aus Kradblatt 10/20 von Marcus Lacroix

Die Rückkehr des Mopeds

Super Soco TC Max - Modell 2020
Bequeme Sitzposition auf der Super Soco TC Max

Dem aufmerksamen Leser ist es sicher nicht entgangen (ok, den anderen wohl auch nicht), dass ich ein besonderes Faible für Motorräder mit elektrischem Antrieb habe. Die Fahrzeuge machen natürlich nicht für jeden Einsatzzweck und jeden Fahrertyp Sinn, der Markt und auch das Interesse in unserer Leserschaft wächst aber spürbar. Auch Motorradhändler steigen zunehmend in das Marktsegment ein – und sei es mit kleinen Fahrzeugen der 125er/B196 Klasse. Grund genug also, weiterhin ein Auge drauf zu haben. So weit die „Entschuldigung“ an alle, die bei dem EV-Thema im Kradblatt direkt wieder einen Herzkasper kriegen …

Ausprobieren konnte ich kürzlich die Super Soco TC Max, ein Motorrad der 125er Klasse, das einen irgendwie mehr an die 50er Mopeds der 1970er Jahre erinnert – speziell an die Kreidler Florett RS. Daran sind nicht nur die schlanke Linie und die Höchstgeschwindigkeit von 95 km/h Schuld, auch das Gewicht von 103 kg liegt auf Höhe einer vollgetankten RS aus den späten 70ern. Leistungsmäßig geben sie sich auch nichts – 5,1 kW vs. 5,0 kW (79er RS). 

Kreidler Fans wird es vermutlich kalt den Rücken runterlaufen, dass ich ihr zweitaktendes Denkmal mit einem Akkuschrauber aus China vergleiche, aber sei’s drum: beide haben zwei Räder und beide machen Spaß – und darauf kommt es ja an.

Super Soco TC Max - Modell 2020
Klasse: Zahnriemen und gute Hinterrad-Abdeckung

Super Soco werden in China produziert (aktuelle Kreidler übrigens auch). Das Werk der VmotoSoco Group hat lt. eigener Angabe einen Produktionsausstoß von 300.000 Einheiten im Jahr, Hauptaugenmerk sind qualitativ höherwertige elektrisch betriebene Zweiräder der kleineren „Hubraumklassen“, die weltweit vertrieben werden. Auf der Website von VmotoSoco bin ich über das Ducati-Logo und den Hinweis „official Supplier 2020“ gestolpert – und in der Tat, den Roller Super Soco CUx gibts als „Special Edition Ducati“.

Herausnehmbare Batterie - Super Soco TC Max - Modell 2020
Herausnehmbare Batterie

Aber zurück zur TC Max, dem leistungsstärkstem Modell der TC-Baureihe. Das kleine Motorrad im modernen Retro-Style-Mix verfügt über einen Mittelmotor, der seine Kraft über einen quasi wartungsfreien Zahnriemen an das 17-Zoll-Hinterrad überträgt. Dieses ist mit einem 110/70er Reifen der mir unbekannten Marke „Cordial“ ausgerüstet. Offenbar ein chinesischer Ausrüster, auf Alibaba.com wird man nämlich schnell fündig. Vorne rotiert ein 90/80-17 und entgegen meiner Vorurteile boten die Reifen auf trockener Straße einwandfreien Gripp. Ein Regentest fiel wetterbedingt aus.

Die Fahrleistungen der kleinen Maschine dürften jedem, der sich noch an seine Wurzeln erinnert, ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Sie zieht sauber aus dem Stand bis zur Höchstgeschwindigkeit durch – antriebsbedingt natürlich ohne nerviges Gerühre in einem Getriebe. Die Sitzposition ist komfortabel, die Füße sind arbeitslos (außer beim Anhalten). Gebremst wird wie beim Motorroller über zwei Handhebel. 

Fach für Ladekabel oder Kleinkram - Super Soco TC Max - Modell 2020
Fach für Ladekabel oder Kleinkram

Das CBS-Bremssystem (Kombibremse, in der Klasse mittlerweile Vorschrift) überfordert den Fahrer nicht – in Jounalistenkreisen die freundliche Umschreibung einer schlappen Bremse. Man kann bzw. muss schon ordentlich reinlangen, um die Reifen zum Wimmern zu bekommen. Angesichts der Tatsache, dass Autofahrer mit dem alten Klasse 3 vor April 1980 bzw. mit dem neuen B196 die TC Max fahren dürfen, geht die Abstimmung der Bremse aber in Ordnung. Im urbanen  Umfeld – und da gehören die elektrischen Super Soco hin – wird kaum jemand einen Zweifingerstopper vermissen.

Onboard-Ladeanschluss - Super Soco TC Max - Modell 2020
Onboard-Ladeanschluss

Das urbane Umfeld – auch stadtnaher Bereich genannt – ist der ideale Einsatzort für kleinere elektrische Zweiräder, denn da ist die Reichweite kein Thema. Fehlende Parkplätze und Staus hingegen schon.

