aus bma 04/07

von Klaus Herder

Suzuki GSF 1250 Bandit (Mod. 2007) Bevor die selbst ernannten Gralshüter des gesammelten Oldtimerwissens auf die Barrikaden gehen, sei ihnen Folgendes verraten: Der Autor dieser Zeilen weiß sehr wohl, daß der Kosename „Wasserbüffel” eigentlich für die Suzuki GT 750 aus den 70er Jahren reserviert ist. Der Autor durfte den flüssigkeitsgekühlten Dreizylinder-Zweitakter seinerzeit selbst bewegen und hält ihn heute für einen der am meisten überschätzten Oldies überhaupt. Jede Yamaha RD 250 machte mehr Spaß.
Aber das tut hier eigentlich nichts zur Sache, hier geht es um die neue große Bandit. Aber es geht auch ganz wesentlich um Wasser, denn das zirkuliert nun dort, wo die große (Halb-) Nackte seit 1996 Feinripp getragen hat. Zwei größere Modellpflegeaktionen (2001 und 2006) änderten nichts daran, daß die 1200er vom auf 98 PS gedrosselten GSX-R-Motor der 80er Jahre in Wallung gebracht wurde. Und dieses herrliche Power-Paket war nun mal luft-/ölgekühlt und mit filigranen Kühlrippen bestückt. Die 1200er-Suzi spielte immer in der Top-Ten der Zulassungshitparade und fand allein in Deutschland über 40000 Käufer. Viel Druck, viel Platz, überschaubare Technik und nicht zuletzt ein Kampfpreis, der rund 1000 Euro unter der Konkurrenz lag, machten die Bandit zum Bestseller. Ein Edelbike sah anders aus, die 1200er bot derbe, ehrliche Hausmannskost. In ihrem zweiten Leben mutierte manch große Bandit zum Liebling der Streetfighter-Szene. Mehr Big Bike für weniger Geld gab es nirgendwo.

 

Und nun das: Es hat sich ausgerippt, denn ab sofort wird mit Wasser gekühlt. Vergasertechnik inklusive nerviger Choke-Fummelei beim Kaltstart? Vergiß es. Fortan wird eingespritzt und elektronisch geregelt. Und mit 1200 Kubik hat es auch ein Ende, die Neue heißt Bandit 1250: Fünf Millimeter mehr Hub (64 statt 59 mm) und eine mit 79 mm unveränderte Bohrung machten aus 1157 exakt 1255 Kubik. Der unverändert 98 PS starke Motor ist eine komplette Neukonstruktion. Der Viererpack fällt kompakter aus, aber es steckt mehr drin. Zum Beispiel eine Ausgleichswelle und ein nie wirklich vermißter, als ellenlang übersetzter Overdrive ausgelegter, sechster Gang. Die 1200er verkaufte sich bis zuletzt sehr gut, wozu dann eigentlich der ganze Aufwand? Euro 3 ist schuld. Die seit 2007 geltende Umweltnorm sorgt für verschärfte Bedingungen in Sachen Abgas- und Geräuschverhalten. Mit luftiger 80er-Jahre-Technik ließ sich das kaum mehr machen, ohne geregelten Dreiwege-Kat, der praktisch eine Einspritzanlage voraussetzt, geht heutzutage fast nichts mehr (von Übergangsfristen und Bestandsschutz einmal abgesehen).
Suzuki GSF 1250 Bandit (Mod. 2007) Doch was sesselpupende Euro-Bürokraten im stillen Kämmerlein auswürfeln, muß nicht immer zwangsläufig von Nachteil sein. Im Fall der Bandit war die Zwangs-Modellpflege ein ganz großer Schritt vorwärts. Das läßt bereits die Papierform vermuten. Wo die besagten 98 PS ursprünglich bei 8500 U/min anlagen, muß die 1250er 1000 Touren weniger drehen. Noch eindrucksvoller sind die Änderungen beim maximalen Drehmoment: 92 Nm bei 6500 U/min lauten die Werte für die 1200er. Die 1250er stemmt fette 108 Nm bei – bitte ganz genau lesen – sensationell niedrigen 3700 Touren. Das ist tiefster Drehzahlkeller und eine Region, in der ansonsten Geräte vom Schlage eines Harley-Bigtwins ihr Drehmoment auf die Kurbelwelle schaufeln. Der rote Bereich des 1200er-Drehzahlmessers beginnt bei 11000 Umdrehungen, die 1250er läßt es bereits bei 9500 U/min gut sein. Muß man noch sehr viel mehr zum Thema „Alltagstauglichkeit und Durchzugsvermögen” schreiben? Eben.
