aus bma 3/00

von Ralf Ahlers

Am 16.6.1991 habe ich die neue DR 650 R Dakar (SP 41 B) neu für schlappe 6990 DM von meinem Händler abgeholt. Kaufentscheidend waren für mich damals der große Tank (21 Liter), die Sitzhöhe (91 cm!) und sowohl der stabile Gepäckträger als auch der massive Motorschutz aus Alu. Auch Design und Lackierung versprachen eine härtere Gangart.
Und der Kickstarter? Soweit ich mich erinnern kann, hatte die Suzuki damals als einzige Maschine dieser Gattung noch einen solchen Starter anzubieten. Bei vielen anderen Herstellern konnte man mittlerweile wählen wie man das Motorrad in Gang bringen wollte. Viele Gerüchte ranken noch bis heute um die Zuverlässigkeit dieser Prozedur, die ich aus eigener Erfahrung aber alle in die Schranken weisen kann.
Auf dem Markt hat es zur damaligen Zeit keine wirkliche Alternative für mich gegeben. Und die sogenannten Hard-Enduros lagen sowohl finanziell als auch vom Einsatzzweck her weit entfernt von meinen gesteckten Zielen. Vom Juni ’91 bis Oktober ’98 hat mich dieses Motorrad quer durch Europa und Tunesien getragen. Am Ende der Laufzeit hatte ich 65.000 Kilometer auf dem Zähler und den ersten Übermaßkolben (ziemlich exakt bei 50.000 km) eingebaut. Wegen der Garantie habe ich den Händler bis zur dritten Inspektion noch aufgesucht. Von da ab habe ich allerdings alles in Eigenregie erledigt, da ich mich maßlos über die hohen Inspektionskosten ge-ärgert habe. Jeden Winter wurde das Motorrad in den Keller getragen und in alle Einzelteile zerlegt. Schwachstellen wurden ausgemerzt und durch bessere Lösungen ersetzt. Rost? Bei mir war das kein Thema. Zum einen sicherlich wegen der peniblen Pflege, zum anderen wahrscheinlich auch wegen der eigenen Garage. Und obwohl ich das Motorrad nicht geschont habe, hat sie auch nach mehr als 60.000 Kilometern noch wie neu ausgesehen. In der ganzen Zeit hat es keine Ausfälle gegeben, die mich zum Wechsel des Motorrades veranlasst hätten.

 

