst illegale 120 km/h. Das sie sich dabei unablässig auf der Jagd nach Kurven befand, konnte ich kaum verstehen, denn ich fühlte mich auf ihrem Rücken nicht sonderlich sicher. Sie schaffte es einfach nicht in den Kurven eine saubere Linie beizubehalten. Ich vermutete natürlich sofort das es an ihren Reifen lag, sie meinte dagegen  ich solle mich ihr mehr öffnen und mich nicht gegen sie sträuben. Soweit ließ ich es allerdings nicht kommen. Schließlich bewegten wir uns so schon jenseits der Gesetze. Glücklicherweise arbeitete ihre Bremsanlage sehr zu meiner Zufriedenheit, so das ich sie in gefährlichen Situationen jederzeit leicht unter meine Kontrolle bringen konnte.
Nachdem sie sich ordentlich ausgetobt hatte, verlangte sie nach neuem Brennstoff, den ich ihr in ihren formschönen 16 Liter   Stahlblechtank füllen durfte. Ihr Durchschnittsverbrauch lag dabei sogar unter sechs Litern, was ich nach  dieser Drehzahlorgie wirklich nicht erwartet hatte. Mit ihrem eigenen zentralen Zünd/Lenkschloß hinderte ich  sie erstmal daran sich heimlich aus dem Staub zu machen, bevor auch ich mir etwas Brennstoff einverleibte (einen Pig-Mac für`s Magengeschwür). Dabei konnte ich beobachten, wie sie immer wieder Passanten in ihren Bann zog. Sie versuchte es auch bei ihnen auf die liebe Tour, mit der sie ja auch mich zuerst eingewickelt hatte. Während  ich  sie so beobachtete fällte ich mein eigenes Urteil  über  die GSF 400 Bandit.  Die Kleine gehört sicherlich zu den schönsten käuflich zu erwerbenden Dingen. Für  den Einsatz auf der Straße, speziell in unserem kurvenarmen Norden, halte ich sie jedoch für ungeeignet. Die Tatsache das die Maschine häufig auch als Einstiegsdroge an Anfänger verkauft wird ist da schon fast kriminell.
Die GSF, bzw. ihr Motor, erfordert ein hohes Maß an Konzentration und Erfahrung. Natürlich kann man mit der Bandit auch bummeln, der Frust ist dabei aber oft größer als die Lust. Einem charakterstarken Fahrer (oder Fahrerin), der sie zu nehmen weiß wie sie ist, bereitet sie dagegen bestimmt Freude. Mit Metzeler Reifen (ME1front + ME55A) soll sie sogar zum  wahren  Kurvenräuber werden. (Das trug mir ein Informant aus der Szene zu…). Betrug ist es sicherlich  nicht was sie betreibt, eher Vortäuschung falscher Tatsachen. Nun bin ich allerdings ja nicht der Richter, sondern höchstens sein Handlanger. Wie die Richter entscheiden werden, das weiß ich nicht.
Ich weiß allerdings das die Kaution auf etwa 10000 DM festgesetzt wurde und das die Kleine solange bei Lohrig und Crone in Bremen stehen muß bis sie jemand auslöst, oder bis ein Urteil gefällt wird.