Das mag ja alles schön und gut sein, sagen die unverbesserlichen Feinripp-Fans, doch das stilbildende Bandit-Merkmal ist leider futsch. Jein, sagt der bma, denn wer sich den Motor etwas genauer anschaut, sieht spätestens auf dem zweiten Blick, daß sich die Suzuki-Techniker auch beim 1250er-Treibsatz sehr viel Design-Mühe gegeben haben. Wo beim Wettbewerber (zum Beispiel der technisch brillanten Honda CBF 1000) ein plumper Steuerketten-schacht die Seitenansicht versaut, bietet die neue Bandit eine symmetrische, durchaus ansehnliche Gestaltung des Zylinderbanketts. Die mittig untergebrachte Steuerkette macht es möglich und erlaubt ganz nebenbei eine elegante, ebenfalls symmetrische Führung der Krümmerrohre. Wo bei Konkurrenzmodellen häßliche Kühlmittelschläuche deutlich machen, daß ihr ursprünglicher Einsatzzweck im Verdeckten lag, bietet der Bandit-Motor eine erfreulich cleane Seitenansicht. Kurz gesagt: Ausgerechnet der vermeintliche Billigheimer Suzuki hat sich wohl am meisten Gedanken um ein ästhetisches Äußeres seines Big-Bike-Motors gemacht. Respekt!
Um’s Drumherum mußten sich die Suzuki-Verantwortlichen nur sehr begrenzt kümmern, die Bandit-Verpackung ist weitgehend auf dem Stand des 2006er-Modells. Das Rahmen-Layout blieb praktisch unverändert, einige um vier mm verstärkte Stahlrohre sind bereits die wichtigste Änderung. Der Tank faßt nun 19 statt 20 Liter, irgendwo mußte wohl Platz für die Einspritztechnik geschaffen werden. Vierfach verstellbare Handhebel, ein etwas biederes Cockpit mit einer durchaus übersichtlichen Kombination aus Analog- und Digitalinstrumenten inklusive einer nur sehr bedingt tauglichen Balken-Tankanzeige, sehr gut funktionierende Rückspiegel, einen serienmäßigen Hauptständer (nur leider kein Aufbock-Griff), einen in zwei Stufen um 20 mm verstellbaren Fahrersitz – alles wie gehabt.
Suzuki GSF 1250 Bandit (Mod. 2007) Und doch ist alles anders, denn der sehr bequem untergebrachte Fahrer muß nicht mehr mit dem Choke fummeln, der Motor nimmt ab dem ersten Moment sauber Gas an oder grummelt im ebenso sauberen Leerlauf mit stabilen 1500 U/min vor sich hin. Was ebenso sofort auffällt: Die von der 1200er gewohnten und durchaus nervigen Vibrationen sind weg. Einfach weg. Ab 2000 Touren schnurrt der 1250er-Motor wie ein Kätzchen. Und beißt wie ein Tiger, denn so ab 3000 U/min stehen für sehr, sehr lange Zeit immer und überall dreistellige Drehmomentwerte zur Verfügung. Das Ziehen an der Kordel sollte dabei mit etwas Feingefühl erfolgen. Die 1250er arbeitet mit dem mittlerweile Suzuki-typischen Doppel-Drosselklappen-System (SDTV – „Suzuki Dual Throttle Valve”): Jede der Primär-Drosseklappen wird vom Fahrer über den Gasgriff betätigt, um die Sekundär-Drosselklappen kümmert sich das elektronische Motormanagement mit Hilfe eines Elektromotors. Es hängt also eine ganze Menge Technik zwischen Gasbefehl und Befehls-Umsetzung, was die ganze Angelegenheit für Vergaser-Gewöhnte am Anfang etwas indirekt macht. Doch wie gesagt: Wer seine rechte Hand nicht nur digital bewegen kann, wird sehr schnell damit klar kommen und kann sich über einen moderaten Verbrauch von deutlich unter sechs Litern freuen.