Ich habe die Super Soco in einem Mix aus Land- und Hauptstraßen (also vorwiegend Vollgas) und Stadt gefahren; geschätzt 60 % zu 40 %. Nach 50 Kilometern zeigte der 72 Volt/45 Ah Lithium-Ionen-Akku noch 30 % Restladung und damit dürfte er für den normalen Alltagseinsatz, den Weg zu Arbeit/Schule/Einkaufen und zurück allemal reichen. Im Winter kann man bei Kälte erfahrungsgemäß rund 10% Reichweite abziehen. Bei rein städtischem Betrieb dürfte man mit der Super Soco TC Max immer 100 km weit kommen. Aber mal ehrlich, bei täglich solchen Entfernungen steigen die meisten dann doch eher auf Öffis um. 

Zuhause klemmt man entweder das Moped an die Haushaltssteckdose, wenn es räumlich denn geht, oder man entnimmt den abschließbaren Akku am Tragegriff und lädt ihn in der Wohnung oder im Keller. Die Ladezeit von 0 auf 100 % beträgt 9 Stunden, mit dem optionalen Schnelllader dauert es 4,5 Stunden. Da man den Akku selten ganz leer fährt, kommt man morgens also wohl immer pünktlich ans Ziel. Einen Wechselakku wird sich wohl kaum jemand anschaffen, möglich ist es aber. Der Akku verfügt über einen Tief­entlade- und Überladungsschutz, eine Temperatur­überwachung und einen automatischen Zellenausgleich. 

Was mir sonst noch so aufgefallen ist? 

Rudimentärer Blinkerschalter - Super Soco TC Max - Modell 2020
Einfacher Schiebeschalter für den Blinker

Arg rudimentär ist der Schiebeschalter für den Blinker, den man manuell zurück in Mittelstellung schieben muss – da ist man als Motorradfahrer besseres gewöhnt. Ebenfalls ein Schiebeschalter, dafür sehr praktisch, findet sich am rechten Lenkerende – über die Stufen 1, 2, 3 wird die Endgeschwindigkeit begrenzt. Da man (oder ich) Elektromopeds schon aus Spaßgründen gerne digital fährt (Vollgas/Keingas), schaltet man in der Stadt einfach auf Stufe 1, in 70er-Zonen auf Stufe 2 und schon braucht man sich keine Sorgen um Blitzer zu machen.

Etwas gewöhnungsbedürftig ist der Funkschlüssel (Keyless-go-System), der mit einer Alarmanlage und einer Wegfahr-/Wegroll-Sperre gekoppelt ist. Drückt man falsch, ertönt ein (nicht sehr lauter) Alarmton. Der E-Motor blockiert dann durch Pulsieren das Wegschieben. Eigentlich eine gute Sache, nur sollte man vorher die Bedienungsanleitung lesen (die hatte ich nicht dabei).

Begrenzungsschalter für die V-max - Super Soco TC Max - Modell 2020
Begrenzungsschalter für die V-max

Gut ablesbar ist der hübsche Tacho (mit echtem Zeiger!). Die Zusatzinfos, rechts im Digitaldisplay, erfasst man hingegen nicht immer sofort, da das Tachoglas nicht spiegelfrei ist. Wirklich wichtig ist dort aber auch nur die Prozentanzeige des Akku-Ladestands. Eine Uhrzeitanzeige habe ich vermisst – für Pendler bisweilen nicht ganz unwichtig.

Fahren mit Sozius ist möglich, schon aufgrund der maximalen Zuladung (150 kg) und der Soziusrasten-Position, nimmt man hinten aber besser nur Kinder mit.

Praktisch ist das kleine Staufach über dem Akku. Hier passt entweder das Ladegerät, wenn man doch mal länger unterwegs ist, oder diverser Kleinkram.

Großer Tacho und Keyless-Ride - Super Soco TC Max - Modell 2020
Großer Tacho und Keyless-Ride

Über eine Smartphone-App können verschiedene Funktionen, Fahr- und Serviceinformationen abgerufen werden.

Scheinwerfer, Rücklicht und Blinker sind stromsparend in LED-Technik ausgeführt. Eine Rekuperation – also die Energierückgewinnung im Schiebebetrieb – ist nicht vorhanden. 

Der für mich persönlich größte Vorteil zu früher ist die wunderbare Ruhe, mit der man auf der Super Soco TC Max durch die Gegend düst. Auf kleinen Wirtschaftswegen ist das sehr entspannend, man hört kaum mehr als den Wind, Reifen und Zahnriemen. Dazu noch der fehlende Zweitakt-„Duft“ und die kinderleichte Handhabung – ich mag das. 

Die Super Soco TC Max kostet 4999 €. Die einfachere TC mit 3 kW Motorleistung, kleinerem 30 Ah Akku und 45 km/h Vmax kostet 3699 €. Das Sondermodell TC Pro Limited Edition (3,5 kW / 45 Ah / 90 km/h) kann aktuell um 500 € vergünstigt für 3999 € vorbestellt werden.

Zur Verfügung gestellt wurde die Probefahrtmaschine von der Firma Otten Elektromobilität aus Meppen. Infos gibts dort über Telefon 05931-495950, Internet www.otten.de sowie auf Facebook.