aus bma 7/12
Text und Fotos: Mathias Rieck

Abenteuer Südamerika…
Teil 1: Zwischen Buenos Aires und Santa Cruz!

Suedamerika_Copacabana-Puno-CuscoWie versende ich ein rot-weißes Motorrad von Hamburg nach Buenos Aires? Diese Frage stellt sich mir zwei Wochen nachdem wir eine Honda Africa Twin RD07 in einem Auktionshaus erworben haben und drei Monate bevor der lateinamerikanische Kontinent durch uns erkundet wird.

Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich auch noch keine Ahnung was es überhaupt heißt, so eine Tour zu planen, geschweige denn durchzuführen. Wir wissen nur, dass wir irgendwie die durch Google Maps errechneten 6000 km von Buenos Aires nach Lima zu zweit mit eben dieser Honda bewältigen werden.

In mühevoller Kleinarbeit wird recherchiert, organisiert, an der Africa Twin modifiziert und oft bis zur Verzweiflung telefoniert. Kurz vor dem Abflug gibt es dann noch den Führerschein für meine Partnerin. Die Inspiration der Freiheit ist unser Treibstoff, dem Ziel näher zu kommen gibt uns viel Kraft. Kraft und Ausdauer benötigen wir auch schon beim ersten Versuch, das Motorrad aus dem argentinischen Zoll zu befreien. Auch eine Woche intensiver Vorbereitung in Buenos Aires, lässt es nicht vermeiden, dass wir uns drei Tage im argentinischen Labyrinth der Zollbürokratie befinden. Nach mehrfachem Versuch schaffen wir es, unser Krad aus den Klauen des Zolls zu befreien.

Diese Erfahrung vor dem Start der Tour ist eine wichtige Lehre für uns: Wenn du nicht verzweifeln willst, dann stell dich vorher auf die lateinamerikanische Mentalität und die dazugehörige Bürokratie ein.

Dass wir uns die lateinamerikanische Mentalität recht schnell zulegen müssen, zeigt die erste Fahrt durch die engen verstopften Straßen der Millionenmetropole Buenos Aires mit ihren eigenen widerspenstigen und uns fremden Verkehrsregeln. Eines wird recht schnell klar, hier fährt jeder nach einem besonderen Gefühl, von dem wir noch weit entfernt sind.

Suedamerika_Santa-Cruz-nach-Samaipata-02Zu unserem Glück führt uns die erste Tour mit einer sehr bunten vollbeladenen Honda sehr früh am Morgen zur Fähre nach Uruguay. Ja wir fahren über Uruguay! Wie alle unsere weiteren Ziele, bis auf einige markante Punkte, verläuft die Planung der Reise eher nach dem Zufallsprinzip und dem wichtigen Motto „Das Meiden großer Pisten“. So haben wir uns kurzum entschlossen auf den kleinen verträumten Pisten von Uruguay dem ersten Ziel, Foz de Iguazú entgegen zu fliegen. Ja wir fliegen, so fühlt es sich an als wir das erste Mal auf einer lateinamerikanischen Piste unterwegs sind. Wir spüren die absolute Freiheit. Leider spüren wir aber auch die 45° Celsius Umgebungstemperatur und fragen uns recht schnell, „Was machen wir hier überhaupt?“ Auf einer Piste mitten in den Weiten der grünen Pampa von Uruguay, in der uns einige Palmen, gespickt mit ein zwei Rindern am Horizont Gesellschaft leisten. Wir haben keine Ahnung wie weit uns eine Tankfüllung bringt, was wir machen wenn die 750 ccm welche uns beflügeln, ihren Dienst versagen, geschweige denn, wo wir wie die erste Nacht in Freiheit verbringen werden.

