aus bma 8/12
Text und Fotos: Mathias Rieck

Abenteuer Südamerika…
Teil 2: Von Buenos Aires nach Lima!

Der zweite Teil unserer Tour von Buenos Aires nach Lima, führt uns anfänglich durch das grüne Tiefland von Bolivien.

Piste nach El Tatio zum größten Geysirfeld der WeltDer Routa 9 folgend, von Santa Cruz in Richtung Salta bewegen wir uns auf der Klimagrenze zwischen Anden und Gran Chaco. Hier erfahren wir was es heißt mit dem Motorrad durch ein weites grünes und dennoch karges Land zu fahren. Klimaveränderungen und Wetterumschwünge bekommen wir auf diesem Teil der Route hautnah mit. Sie führt uns an unzähligen wilden Can­yons und so genanten Rio Secos vorbei. Diese fantastischen, extrem breiten, im weißen oder roten Sand liegenden, zeitweise trockenen Flüsse, laden förmlich ein die Asphaltpiste zu verlassen, um das Abenteuer in ihrem Bett zu suchen. Das spezielle Klima der Region führt unter anderem auch zur Verbuschung dieser so typischen Landschaft, was uns den Einblick in den Gran Chaco gewährt. Den Traum diese Region zu durchfahren, wie die Vorstellung auf den Spuren von Ché die Anden zu erkunden, müssen wir nach dem erneuten Kauf von hinteren Bremssteinen in Santa Cruz vollends begraben. Wenn wir überhaupt irgendwie durch die Anden kommen möchten, dann mit originalen Bremssteinen und diese gibt es nur in Salta, Argentinien. So stehen wir nun im Grenzort Yacuiba auf dem Weg nach Salta und müssen leidvoll erfahren, was es heißt Bolivien einen für Schmuggelware aller Art bekannten Grenzübergang zu queren. Auch nach vier Stunden warten, möchten wir die A/T nicht völlig entpacken um sie bis auf den letzten Staubkorn per Zoll-Dekret zu erklären. Unsere Nerven liegen blank.

Machu-PichuBreite ordentliche Pisten, mit gelegentlichen Tankstellen sind ein untrügliches Zeichen für Argentinien. Sie bilden den Abschluss vor Salta, nach dem es endgültig in die Anden geht, wo uns wieder das von uns geschätzte Offroad-Gelände erwartet. Da war aber noch was… die hintere Bremsanlage. Nur mit der Unterstützung unserer bolivianischen Freunde aus Santa Cruz und viel Glück in Salta, ist es möglich die hintere Bremsanlage, sowie das hintere Radlager, welches uns in der Zwischenzeit extreme Sorgen bereitet hat, zu wechseln. Die mögliche Anzahl an Radlagern die es zur Auswahl gibt, erinnert jedoch eher an ein Puzzle für Lagerarbeiter, als an schnellen Wechsel auf der Piste. Das sich dieser technische Hindernisparcours jedoch gelohnt hat, erfahren wir schon gleich bei der Einfahrt in die Anden vor San Salvador de Jujuy. Im Nebelwald liegende, mit einzelnen Kühen gespickte, Haarnadelkurven geben uns einen Eindruck, auf das was uns bei der Durchfahrt des Altiplano erwarten wird. Ab und an machen wir uns bei der Einfahrt in die Anden und der rasch ansteigenden Höhe Gedanken über Mensch und Maschine. Selbsternannte Spezialisten bescheinigen uns bei Fahrtantritt, dass versagen der A/T in der Höhe, in welcher wir uns schon bald bewegen werden. Gedanken müssen wir uns jedoch um uns selber machen, als wir gelockt vom fantastischen Anblick der bunten Berge von Humahuaca, Opfer der Höhenkrankheit sind und keine Möglichkeit mehr sehen uns mit dem Motorrad in tiefere Regionen zu begeben. Aus dieser Erfahrung gelernt, werden Cocablätter, wie deren Verarbeitung zu Tee oder dem hier üblichen kauen dieser „Energieriegel“ zum Wegbegleiter bis zum Verlassen der Anden. So erlernen wir notgedrungen ein­en Teil der Kultur, der wirklich sehr bunten und farbenprächtigen Bevölkerung der Anden. Die bunten Tücher in welche die Frauen gehüllt sind, dienen nicht nur als Schmuck. Nicht selten wird mit ihnen der gesamte Hausstand transportiert oder die Kartoffelernte eingefahren.

