aus bma 4/00

von Janina Kohring

Als Wüstenfans ansonsten eher Nordafrika-infiziert hieß es diesmal: kurzfristig entschieden, last-minute gebucht, das Ziel: Sri Lanka!
Die kleine, perlenförmige Insel liegt im Indischen Ozean und ist landschaftlich so abwechslungsreich wie kaum ein anderes Land auf so engem Raum. Sie weist neben Tropenwäldern, fruchtbaren Reisebenen, neblig feuchten Höhenzügen auch karge, wüstenähnliche Gebiete auf.
Nur ausgestattet mit Rucksäcken, stehen wir zu zweit in der riesigen Frankfurter Flughafenhalle. Sich in diesem gewaltigen Komplex zu verirren ist keine Kunst. Angelangt am richtigen Abfertigungsschalter heißt es, geduldig warten. Eine Stunde später sind wir an der Reihe. Zu früh gefreut. Typisch! Wie jede Reise beginnt auch diese erstmal mit einer kleinen Panne. Unsere reservierten, hinterlegten Tickets sind spurlos verschwunden. Mehrere Telefonate und eine aufwendige, langdauernde Suche beenden schließlich die Sorge. In letzter Minute findet der Angestellte sie wieder – falsch einsortiert unter Griechenland! Uns fällt ein Stein vom Herzen. Griechenland ist sicher auch interessant, aber wir wollen nach Sri Lanka.
Sri LankaNach einem anstrengenden zehnstündigen Flug mit Zwischenstopp in Sofia/Bulgarien landen wir in Colombo, der Hauptmetropole Sri Lankas. Der abrupte Wechsel vom kalten Deutschland in das feucht-tropische Monsunklima mit einer enormen Hitze von 35°C trifft uns wie ein Schlag.
Ein Bus bringt uns in einer noch einmal fünf Stunden dauernden Fahrt zu unserer vorläufigen Endstation ins 300 Kilometer entfernte Koggala – ein beschaulicher Ort an der Südküste. Da es keine Campingplätze auf der Insel gibt, dient ein Hotel als Ausgangspunkt für die geplanten Touren.
Geschlaucht von den Strapazen der Anreise gönnen wir uns erstmal Erholung am fast menschenleeren Strand. Aber schon am nächsten Tag packt uns das Reisefieber. Wir können es kaum mehr erwarten; auf zum Motorradverleih. Die Auswahl wird einem wirklich leicht gemacht. Bereit stehen Enduros: vier Yamaha XT und vier Honda XL, das höchste der Gefühle sind 250 Kubik, mehr ist hier generell nicht erlaubt. Der äußere Zustand aller Maschinen ist katastrophal: verschlissener Kettensatz, Bremsbeläge, Reifen, verbogene Lenker, Schalthebel, verzogener Lenkkopf, eierförmige Felgen usw.
Nach einigen Probeläufen fällt die Entscheidung: Jörg nimmt eine klapprige Honda, ich eine klapprige Yamaha. Die Funktionstüchtigkeit beider Motorräder ist fraglich.

 