Suedamerika_Bonito-nach-Santa-ClaraUnser Zelt, wie Lebensmittelvorrat für eine Nacht, lassen uns diese Gedanken recht schnell zerstreuen. Wir fliegen im blauen Himmel, in dem jemand Cumuluswolken gemalt hat, dahin. Mit der Gewissheit auf Abenteuer freuen wir uns auf das was kommt, was erwartet uns? Das wird uns recht schnell klar, als uns schon am ersten Zeltplatz klargemacht wird, dass das Campen auf diesem öffentlichen Platz zu gefährlich sei. Dies schreckt uns wahrlich ab, wir Campen wild und sammeln immer gegenteilige Erfahrungen. Gerade die Freiheit mit dem Motorrad unterwegs zu sein, hält uns nicht davon ab, an den entlegensten Ecken unser Nachtlager aufzuschlagen. Sei es an großen breiten Flüssen, die im Sonnenuntergang die Farbenpracht eines Regenbogens darbieten, im wild geschotterten trockenen Flussbett oder im Kiefernforst, immer fern ab jeder Siedlung. Wir erfahren schnell, was Gastfreundschaft bedeutet, wenn wir in einer uns fremden Sprache stotternd nach dem Weg fragend von der Straße weg eingeladen werden, die Nacht in ihrem bescheidenen Heim zu verbringen.

So ergeht es uns, als wir im brasilianisch/uruguayischen Grenzort Uruguayana nach dem Weg fragend von Elivelto eingeladen werden. Er stellt uns für die Nacht sein Zimmer zur Verfügung. Wir und unsere Ausrüstung und auf dem Fußboden des kleinen Zimmers lassen keinen Platz mehr für eine Milbe. Der Gastgeber zieht es vor, sich die Nacht im ortsansässigen Club um die Ohren zu schlagen. Die Einladung mit der Unterkunft incl. Pool, wie eigener Tennisanlage schlagen wir natürlich auch nicht aus.

Beim Queren der Länder sammeln wir rasch Erfahrungen im Umgang mit den ortsansässigen Gepflogenheiten der dortigen Beamten. Diese sind natürlich an jedem Übergang anders. Ein Held derjenige, der bei der Vorbereitung einer solchen Reise an internationale Papiere denkt. Der gestempelte deutsche Adler ziert sich in diesen Papieren besonders gut. Und hier heißt es auch wirklich, vorher so viele wie möglich dieser Vögel auf den Seiten der Papiere zu verteilen. Wer mit dem Motorrad das Abenteuer in Lateinamerika sucht, dem könnten die Grenzübergänge schon reichen. Wir verlassen uns nicht auf die Grenzübergänge und folgen einer der typischen roten Lateritpisten mitten in eines der größten Sumpfgebiete Lateinamerikas. Vor drei Tagen haben wir den Hinweis bekommen, die Esteros de Ibera, welche an der Fülle von Fauna und Flora nur schwer zu überbieten sind, zu besuchen.

Suedamerika_Weg-nach-MbaracayuNoch ist der rote Boden fest und einfach zu fahren, die Piste erinnert eher an einen guten Forstweg bevor sie plötzlich endend in einem Sand-Dünen-Lehmweg von Kühen belagert wird. Auch die Hufe der Kühe tragen ihres dazu bei, dass die Piste einen Offroad ähnlichen Charakter erhält. Wir befinden uns nun auf dem Privatland der verschiedenen Estancia, die wir queren müssen um an das Ziel zu kommen. Nur, wo ist unser Ziel? Geschätzte 80 km vor dem Ziel bockt die Honda, lässt sich nach einem Stopp nicht mehr starten. Außer der Zündung geht nichts mehr bei 45° Celsius inmitten der grünen Pampa. Die letzte Siedlung liegt Kilometer hinter uns, an Hilfe ist nicht zu denken. Wir haben Glück, uns gerade auf einem festen Stück der Piste zu befinden um so die Maschine mit all unsere Kräften angeschoben zubekommen.

Bei der Weiterfahrt verschlechtert sich der Pfad auf dramatische Weise in eine Schlammpiste in der auch die Kühe ihren Spaß haben. Mit dem Motto „Geschwindigkeit gleich Sicherheit“ setzen wir die Fahrt fort ohne mit den Rindern zu kollidieren. Die absolut schwierigen Verhältnisse der Piste bringen uns an den Rand der Verzweiflung, führen uns bis an die Gren­ze von Mensch und Maschine. In einer weiten nicht einsehbaren Schlamm­piste versagt die Konzentration, was dazu führt, dass wir uns in der horizontalen im Straßengraben wiederfin­den.

