aus bma 05/06 von Petra Klütmann

Suzuki Burgman 400 Mobec Gipsy Gespann Hallo, liebe Biker und alle, die es noch werden wollen. Diese Geschichte schreibe ich für alle, die gerne Motorrad fahren. Zu meiner Person: Ich bin zum Zeitpunkt der Geschichte 45 Jahre alt und mit meinem Mann Volker (BMW R 1150 RT Gespann) schon immer gerne mitgefahren. Irgendwann juckte es mir in den Fingern, und ich wollte einmal selbst erleben, wie es ist, den Gasgriff in der Hand und jede Menge Masse auf drei Rädern durch die Kurven zu bewegen. Damals hatte ich „nur” den Autoführerschein gemacht und nun, mehr als 20 Jahre später, wollte ich unbedingt den Motorradführerschein.

Durch meine Behinderung (rechts Oberschenkelprothese) war das aber nicht ganz so einfach. Eine halbherzige Anfrage vor einiger Zeit bei einer Fahrschule bestätigte meine Annahme, daß man mit einem Gespann keinen Motorradführerschein machen kann. Ich glaube, ich war sogar ganz erleichtert. Nun konnte ich ja sagen, ich würde gerne den Führerschein machen, aber es geht nicht (ein bißchen feige war ich auch).

Nach dem Europäischen Gespanntreffen 2002 (www.motorrad-gespanne.de) wollte ich nun mit viel Mut nochmals an die Sache rangehen. Inzwischen haben mir mehrere Personen unabhängig voneinander bestätigt, daß es doch Ausnahmegenehmigungen in Sachen Führerscheinerwerb gibt. Als dann auch noch in einer Zeitschrift der Bericht einer Frau erschien, die auf dem Gespann den Führerschein gemacht hatte, gab ich mir einen Ruck und ging zur Fahrschule. Dort erzählte ich dem Chef mein Anliegen, und dieser erklärte sich sofort einverstanden mir zu helfen. Meine Freundin arbeitet beim TÜV und konnte mir ebenfalls sehr helfen, indem sie mich mit den richtigen Prüfern bekannt machte. Danke, Christa. Auch hier, bei der telefonischen Anfrage meines Anliegens, die spontane Zusage unter dem Motto: „Haben wir zwar noch nicht gemacht, aber wir machen mit.” Danke, Herr N.

Parallel zu dieser Aktion haben Volker und ich schon mal Ausschau nach dem richtigen Gefährt gehalten und wurden im Internet fündig. Ein Suzuki Burgman AN 400 mit Gipsy-Beiwagen von Mobec war genau das Richtige für mich. Mit einem Automatikgetriebe konnte ich alles von Hand regeln, und meine Behinderung war hier ganz und gar unerheblich. Natürlich war es auch eine Preisfrage, denn ich wußte nicht, ob ich überhaupt den Führerschein schaffen würde bzw. ob ich Gespann fahren lernen konnte. Und das Burgman-Gespann war nicht ganz so teuer.

Suzuki Burgman 400 Mobec Gipsy Gespann Beim letzten Gespanntreffen hatte ich bereits einen Burgman AN 400 mit Beiwagen eingehend begutachtet und fand den schon sehr gut. Also ab ins Auto und runter nach Süddeutschland nach Weiler-Simmerberg. Dort stand das Gespann und hatte gerade mal 3500 Kilometer auf dem Tacho (inzwischen sind es ca. 15.000 km). Volker, als erfahrener Motorradgespannfahrer, sollte nun das Rollergespann über 900 Kilometer nach Hause fahren. Ich war gespannt, wie es ihm gefallen würde. Nach den ersten vorsichtigen Kilometern ging es immer besser. Da wir nicht viel Zeit hatten, mußten wir wieder auf die Autobahn zurück. Bei vorsichtigen Anfragen in den Fahrpausen, wie es denn so ginge, war Volker schon nach kurzer Zeit total begeistert. Man sitzt wie in einem bequemen Sessel und kann völlig entspannt fahren. Mit dem Burgman AN 400 braucht man allerdings ein bißchen länger um an einem LKW vorbeizukommen, aber auch dies verbesserte sich schon nach ein paar hundert Kilometern. Der Burgman war wohl nie richtig ausgefahren worden.

Bei der ersten Übernachtung, noch in Süddeutschland, machten wir schon eine positive Erfahrung. Der Gastwirt, bei dem wir ein Zimmer gemietet hatten, bot uns spontan seine Scheune an, damit das Gespann nicht draußen stehen mußte. Zur zweiten Übernachtung fuhren wir in den Harz. Dort trafen wir einige unserer Gespannfahrerfreunde in Clausthal-Zellerfeld bei Claudia und Carsten im Hotel „Zum Prinzen”. Auch hier allgemeine Begeisterung für das Gespann und viele gute Wünsche für mich und mein Vorhaben. Volker ist seitdem ein richtiger Rollerfan. Er sagt, daß ein Roller für ihn die beste Zugmaschine für ein Gespann wäre. Ein Roller läßt an jeder Kreuzung oder Ampel alle anderen Fahrzeuge stehen. Der Anzug ist gewaltig und durch die niedrige Sitzposition mit dem bequemen „Sessel” ist das Gespannfahren ein richtiges Vergnügen. Volker überlegte sich sogar ein Rollergespann bauen zu lassen.