Einfache Tankstelle auf dem Weg nach Machu-PichuImmer wieder vom raschen Wandel der Landschaft neu beeindruckt, schleppen wir uns bei nun mehr 3500 U/min mit 20 km/h ins Altiplano. Vorbei an riesigen Kakteenfeldern, weißen blendenden Salzseen mit schimmernden Flamigos, langen grünen Tälern, umfahren die ersten Lamas, die es sich auf der Piste gemütlich gemacht haben und lernen was es heißt, Serpentinen zu fahren auf denen uns Trucks mit lateinamerikanischer Bremsanlage entgegen kommen. Um oben auf dem Altiplano völlig trockene Orte zu finden, müssen wir auch nicht erst bis nach San Pedro de Atacama. Wir sind froh als wir eine Art Notunterkunft hinter einem Camp von Minenarbeitern mitten im Geröllfeld auf dem Weg nach San Pedro aufschlagen können. Die Angst vor dem erneuten Befall der Höhenkrankheit zwingt uns noch vor dem erreichen des Paso de Jama in einer kargen, steinigen Felswüste zwischen Dornensträuchern und Lamas zu übernachten.

Unklare VerkehrsführungGroße Gastfreundschaft gegenüber Fremden mit einem bunten Riesen-Motorrad entgegen zu bringen ist hier völlig selbstverständlich. Wobei un­ser Auftreten mit dem Kauen von Cocablättern und der typischen Beule in der Wange, so groß wie ein Golfball, uns wohl sympathisch erscheinen lässt. In der trockensten Wüste der Erde schlagen wir unser Camp im spektakulären Valle de Luna auf, um von dort mehrere Exkursionen in das von Mineralien bunt gespickte Umfeld zu unternehmen. Die große Freiheit mit dem eigenen Gefährt unterwegs zu sein, erlaubt es uns weit ab der touristischen Ziele einsame Gegenden mit landschaftlichen Highlights zu erkunden. Die Fahrt durch Salzseen, vorbei an Schwefel spuckenden Vulkanen auf der endlosen Piste zum Geysirfeld El Tatio gehört eindeutig dazu. Bei der Ankunft auf dem höchst gelegenen Geysirfeld der Welt, mit 4.300 m m.s.l., am Fuße des Vulkan El Tatio, können wir klar Fragezeichen in den Augen der Ranger erkennen, als wir mit dem Anliegen kommen, im Vorgarten der Rangerstation zu übernachten. Mit dem Hinweis auf extreme Kälte in der Nacht, bekommen wir mit einem ungläubigen Kopfschütteln ihr o.k. das Zelt aufstellen zu dürfen. Dass diese nicht die letzte Nacht, mit Tiefsttemperaturen weit unter dem Gefrierpunkt im Zelt sein wird, ahnen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Extrem spektakulär ist der Anblick des El Tatio mit dem dazugehörigen Geysirfeld bei Sonnenaufgang.