Die 1200er war schon ein ziemliches Druckmittel, die 1250er kann es noch spürbar besser. Vorausgesetzt, man landet nicht im neuen sechsten Gang. Der macht das Autobahn-Cruisen zwar ziemlich stressfrei (bei 150 km/h zeigt der Drehzahlmesser immer noch unter 5000 U/min an), doch für alles fernab des Highways ist der fünfte Gang die bessere, weil um Welten druckvollere Wahl. Egal, welchem Gang man nutzen möchte, das Getriebe läßt sich sehr sauber schalten, nur die hydraulisch betätigte Kupplung verlangt nach einem beherzten Zugriff. Aber das darf so sein, Weichgreifer sind ohnehin keine potentiellen Bandit-Kunden.
Suzuki GSF 1250 Bandit (Mod. 2007) Was ebenfalls sofort auffällt: Die neue Bandit ist viel straffer abgestimmt als ihre Vorgängerin. Gehörten Zubehör-Gabelfedern bei der alten Bandit spätestens bei der ersten Inspektion zum Schrauber-Pflichtprogramm, kann die Neue so bleiben wie sie ist. Die in der Federbasis (Federbein auch in der Zugstufe) verstellbaren Federelemente sind zwar kein Ausbund an Sensibilität, doch erstens passen sie mit ihren etwas derben Art zum hemdsärmeligen Charakter der Bandit. Und zweitens wird sich die 1250er wohl nur sehr selten zu einem Renntraining verirren. Für den verschärften Landstraßeneinsatz sind Telegabel und Zentralfederbein jedenfalls bestens gerüstet. Nach- und Umrüstbedarf gibt es allerdings bei der Bereifung. Die in der Erstausrüstung verbauten Dunlop D 218 sind eine echte Spaßbremse. Sie machen die Bandit längsrillenempfindlich, sorgen für eine eher bescheidene Rückmeldung und erfordern unnötig viele Lenkkorrekturen. Doch Suzuki arbeitet bereits daran, auch andere Gummis für die 1250er frei zu geben. Spätestens im Frühsommer sollte sich das Thema erledigt haben. Die Rahmen-Bedingungen stimmen jedenfalls, die Suzi hat von Haus aus ein gutmütiges, durchaus handliches (der breite Lenker liegt perfekt) und Fehler verzeihendes Fahrwerk.
Dazu paßt die absolut gelungene Bremsanlage. Die ist – zumindest in Deutschland – serienmäßig mit einem ABS bestückt. Der Blockierverhinderer macht seinen Job sehr gut, greift nicht zu früh ein, baut sehr schnell Bremsdruck auf und regelt in angenehm kurzen Intervallen. Damit dem so ist, darf allerdings auch hier etwas derber zugelangt werden. Im Übrigen gilt auch hier das über die Kupplungsbetätigung Gesagte.
Die Suzuki Bandit 1250 S wiegt vollgetankt 254 Kilogramm, das sind acht Kilo mehr als beim Vorgängermodell. In der Praxis ist vom Masse-Mehr nichts zu spüren, das Drehmoment-Mehr macht die Sache mehr als wett. Trotzdem ist die in Dunkelblau, Rot und Schwarz lieferbare Bandit ein ziemlich ausgewachsenes Motorrad, eben ein echtes – fünf Euro in die Macho-Kasse – Männermotorrad, das so gar nichts vom Schlankheits-Ideal moderner Supersportler hat. Die in Deutschland beliebtere Halbverschalung befreit zwar spürbar vom Winddruck, doch plüschiger Supertourer-Komfort ist das (glücklicherweise) nicht, was hinter der Kunststoffschale geboten wird. Die 8590 Euro (plus 145 Euro NK) teure 1250er ist tatsächlich der geborene Büffel: Etwas grobschlächtig (teilweise auch in Sachen Verarbeitungsqualität), absolut zuverlässig, gutmütig (wenn man ihn nicht reizt) und unbeirrt vorwärts stürmend, wenn es darauf ankommt. Die Bandit ist das, was sie schon zuvor war: Ein sehr sympathisches Schwergewicht. Bis einschließlich 2006 war sie der geborene Büffel. Und nun ist sie eben der Wasserbüffel. So einfach ist das.