aus bma 01/06

von Jens Möller

Suzuki DR-Z 400 SMEine Warnung gleich am Anfang: Wer seinen RT-FJR-ST-oder-sonstwie-Tourer immer schön geradeaus treibt und nach 20 Jahren Fahrpraxis und den ersten 100.000 km immer noch locker zwei Zentimeter Angstrand am Hinterreifen hat, der sollte die folgenden Seiten überblättern. Genau wie diejenigen, die immer steif und fest behaupten, Hubraum sei durch nichts zu ersetzen, Leistung könne man ja doch nie genug haben, und deren Erfüllung es ist, sich von einer Bewußtlosigkeit in die nächste beschleunigen zu lassen. Auch diese Gruppe soll bitte weiter blättern, denn mit dem folgenden Fahrbericht wird sie nichts anfangen können.
Für wen dagegen wenig Gewicht mehr zählt als Leistung, wer auf gutes Handling steht, eine Kurvensuchmaschine braucht, bitte sehr: Suzuki DR-Z 400 SM. Angefangen hat es auch bei mir vor etlichen Jahren mit dem Besuch der ersten Supermotorennen. Und dann in diesem Jahr ein neuerlicher Rückfall beim Supermoto-Event auf dem Heidbergring. So etwas muß ich endlich auch einmal ausprobieren. In Kenntnis meiner eingeschränkten Fähigkeiten, was das Driften betrifft, sollte es etwas Leichtes, Kleines sein. Flugs bei meinem Suzuki-Händler auf den Hof geguckt und die DR-Z 400 SM entdeckt. Ja, ich bring sie euch wieder, gebt mir endlich den Schlüssel…

 

Ein Gedanke kreiste in meinem Kopf: Was die Herren Hiemer, Künzel und Chambon da zeigen, muß doch ebenfalls für Grobmotoriker erlernbar sein. Auch wenn dieser Fahrbericht noch am Anfang steht, nein, lieber Leser, es ist nicht so einfach erlernbar, und die Realität hat uns wieder.
Suzuki DR-Z 400 SM, das sind 40 kerngesunde PS bei 7.600 U/min, die mit den voll getankt 146 Kilogramm wenig Mühe haben. Das maximale Drehmoment von 39 Nm steht schon 1.000 Umdrehungen vorher bei 6.600 Touren an. Als Basis für die Supermoto diente Suzuki dabei die Sportenduro DR-Z 400. Klar sind 40 PS nicht die Welt, doch hat es Suzuki bei der DR-Z verstanden, diese perfekt auf das Motorrad abzustimmen. Flink dreht der Motor bei jedem noch so kleinem Zupfer am sehr leichtgängigen Gasgriff hoch, bietet dabei allzeit genug Kraft aus dem Keller um forsch zu beschleunigen. So erreicht man dank der leichtgängigen Kupplung in guten 5,8 Sekunden das erlaubte Landstraßentempo. Für 40 PS ein respektabler Wert. Bis über 140 km/h läßt sich die Suzuki zügig beschleunigen, erst darüber wird der Vortrieb merklich zäher. Wer sich hinter der nur wenig Windschutz bietenden Frontmaske klein macht und genug Anlauf nimmt, durchbricht die 150 km/h-Marke.
Suzuki DR-Z 400 SM Einen Gutteil zu dieser Kraftentfaltung trägt das sehr eng gestufte Getriebe bei. Auch wenn der Schalthebel direkt auf der Ausgangswelle montiert ist und sich so nur grob in seiner Position verändern läßt, die Abstufung der fünf Gänge paßt perfekt zur Motorleistung. Anders herum bedeutet das aber auch, daß die Suzuki DR-Z 400 SM im Stadtverkehr mit Drehzahl bei Laune gehalten werden will. Einfach den fünften Gang einlegen und loszuckeln klappt nicht. Eher sollte es im Stadtbetrieb die dritte Gangstufe sein, damit der Motor ohne zu ruckeln seine Leistung abgibt.