SalzseeWir sind weit über 4000 m m.s.l., die letzte Nacht hatte locker -17° Celsius und die A/T springt sofort an. Wir können unsere Reise fortsetzen. So zuverlässig sie auch ist, man muss bei dieser extremen Beanspruchung ein Augenmerk auf den technischen Zustand haben. Dass sich feine Risse in der Befestigung des Kettenschutzes ihren Weg gesucht haben, müssen wir leidlich erfahren, als wir es bei 60 km/h mit einem großen metallischen Knall auf der rotierenden Kette finden. So viel Glück wie wir mit dem Kettenschutz haben, haben wir leider nicht mit dem hinteren Stoßdämpfer. Durch die extreme Belastung des Untergrundes und der Dauerbeanspruchung bis zum Limit, hat er seine Verschleißgrenze erreicht. Dies führt leider dazu, dass sich der Auspuff in die Schwinge arbeitet. Auch das können wir lösen als wir zum großen Abenteuer mit Ziel Uyuni aufbrechen. Gut bepackt, mit Lebensmitteln für vier Tage und dem kostbaren Gut Treibstoff, bewegen wir uns nach Luft schnappend auf dem Altiplano in der Wüste Dali. Bei blauem Himmel und Cumuluswolken umkreisen wir unzählige, teils aktive, Vulkane. Da zwischen finden wir die wilde zerklüftete Landschaft der unglaublich farblich beeindruckenden Lagunen Verde, Blanca, Colorada und Hedionda, welche sich bei besten Licht präsentieren. Die unzähligen weiten, in prächtigen Farben schimmernden Schotterfelder, passieren wir mit der gesammelten Erfahrung aus dem Tiefland mit Bravour. Hier oben bei nun mehr 4.800 m m.s.l., in dieser menschenfeindlichen Umgebung, treffen wir auf zwei Radler deren Spuren wir schon mehrere Tagen folgen. Fußgänger finden wir jedoch keine. Ab und an zwingen uns die Gewalten der Natur dennoch die Strecke zu verlassen oder auf ein anderes Gefährt umzusteigen. Der größte Salzsee der Welt liegt zum Ende der Regenzeit ca. 15 cm unter Wasser. Da wir nicht vorhaben der einheimischen Kultur zu folgend unser Motorrad mit Altöl einzusprühen um über den See zu kommen, wechseln wir auf das gegen das Salz gut präparierte Gefährt. In einem extrem bunten, technisch bedenklich, Konservendosen ähnlichen Gefährt, passieren wir mit dem Gefühl über den Wolken zu sein den See. Durch den extrem hohen Salzgehalt im Wasser, regt sich bei der langsamen Fahrt kaum eine Welle. Der blaue Himmel, die wenigen Wolken, das beißende Licht und die Weite auf dem See geben einem das Gefühl zu fliegen. Das Ziel auf der anderen Seite, der kleine, touristisch absolut unerschlossene Ort Llica, Ankunft ungewiss.

PauseIn den Wolken bewegen wir uns jedoch bei der Überquerung einer der vielen Pässe nach Cochabamba. Auf dem Pass, in den Wolken angekommen, nimmt uns hier der Anblick der Piste abwärts in das bunte, von Quinua Feldern gezierte Tal die Luft zum Atmen. In wilden, engen, mit schnaufenden Trucks gesäumten Serpentinen, bewegen wir uns mit der Unterstützung der teils rasenden, teils schleichenden Trucks ins Tal. Auf dem Weg nach Cochabamba wird unser Vertrauen, auf die Signale der Trucker zu hören auf das stärkste strapaziert und so fallen wir nach Ankunft und der Überwindung des wahnsinnigen Stadtverkehrs völlig erschöpft ins Bett. Nicht immer erhalten wir im unübersichtlichen Gelände der Anden die für uns lebenswichtige Informationen vom Gegenverkehr. Von Glück im Unglück kann man daher nur sprechen, als wir in den bolivianischen Yungas nach dem Passieren der Deathroad, im Berg und nicht 900 m tiefer im Tal zu liegen kommen. Die Fahrt durch das Altiplano fordert immer wieder hohe Aufmerksamkeit für Fahrer wie auch für den Sozius. Da wir zu zweit auf der A/T unterwegs sind, sehen vier Augen einfach mehr. Dies gilt sowohl für brenzlige Situationen, als auch für extrem eindrucksvolle Momente in denen man die Freude über den Anblick der faszinierenden Landschaft sofort teilen kann. Geteilte Freude ist doppelte Freude. Bei der Fahrt zu zweit spielt das Vertrauen aufeinander eine unheimlich große Rolle. Ein falscher Kommentar oder eine unerwartete Reaktion können dazu führen, dass die Kontrolle über die A/T verloren geht.