Suedamerika_Weg-nach-Laguna-BlancaNur durch ein Wunder bekommen wir die Honda mit laufendem Motor wieder zurück auf die Bahn. Die Schlammpiste zeichnet jedoch den weiteren Weg, wobei wir gerade einmal die Hälfte der Stecke hinter uns haben. Dazu kommt der unklare technische Zustand des Krads. Für heute brechen wir die Tour ab. Erst unter Zuhilfenahme eines Jeeps können wir in weiteren zwei Tagen das Ziel erreichen. Mit dem, was wir in der fast noch unberührten Wildnis der Esteros erleben werden, hat sich aller Kampf gelohnt. Noch viele Kilometer legen wir auf solchen Pisten zurück, um mit der Africa Twin an die entlegensten Gebiete zu gelangen. Im letzten Teil des wilden paraguayischen Regenwaldes angekommen hält man es gar für unmöglich, dass wir mit diesem Riesen-Motorrad die zähe Tour durch den Dschungel bewältigt haben. In diesen letzten Winkeln, abseits der touristischen Attraktion, werden wir immer sehr ungläubig begutachtet, was uns jedoch auch sehr große Gastfreundschaft beschert.

Auch wenn wir uns durch Brasilien eher auf schwarzem Asphalt als durch grasgrüne Wiesen bewegen, hat das keine besseren Auswirkungen auf den technischen Zustand des Motorrades. Im Gegenteil, auf den brasilianischen Straßen bekommen wir zu spüren, was es heißt auf einem Wellblech zu fahren. Ein Vorgeschmack von dem, was uns in den Anden erwarten wird. Nach solchen Pisten müssen wir immer wieder Hinterhofbastelbuden ansteuern, um von den Meistern der filigranen Schweißkunst unsere Kofferhalter optimieren oder richten zu lassen. In Bonito/Brasilien legen wir einen Stopp ein, um die Honda gründlich zu überholen. Alles was sich irgendwie festziehen lässt, wird festgezogen oder verklebt. Der Verlauf der Tour verlangt der bis ans Äußerste beladenen Maschine Einiges ab. Schon nach 3000 km sind die hinteren Bremsbeläge total verschlissen, als wir plötzlich mitten in Paraguay das metallische Geräusch der hinteren Bremsanlage vernehmen. Wie durch ein Wunder schaffen es die lateinamerikanischen Meister der Improvisation, neuen Belag auf die Klötze zu zaubern.

Suedamerika_Buenos-Aires-Uruguay-Uruguaiana_Wo-ist-der-Weg100 km weiter, hinter dem ersten Abhang, bekommen wir die Qualität der Arbeit durch die nicht vorhandene Bremsleistung zu spüren. Leider ist an den Kauf originaler Teile in diesen Breiten nicht zu denken. Daher sind wir froh, dass wir überhaupt Belag auf den Klötzen haben, um so weiteren Schaden zu verhindern. Wie wir damit jetzt allerdings die bevorstehende Fahrt durch die Anden bewältigen werden, ist uns noch nicht klar. Tranquilo! Diesem wichtigen Leitmotto der lateinamerikanischen Lebensweise, haben sich die zwei bolivianischen Pärchen, die wir mit einer Honda Varadero wie einer BMW GS zu Beginn der Transpantanal treffen, nicht angeschlossen. Sie ziehen es vor, während ihrer kurzen Urlaubszeit von einer Woche eine Tour auf dem Asphalt zurück zu legen, für welche wir zwei Wochen benötigen. In einem kurzen Gespräch wird ihnen rasch klar dass wir von dem was hier hier tun, gar keine Ahnung haben und so werden wir ohne zu fragen eingeladen, mit ihnen die Transpantanal zu bewältigen. Unsere Idee von Corumba/Brasil nach Santa Cruz/Bolivien in drei Tagen die Transpantanal zu bewältigen, halten sie aufgrund von Drogenschmugglern und sonstigen Gefahren, die uns auf der Piste lauern, für absolut absurd.