Macht aber nichts. Denn die DR-Z 400 SM flitzt wegen ihres fahrradgleichen Handlings, der guten Rücksicht in den Spiegeln und ihres kleinen Wendekreises, aufgrund des großen Lenkeinschlags, wieselflink an allen Blechlawinen vorbei. Kurios wird die Sache nur, wenn man kurz zuvor noch ein Mittelklassemotorrad der 220 Kilokategorie bewegt hat. Kommt einem das federleichte Handling in der City noch entgegen, lenkt man bei der ersten zügig genommenen Landstraßenkurve viel zu früh ein, bremst viel zu stark ab und steht daher fast am Scheitelpunkt.
Das muß auch anders gehen. Klar, jedoch fordert das Handling ein wenig Gewöhnung. Denn dank ihres guten Fahrwerks kann die kleine Suzuki mehr, als man ihr auf den ersten Eindruck zutraut. Vorne kümmert sich eine stabile 49 mm Upside-down-Gabel mit Doppelklemmung an der unteren Gabelbrücke um eine sichere Führung des 17zölligen 120/70er Reifens, während der hintere 140/70er Pneu, der ebenfalls 17zölligen Felge, von einer kräftigen Leichtmetallschwinge samt einstellbarem Federbein in der Spur gehalten wird. Erfreulich, daß Suzuki trotz der auf Straßenbetrieb ausgerichteten Bereifung mit dem Dunlop D 208 Speichenfelgen montiert hat. Auch eine Supermoto muß ja mal ein Stück Crosspiste fahren…
Aufgrund ihrer langen Federwege – vorne 260 mm, hinten 276 mm – vermittelt die Suzuki bei Landstraßenfahrt einen Anflug von Instabilität, der durch eine Anpassung der Federelemente und ein wenig Übung allerdings schnell verflogen ist. Warum allerdings die Verstellmutter der hinteren Federbasis vom Luftfilterkasten verdeckt sein muß, bleibt ein Geheimnis. Hammer und Dorn sollten eigentlich als Werkzeug für so etwas ausgedient haben, zumal die Verstellung mit dem gelieferten Bordwerkzeug in der kleinen Hecktasche unmöglich ist.
Suzuki DR-Z 400 SM Cockpit Wie gut die Federelemente wirklich sind, zeigt sich bei etwas schnellerer Fahrweise. Selbst wenn vor der Kurve das Tempo ordentlich zusammengestaucht wird, schlägt die Gabel nicht durch. Daß man die Suzuki derart verzögern kann, liegt an ihren wirklich guten Bremsen. Ausdrücklich sei hier das hintere Pendant gelobt, das mit seiner 240 mm messenden Scheibe samt Zweikolbenzange gut dosierbar zur Verzögerung beiträgt. Vorne dagegen würde man sich beim harten Ankern von der 310er Scheibe mit Doppelkolbensattel ein klein wenig mehr Transparenz wünschen. Ein Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage ist dabei nicht spürbar, wohl ein Verdienst der artgerecht relativ schmal gewählten Bereifung. Auch beim Beschleunigen wackelt nichts. Der Stahlrohrrahmen fügt sich nahtlos in das stabile Paket des Fahrwerks ein. Selbst in Kurven lassen sich problemlos Korrekturen der gewählten Linie vornehmen, egal wie schräg man es gerade treibt. Rückmeldung und Kontrollierbarkeit geben dem eiligen Dompteur jederzeit ein sicheres Gefühl.
