aus bma 6/13
von Berthold Reinken

Die Eier legende Wollmilchsau – Erfahrungen mit der Suzuki DL 650 V-Strom
 
Suzuki DL 650 V-StromMan kann mit seinem Motorrad durchaus sehr zufrieden sein und jede Menge Spaß damit haben, so dass man davon überzeugt ist, ein gutes Krad zu fahren. So lang de’ Bur eben nix anderes kennt bzw. probiert, kann das immer so bleiben. Aber bekanntlich bleibt nichts so wie es ist. Andere behaupten, das einzig Beständige sei die Veränderung. Sie haben sicher recht. Das muss wohl auch ein Bauer einsehen.

Ein paar Jahre lang besaß ich für die kurvigen Bergstraßen in Südfrankreich eine Honda Transalp. Etwas besseres, bzw. passenderes konnte ich mir für diesen Einsatzzweck gar nicht vorstellen. Nun geschah es aber an einem schönen März-Nachmittag des Jahres 2004, dass ich mit meiner geliebten Transe auf den Hof eines Suzuki-Händlers rollte und zusah, wie dieser gerade an die völlig neue DL 650 V-Strom ein Kennzeichen schraubte. Obwohl mich der verquaste Name des Teils eigentlich abschreckte – das Auge fährt schließlich mit – ließ ich mich zu einem kleinen Trip überreden, so zehn bis zwanzig Kilometer, denn meine Zeit war knapp. 

Zeit ist laut Albert Einstein bekanntlich relativ und so schaffte ich es gerade noch rechtzeitig vor Motorradladen-Schluss wieder auf den Hof zu rollen – Albert Einstein hat das, glaube ich, „Zeit-Dilatation“ genannt. 

Suzuki DL 650 V-StromWas war geschehen? Um mich war es geschehen, denn die DL schlug mich vom ersten Kilometer an so sehr in den Bann, dass mir alle meine Termine egal waren und ich nur noch fahren wollte. Niemals vorher hatte ich mich auf einem anderen Motorrad auf Anhieb so wohl gefühlt, als hätte ich bereits einmal die Kugel damit umrundet. Blitzschnell sah ich ein, dass jeder Widerstand zwecklos war. Diese Maschine musste ich haben, egal, was für ein bekloppter Name am Tank stand. Die 12 Kilometer vom Händler zu mir nach Hause machten keinen Spaß und ich fragte mich, ob am Fahrwerk meiner Transe etwas kaputt sei. Echt krass, was ein Feind des Guten anzurichten vermag. Jedenfalls waren es für mich die letzten Kilometer mit einer Honda Transalp, ihre treue Fangemeinde möge mir verzeihen, aber: siehe oben (ganz oben).

Zeitsprung wieder nach vorn. Circa 30.000 Kilometer habe ich inzwischen mit der ersten und zweiten DL 650 zurück gelegt und bin zu der Überzeugung gelangt: Mehr Motorrad braucht eigentlich kein Mensch. Der 67 PS starke Motor ist jeder Aufgabe gewachsen, auch im 2-Personen-Betrieb macht er noch eine gute Figur. Das Poltern des V-Twin ist frei von üblen Pfeif-, Jaul- und Heultönen der meisten heutigen Motorräder und schmeichelt auch beim Stand an der roten Ampel das Ohr. Das 6-Gang-Getriebe schaltet sich leicht und exakt. Die Sitzposition ist perfekt und auch die Sozia hat nix zu meckern (jedenfalls nicht über das Motorrad). War meine Transalp mit zwei Personen und Gepäck zumindest im Gewinkel schwer fahrbar, meistert eine V-Strom diese Aufgabe mit Bravour. Auch die Bremsen sind da nicht überfordert. 

Streamline-Scheibe Suzuki DL 650 V-StromSeit dem Modelljahr 2007 wurde die DL für 7200 Euro mit ABS und geregeltem Kat geliefert. Das Antiblockiersystem funktioniert gut und leistet sich keine Schwächen und seit der Kat-Version ist der vorher schon geringe Verbrauch noch etwas gesunken. Durchschnittlich 4,3-Liter nimmt sich der Motor auf 100 Kilometern aus dem 22-Liter-Tank, damit sind Reichweiten von annähernd 500 Kilometern möglich. Vollgetankt wiegt die „Schwachstrom“, wie ich sie gerne nenne, nur 214 kg. Dazu tragen natürlich der Alu-Brückenrahmen und die Alu-Zweiarmschwinge bei. Die 1000er „Starkstrom“ wurde übrigens nur kurzzeitig gebaut und konnte der Kleinen kaum Käufer abspenstig machen, was ihre Qualität unterstreicht. 

Mit 206 kg darf die DL beladen werden. Da kann das Durchschnitts-Pärchen durchaus noch gut einen Zentner Gepäck mit auf die Reise nehmen. 
Einen guten Schutz, nicht nur auf Reisen, bietet schon die auf zwei verschiedene Höhen montierbare Serien-Scheibe, wobei „montieren“ wörtlich zu nehmen ist. In der Praxis bleibt die Scheibe aber meistens in der einmal gewählten Höhe. Wer einen einfachen und variabel verstellbaren Windschutz haben möchte, dem empfehle ich die GIVI-Airflow-Scheibe. Sie macht die V-Strom absolut autobahntauglich. Denn obwohl kurvige Landstraßen ihr Hauptrevier sind, werden auch längere Autobahn­etap­pen nicht zur Tortour.
Bis zu 180 km/h rennt die 650er und der wassergekühlte 90 Grad-V-Motor nervt niemals durch unangenehme Vibrationen. Seine Nennleis­tung von 67 PS spendiert er bei 8800 U/min. Das höchste Drehmoment von 60 Nm liegt schon bei 6400 U/min an. 

Bagster-Sitzbank Suzuki DL 650 V-StromSchon die Optik der DL 650 signalisiert, dass sie nicht für Geländeeinsätze gebaut wurde. Kleine Ausflüge in leichtes Gelände und über Schotterwege sind aber überhaupt kein Problem. Da macht sich schon das geringe Gewicht bezahlt. Zur Oberklasse gehören auch die Scheinwerfer. Sie brennen immer beide, was heutzutage ja nicht unbedingt üblich ist und geben auf nächtlichen Fahrten ein sicheres Gefühl.

Die kleine V-Strom erwies sich in den vergangenen Jahren als sehr zuverlässig und Reparaturen fielen zumindest bei meinen Maschinen nicht an.
Die große Frage bleibt, warum die V-Strom trotz der überragenden Qualitäten und des kaum zu überbietenden Preis-/Leistungsverhältnisses kein richtiger Verkaufshit wurde. Lag es an der gewöhnungsbedürftigen Optik? Viele Motorradfahrer finden sie sogar hässlich. Aber ist eine BMW GS wirklich schön? Oder ein Gerard Depardieu? Ich glaube eher, dass es der sperrige Name ist, der die Verkaufszahlen dämpft. Ich bin lieber Stammgast in einer Kneipe namens „Zorro“ als im  „Gemütlichen Eck“. Ein richtig knackiger, kurzer und treffender Name macht es jedem Produkt leichter, sich durchzusetzen. Denkt mal drüber nach, liebe Suzuki-Leute. Und verratet mir doch mal, wer auf den Namen V-Strom gekommen ist und was jener sich dabei gedacht hat. Und ob der betreffende Japaner sich schon in’s Schwert gestürzt hat.