Während eines Finnland-Urlaubs im Jahr 1998 gesellten sich zu den üblichen und bekannten mechanischen Geräuschen völlig neue dazu. Außerdem leckte der Motor plötzlich an allen Ecken und Enden. Zu Hause habe ich ihn dann zerlegt und zu einer Spezialwerkstatt gegeben. Dort teilte man mir mit, dass ich auch ein völlig neues Getriebe bräuchte, weil die meisten Zähne zerrieben und abgebrochen waren. Das Ende vom Lied: Auch alle anderen Verschleißteile wären jetzt fällig gewesen, Bremsscheiben, Reifen, Lenkkopflager usw. Die Folgekosten standen leider in keinem Verhältnis zum Restwert, allein die Instandsetzung des Motors hätte 2000 DM gekostet. Ein so schreckliches Ende habe ich diesem Motorrad nicht gewünscht. Aber was soll’s, die neue Suzuki DR 800 S Big steht schon in der Garage…
Verbessert habe ich in all‘ den Jahren keine gravierenden Dinge. Das Grundkonzept passte in fast allen Fällen – ob vollbeladen mit zwei Personen durch Spanien und Portugal oder auf der Moto-Cross-Piste.
Der Motor lief von Anfang an mechanisch ungewöhnlich laut. Ich konnte mich bis zum Schluss nicht daran gewöhnen, dass es aus den Tiefen des Motors so „gerasselt” hat. Trotz exakter Einstellungen und regelmäßiger Kontrolle sowohl der Steuer- als auch der Ausgleichswellenkette war an der Geräuschkulisse nichts zu ändern.
Anfahren war schon bei niedrigen Drehzahlen möglich. Im normalen Fahrbetrieb wollte der Motor jedoch immer oberhalb von 3000 U/min bewegt werden. Ein „Hacken” an der Antriebskette war sonst die unangenehme Folge. Die Luftgemischschraube sollte sehr penibel eingestellt werden. Zuerst ganz hineindrehen und dann 1 1/4 Umdrehungen wieder heraus. Wenn die Maschine zu hoch dreht, dann einfach die Standgasschraube wieder dem normalen Niveau anpassen. Das ganze darf zum Vergleich gerne noch einmal wiederholt werden. Ein klein wenig Spiel mit der Schraubenumdrehung nach oben oder unten ist immer drin. Ein wenig Feingefühl ist halt auch nötig. Die leichte Zugänglichkeit und der einfache Aufbau machen Wartungsarbeiten zum Kinderspiel.
Das Getriebe ließ sich ohne Mühen und Geräusche leicht und präzise schalten. Der erste Gang war jedoch so mies übersetzt, dass bei längeren Endurotouren immer ein 15er Ritzel der alten 600er Dakar zum Wechseln mitgenommen wurde.
Einen gravierenden Fehler habe ich gemacht, als ich den Motor vor einem Tunesien-Urlaub mit hochwertigem synthetischen Öl befüllt habe. Dabei habe ich ihn doch nur auf die bevorstehenden Strapazen vorbereiten wollen! Noch zu Hause hat sich herausgestellt, dass dieses Öl die Reibscheiben so schmierig und rutschig gemacht hat, dass ein Anfahren ohne hohe Drehzahlen nicht mehr möglich war. In der Technik-Abteilung von Suzuki hat man mir dieses Phänomen dann auch bestätigt. Standardöl (SAE 20W40) und neue Kupplungsscheiben waren dann die Begleiter für den Urlaub.
Die Federung hat ausnahmslos alles geschluckt ohne durchzuschlagen. Mehr Verstellmöglichkeiten wären aber schon wünschenswert gewesen. Im direkten Vergleich mit meiner DR 800 muss ich den Federelementen aber doch eine Rüge erteilen. Sie waren recht hart eingestellt und sprachen auf kurze und scnelle Schläge sehr unsensibel an. Kurz vor Ende der Laufzeit habe ich mir dann eine Austauschfeder (198 DM) mit höherem Komfort von Benny Wilbers zugelegt. An der Gabel habe ich mir eine zusätzliche „Spielerei” angebaut, die zum einen für die gleichmäßige Luftmenge in beiden Holmen sorgt und zum anderen durch Luftveränderung unterschiedlichen Belastungszuständen angepasst werden kann. Das Fahrwerk ließ auch keine Wünsche offen, weder im Gelände noch auf der Autobahn bei Höchstgeschwindigkeit. Echte Schwierigkeiten hatte ich aber in Tunesien im vollbeladenen Zustand auf den Wellblechpisten: Das Rahmenheck hat unter der Last so bedrohlich gependelt, dass die Halterung des Kofferträgers gebrochen ist. Hier wäre eine steifere Ausführung sicherlich wünschenswert. Die Bremsen waren von der ersten bis zur letzten Verzögerung ohne Tadel, legten aber noch einen drauf, als ich komplett auf stahlummantelte Schläuche umgestiegen bin. Die Bremsscheiben waren allerdings nach 65.000 Kilometern am Ende. Und zwar restlos! Auch bei den Reifen bin ich bis zur Tunesien-Reise den Originalen treu geblieben (Bridgestone TW 41 vorne und 42 hinten). Für Tunesien sollten es aber dann doch universell einzusetzende Grobstoller sein. Die Firma Conti bietet den TKC 80 an, der sicherlich allen Anforderungen gerecht wird. Bis zuletzt bin ich mit diesem Reifen rundum zufrieden gewesen. Vorne hatte ich Laufleistungen bis zu 15.000 und hinten bis zu 6.500 Kilometern zu verzeichnen.
Die Verkleidung bietet erwartungsgemäß nicht den Komfort einer Reiseenduro, schneidet aber meiner Meinung nach trotzdem recht gut ab, weil die „Scheibe” doch noch höher ist als bei der Konkurrenz. Wetterschutz ist natürlich keiner zu erwarten.
Der Benzinverbrauch war akzeptabel und der Ölverbrauch bewegte sich bis zum ersten Übermaßkolben noch immer gegen Null. Eine ganz fiese Überraschung erlebte ich aber mit Rost im Tank. Das war insofern gemein, weil es Ewigkeiten gedauert hat, bis ich unterwegs festgestellt hatte, warum das Motorrad auf freier Strecke plötzlich abstirbt und sich nicht mehr starten lässt. Ein Zubehör-Bezinfilter war die logische Konsequenz. Von der umständlichen Prozedur des Reinigens möchte ich erst gar nicht anfangen zu schreiben. Anschließend hatte ich aber endlich Ruhe.
Sinnvolles Zubehör: Stahlflex-Bremsleitungen vorne und hinten für 169 DM, Fahrradtacho BC 700 für 39 DM, Ölthermometer für circa 90 DM (doch davon rate ich dringend ab!), Luftunterstützung für die Telegabel circa 25 DM, Sturzbügel (198 DM) und Gepäckträger (circa 300 DM) von Hepco und Becker, kleinere Blinker (besonders für hinten wegen des Gepäckträgers) für 7,95 DM pro Stück, Reifen von Continental TKC 80 (hinten etwas breiter als normal) – unbedingt empfehlenswert, Austauschfeder von Benny Wilbers für 198 DM.
Alle Modelle, die von Suzuki anschließend auf den Markt geworfen wurden, entsprachen überhaupt nicht mehr meinem Geschmack. Ich habe es nie bereut, mir die 650er gekauft zu haben. Es war eine schöne und zuverlässige Zeit.