Nun ging es langsam mit meinem Führerschein zur Sache. Zunächst mußte der Papierkram erledigt werden, wie sollte es in Deutschland wohl auch anders sein? Für das Rollergespann mußte ich eine Genehmigung ausstellen, daß ich damit einverstanden bin, daß das Gespann als Fahrschulfahrzeug (natürlich ausschließlich für meine Person) betrieben werden kann. Inzwischen ging ich auch schon mal zum theoretischen Unterricht. Was hatte ich mir da nur angetan? So viele Jahre war mein Führerschein schon alt. Ich mußte noch mal so richtig ran. Aber es war auch sehr interessant. Jedenfalls fand ich mich dreimal die Woche zum theoretischen Unterricht bei der Fahrschule ein und war fleißig am Lernen. Schließlich wollte ich mich vor all dem jungen Volk nicht blamieren.

Suzuki Burgman 400 Mobec Gipsy GespannDann kam die erste praktische Stunde. Nun sollte ich zum ersten Mal in meinem Leben ein Gespann fahren. Wirklich wahr. Ich bin vorher noch nie Gespann gefahren. Nach den ersten paar hundert Metern dachte ich noch, na, das wird schon werden. Aber später wollte ich nur noch, daß die Fahrstunde endlich zu Ende ist. Das Gezerre und Ziehen an der Seite, bedingt durch den Beiwagen, war ich überhaupt nicht gewohnt, und ich dachte schon, daß ich diese Stunde nicht überstehen würde. Mein Fahrlehrer Detlef kannte aber kein Erbarmen. Er konnte ja auch nicht hören, wie ich fluchte und schimpfte. Die Sprechanlage der Fahrschule geht nur in eine Richtung. Ein paar Kilometer später fand ich das Gespannfahren schon viel besser und am Ende der Fahrstunde wußte ich, ich schaffe das! Und der Burgmann AN 400 war so richtig toll, er gefiel mir immer besser.

Was mich zwischendurch immer mal wieder auf die Palme brachte, waren die Forderungen der Behörden. Ein Gesundheitszeugnis mußte her, kostet natürlich Geld. Dann mußte ich mit meinem Auto auch noch mal eine Fahrstunde absolvieren um dann, nach der Führerscheinprüfung für Klasse A, eine sogenannte Fahrprobe mit dem Auto abliefern zu können. Ich mußte nachweisen, daß ich trotz Behinderung fähig bin, ein Fahrzeug zu führen. Das hatte ich damals nach meiner Erkrankung, die zu der Behinderung führte, natürlich nicht gemacht (es steht nirgends geschrieben, daß man für ein Automatikauto zwei Beine braucht). Kostet natürlich alles Geld. Ich fühlte mich persönlich angegriffen und diskriminiert. Natürlich hielten sich die Behörden nur an die Vorschriften, aber ich war sauer. Jetzt, über zwei Jahre später, sehe ich das alles völlig entspannt und kann überhaupt nicht mehr verstehen, warum ich mich so darüber aufgeregt habe. An dieser Stelle meinen ganz großen Dank an die riesige Geduld und Gelassenheit meines Fahrlehrers Detlef Theede (ich kann ganz schön zickig sein).

Volker und Detlef waren meine beiden Stützen. Sie haben mich immer wieder aufgerichtet und mir Mut gemacht, wenn ich schon aufgeben wollte. Die Fahrstunden mit dem Rollergespann habe ich jedenfalls genossen, sie waren herrlich entspannend und machten viel Spaß. Aber alles hat mal ein Ende!
Am Schluß mußten jetzt die Übungen Gefahrenausweichen und Slalomfahren durchgeführt werden. Hier mußten wir etwas modifizieren. Mit einem Gespann kommt man nicht so durch die vorgeschriebene Strecke wie mit einer Solomaschine.

Nach vielen schweißtreibenden Übungsstunden, das Rollergespann wurde manchmal richtig heiß, habe ich auch das geschafft, und ich fühlte mich gerüstet für die Prüfung (habe ich eigentlich erwähnt, daß ich die theoretische Prüfung inzwischen bestanden hatte?).

Der Prüfungstag, Anfang November, war grau, genau so wie ich mich fühlte. Aber mein Roller und ich haben es doch geschafft (hoffentlich fragt jetzt keiner, wie ich das gemacht habe). Sogar die Presse interessierte sich dafür. Man, was war ich froh, alles hinter mir zu haben.

Jetzt konnte ich endlich mit unseren Gespannfreunden mitfahren. Hier machte das Rollergespann sofort einen guten Eindruck. Trotz der nur 33 PS konnte es sehr gut mit den viel größeren Motorradgespannen auf unseren Nachmittagstouren durch Schleswig-Holstein mithalten. Und ab sofort gehörte ich zu den regelmäßigen Mitfahrern der Samstagsgruppe.

PS: Eine Anmerkung noch zum Schluß. Nach diversen großen und kleineren Touren sollte sich nunmehr herausstellen, daß der Burgman AN 400 für mich doch ein wenig zu klein/niedrig ist. Das Sitzen auf dem Roller mit der Prothese wurde für meine langen Beine sehr anstrengend. Mit wehmütigem Herzen biete ich das Gespann nun zum Verkauf an. Dem Gespannfahren bleibe ich dennoch treu. Es ist jetzt der Burgman 650 mit Euro II-Beiwagen. Hier ist die Sitzposition für meine Größe (180 cm) genau richtig.

Herzliche Rollergrüße von Petra Klütmann