Festgefahren auf dem Weg durch die Wüste nach ParacasAuch wenn wir auf dem Weg von Cusco nach Machu Pichu, fasziniert von den Bauwerken der Inkakultur, nach zwei Tagen immer noch sehr „tranquilo” unterwegs sind. Die Zeit liegt uns beim Verlassen des letzten Ortes und beim Einbiegen in einen unbefestigten Pfad im Nacken. Drei Stunden vor Einbruch der Dunkelheit, bewegen wir uns am Hang der Berge auf einer schmierigen, mit vielen Furten gesäumten, ca. 5 m breiten Piste auf der uns jeden Moment schwere Trucks oder Autos mit kindlichen Fahrern entgegen kommen können. Die Auskunft der Einheimischen zur Länge und zum Zustand der Piste beim Einbiegen in diese, ist seit zwei Tagen immer die gleiche. Gringo, in 5 km seit ihr da. Nach 10 km bereiten uns nicht nur die Dunkelheit und das Ankommen in Machu Pichu Sorgen. Die Halterung der Motorradboxen ist zum xten-Mal gebrochen und bereitet uns extreme Schwierigkeiten. Diese bekommen wir auch, als wir erfahren, dass wir die A/T vor dem letzten Stück zum Ziel, welches wir zu Fuß meistern, nirgends unterstellen können. Wir überlegen nicht lange, vertrauen auf unsere Künste ein knall buntes Motorrad im grünen Busch zu tarnen und lassen es versteckt in einem Graben zurück. So spektakulär wie die Durchquerung der Anden von Argentinien nach Peru, so spektakulär ist auch die Fahrt auf der berühmten Routa 26 hinab gen Nazca. Nach dem wir die letzte Nacht, umringt von Alpakas, in den von uns sehr lieb gewonnen Anden hinter uns gelassen haben, die A/T sich den letzten Pass hoch schleppt, liegt die Weite des Tieflandes von Westperu vor uns.

Die Wüste taucht ins Meer bei ParacaWüste, nichts als Wüste so weit das Auge reicht. Entlang der für uns eindrucksvollen Kulisse der kargen Landschaft und unzähligen Sanddünen, auf der sich wie ein Schlange windenden Piste, geht es hinab dem Pazifik entgegen. Immer im Blick, ist der extrem weiß ins Auge stechende Cerro Blanco. Die höchste Düne der Welt mit 2.070 m m.s.l. ist dennoch eher eine kleine Erhebung in den Ausläufern der Anden. In Nazca tauschen wir noch einmal das Gefährt. Aus luftiger Höhe schauen wir auf extrem spannende Scharrbilder aus einer Zeit von 800 bis 200 v. Chr. Die Nazca-Linien gehören eindeutigen zu einem der vielen, ich würde schon fast denken unzähligen, beeindruckenden Orte die wir auf unserer Reise mit der Africa Twin erleben durften. Das, was wir auf unserer Tour am wenigsten vermisst haben, holt uns nun auf dem Weg gen Lima beim Befahren der Panamericana schneller ein als gewünscht. Entspannt geht es auf dieser sich durch Amerika schlängelnden Route wahrlich nicht zu. Entspannt ist auch nicht der Versuch, die Panamericana durch die Benutzung eines Schleichweges durch die Wüste zu meiden. Bevor wir den Pazifik erreichen, müssen wir die sich bis zum Unterboden eingegrabene A/T aus dem Sand schaufeln.

Wir sind an unserem letzten großen Ziel angekommen, stehen auf der Isla de Paracas. Zu unseren Füßen, der azurblaue Pazifik. Ein merkwürdiges Gefühl, mit der Überraschung am Ende der Reise zu sein durchfährt uns. Nach 5 Monaten, 13.000 km, mit viel Gastfreundschaft und unzähligen Abenteuern sind wir am Ziel.

Teil 1 der Reise findet ihr <hier> und im bma 7/12 <hier> im Archiv.