Hat man die Suzuki einen Tag von links nach rechts geworfen, fängt der Allerwerteste irgendwann an zu schmerzen. Die Sitzbank in 890 mm Höhe ist derart hart und schmal, daß sie wirklich nur artgerechte Fortbewegung gutheißt. Wer darauf verreisen will, sollte Wundcreme einpacken. Auch für den Platz in der zweiten Reihe gilt gleiches, obschon die Suzuki dank guten 190 kg Zuladung einen Mitfahrer locker verkraften würde. Allerdings ermöglicht die schmale Sitzbank auch eine problemlose Gewichtsverteilung während der Fahrt, fördert so den dynamischen Umgang mit der DR-Z 400 SM, macht sie zu einem leicht beherrschbaren Kurvenfeger.
Suzuki DR-Z 400 SM Nachdem das Grinsen unterm Helm langsam krampfhaft groß wird, sollte man eine Pause einlegen. Also mal den Blick über die SM werfen, nach Details suchen. Sofort fällt der Chokehebel am Vergaser ins Auge. Schon lange nicht mehr gesehen, Vergaser wie auch Chokehebel. Zum Glück startet die Suzuki auch ohne Choke mit ein wenig Gashilfe jederzeit ohne Murren. Das zweite Relikt aus alten Zeiten entdeckt man am Tank: Einen Benzinhahn. Dessen Position sollte man sich gut merken, denn der Tank faßt nur 10 Liter. Zwar kommt die DR-Z 400 SM bei einem Durchschnittsverbrauch von guten 3,5 bis 4 Litern auf eine ordentliche Reichweite, auf Reserve zu schalten will aber geübt sein. Wandert der Blick weiter nach vorne, fällt das umfangreiche LCD-Cockpit auf. Zwei Distanzspeicher, Uhrzeit und Stoppuhr lassen sich mit ihm nutzen. Endurotypisch die Kontrolle des Ölstands per Peilstab im Lenkkopf. Nicht ganz so typisch die Anbringung des Lenkschloßes. Separat sitzt es am Lenkkopf, die Vergangenheit holt einen immer wieder ein. Insgesamt bietet die Suzuki DR-Z 400 SM aber eine gute Verarbeitung, zu erkennen auch am schrauberfreundlichen Aufbau. So läßt sich als Beispiel der Luftfilter nach Lösen von drei Schnellverschlüssen bequem wechseln. Warum geht das eigentlich nicht immer so? Zudem sorgt zumindest ein U-Kat plus Sekundärluftsystem für ein sauberes Umweltgewissen.
Wünschenswert wäre in Zukunft nur noch ein Drehzahlmesser. Zwar dreht der wassergekühlte Vierventil-Motor äußerst sauber, spontan und lastwechselfrei bis in den fünfstelligen Drehzahlhimmel hoch, vibriert dabei kaum wahrnehmbar, jedoch weiß man nie, mit welcher Drehzahl man unterwegs ist. Und wo wir gerade bei Wünschen sind: Vielleicht noch ein einstellbarer Kupplungshebel sowie ein besser einstellbarer Bremshebel. Das wäre es dann auch schon.
Doch auch so ist die Suzuki ein ausgereiftes und nahezu perfektes Spaßgerät für die Vollstreckertour am Sonntagmorgen. Und wer die ersten Supersportler dann in den Kurven schön aufrecht sitzend innen überholt hat, den wird der Schalk packen, ihn antreiben, anstacheln zu immer neuen Großtaten, bis sich irgendwann auch ein Herr Hiemer mit dem neuen Fahrkünstler auseinander setzen muß. Vielleicht jedenfalls. Bis dahin heißt es üben: Stoppies, Driften, Umlegen, und sich über das gute Angebot freuen, das Suzuki mit der DR-Z 400 SM anbietet. Für 5490 Euro plus Nebenkosten steht das schmale Spaßmobil beim freundlichen Händler. Kosten für Versicherung, Steuer und Alltag halten sich aufgrund des kleinen Hubraums und der geringen Leistung sowie des niedrigen Verbrauchs, auch bei engagierter Fahrweise, in sehr engen Grenzen. Ideal also für den schlanken Geldbeutel, denn die Relation aus Spaß und Investition ist auf dem Markt derzeit wohl nicht zu toppen.