Suedamerika_Bonito-PantanalDa eine Widerrede gar nicht erst in Betracht kommt, statten wir noch am gleichen Tag dem brasilianisch/bolivianischen Grenzbeamten einen Besuch ab. Dass die brasilianische Bürokratie unter Einsatz von rechnerunterstützen Systemen eher als fortschrittlich anzusehen ist, wird uns erst beim Kontakt mit der bolivianischen Grenzbürokratie in Puerto Suárez so richtig klar. Eine kleine etwas rundliche Dame hinter dem Tresen hat sich und ihre Familie in einem viel zu kleinen nach Kolonialstil eingerichteten Raum wohnlich eingerichtet und besteht nun auf die Ausfertigung aller Papiere in dreifacher Ausfertigung. Dazu zählen der Impf­ausweis ebenso wie unsere Versicherungspapiere. Diese erhält sie und so bleiben wir unserem Motto, keinen Cent an Grenzbeamte zu vergeben, auch treu. Als sie jedoch nach der Nummer der Internationalen Zulassung fragt, werde ich etwas ungeduldig. Es gibt auch allen Grund dazu. Wir befinden uns im fremden Land, an einer sehr lebhaften Grenzstation ohne Orientierung und kurz vor Einbruch der Dämmerung. Nein, ohne Nummer der Papiere, die sie wiederum in ihrem Dokument eintragen müsse, können wir nicht passieren. Nur mit der Unterstützung bolivianischer Motorradfahrer erhalten wir die benötigten Dokumente zur Weiterfahrt in die dunkle Stadt.

Suedamerika_Yapeyu-ArgentiniaBei blauem Himmel mit Cumuluswolken fliegen wir am nächsten Tag mit den neuen Freunden die wohl wildeste Piste Lateinamerikas entlang. Die ersten 400 km gestalten sich dank der Weltbank, enttäuschend einfach für uns. Wir befahren die wohl am besten ausgebaute Piste auf dem Kontinent, die hier einer deutschen Schnellstraße sehr ähnlich ist. 60 km befinden sich jedoch noch im Urzustand und sind für uns natürlich eine echte Herausforderung. Um für uns Männer diese 60 km noch attraktiver zu gestallten, wird kurzerhand ein Taxi organisiert in dem Gepäck und unsere Mädels über die Buckelpiste chauffiert werden. Buckelpiste ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort um die 60 km Dschungel-Piste auf der wir uns befinden, zu beschreiben. Es ist eine Mischung aus Feld-Forst-Bau-Piste. Fast parallel arbeiten sich gelbe Bulldozer durch den Wald um das letzte Stück zu schließen und queren auch immer wieder unsere Bahn. Wir drei Kradler lassen uns davon aber kaum abhalten und verwandeln uns schon gleich auf den ersten Metern der Straße zu kleinen Kindern, die mit ihren Spielzeugen durch den Dschungel heizen. Wir geben uns nichts und gestalten so die Fahrt durch die grüne Hölle als unsere persönliche Rallye. Jeder möchte die kleine Gruppe anführen, schon um nicht im roten Laterit-Staub des Vormannes zu versinken. Wir nehmen auch keine Rücksicht auf den Zustand unserer Maschinen oder der Baufahrzeuge, die ab und an mit Lichtsignalen den Weg kreuzen.

Tief in der Nacht, nach 700 km erreichen wir Santa Cruz und sind froh, als wir im Moto-Club eine Möglichkeit erhalten, unser Nachtcamp zu errichten. Von Santa Cruz aus unternehmen wir einen Ausflug in die Anden nach Samaipata und stellen hier mit Erschrecken das völlige Versagen der hinteren Bremsanlage fest!

Es liegen nun 5024 Kilometer Offroad-Asphaltpiste hinter uns. Wir haben fünf Länder bereist, unendlich viel Gastfreundschaft und Hilfe erfahren. Wir sind gespannt auf das, was uns in den Anden erwartet…

Fortsetzung in bma 8/12!