Zum Kennenlernen von Kultur, Land und Leuten steht eine mehrtägige Rundfahrt auf dem Programm – markante Sehenswürdigkeiten inbegriffen. Wir wagen uns in das chaotische Verkehrsgewühl und fahren erstmal Richtung Süden. Es herrscht Linksverkehr. Äußerst gewöhnungsbedürftig.
Sri LankaMit den Enduros sind die Strecken trotz schlechter Straßenverhältnisse leicht und zügig zu bewältigen. Trotzdem muss man ständig auf der Hut sein. Tückische Fallen gibt es genug – tiefste Schlaglöcher, nicht gekennzeichnete Baustellen, Menschen, Tiere (insbesondere wilde Hunde), die wahllos den Weg queren und versperren und die unberechenbare, rasante Fahrweise der Einheimischen, die selbst noch in den heikelsten Situationen zum Überholen ansetzen, zwingen uns oft zu spektakulären Notbremsungen und Ausweichmanövern. Wir stellen bald fest, die beste Vorsorge ist leider Anpassung.
Erster Stopp: Buddha-Tempel. Eine gewaltige, beeindruckende, religiöse Stätte, die einlädt in eine andere Welt. Die vielen Mönche mit ihren leucht-orangen Gewändern und kahlgeschorenen Köpfen fallen sofort ins Auge. Besinnlichkeit, Disziplin, absolute Zufriedenheit und tiefster Glaube verleihen diesen weisen Menschen eine bezaubernde, unbeschreiblich positive Ausstrahlung, die einen nicht mehr loslässt. Ein Erlebnis der besonderen Art.
Nach 200 Kilometern erreichen wir den südöstlich gelegenen Bundala-Nationalpark. Diese Lagunen-, Sumpf- und Seenlandschaft ist Lebensraum einer vielfältigen, tropischen Klein- und Großtierwelt. Gleich in der Nähe stehen Camp-Bungalows zur Verfügung. Motorräder und Gepäck bleiben dort, und wir starten eine Exkursion per Jeep mit sach- und ortskundigem Führer. Die Pirschfahrt dauert gute drei Stunden und bietet trotz der vier Räder alles, was das Herz begehrt. Es geht querfeldein – über rote Lehmpisten, entlang schmaler Pfade, durch dichtbewachsene Dornbüsche. Immer wieder stoßen wir auf Seen und Wassertümpel. Zu bestaunen ist eine artenreiche Tier- und Pflanzenwelt: Krokodile, Affen, Leguane, Warane, Wasserbüffel, Schlangen. Das reinste Vogelparadies: Adler, Reiher, Eisvögel, Pelikane usw. Es zeigt sich sogar einer der seltenst zu beobachtenden Elefanten, die sich sonst im Dickicht verstecken.
Sri LankaDer weitaus größere Yala-Nationalpark ist derzeit geschlossen. Wegen der bürgerkriegsähnlichen Konflikte zwischen Singhalesen und Tamilen wird überhaupt von Besuchen der Ostküste abgeraten. Wir wollen kein Risiko eingehen und setzen die Reise auf den Zweirädern ins Landesinnere fort. Mehrere Stunden zieht sich die kurvige Strecke durch das faszinierende Bergland – geprägt von einer üppigen Vegetation, Wasserfällen, Höhlen; die Hänge bedeckt mit einem grünen Teppich voller wichtiger Kulturpflanzen wie Tee, Kautschuk, Kakao, Kaffee und Gewürzen. Das Klima ist hier angenehm mild, auf 2000 Höhenmetern sogar recht kühl.
Unübersehbar sind die unzähligen Teeplantagen. An keinem anderen Fleck der Erde hat Tee eine solch enorme Bedeutung, für die Wirtschaft ist er unersetzbar. Man sieht zig buntgekleidete Frauen mit Körben auf dem Rücken, die glänzend grüne Teeblätter pflücken. Ein Bild, das jedem in Erinnerung bleibt.
Im Oktober und November ist die Zwischenmonsun-Saison. Auf der ganzen Insel kommt es zu häufigen Regenschauern und Gewittern. Laufend werden wir überrascht und durchnässt. Aber genauso plötzlich wie der Regen beginnt, hört er auch wieder auf und die Sonne scheint wie zuvor. Die stickig schwüle Luft wird gereinigt, Blumen fangen an zu duften, Moskitos verschwinden. Gleichzeitig bilden sich auf Wegen und Straßen riesige Pfützen und ein fieser, schmieriger Film. Insbesondere mit dem Motorrad ist nun Vorsicht geboten. Mehr als einmal geraten wir in unkontrolliertes Rutschen und Schlingern – bisher jedoch ohne zu stürzen.
Am Fuße des Berglandes liegt die Stadt Kandy. Noch heute wird dort Kunst, Musik und Kultur gepflegt. Heute ist Vollmond, für die Menschen ein Feiertag zu Ehren Buddhas. Im legendären Zahntempel – hier liegt hinter gut verschlossenen Türen Buddhas Zahn, Zutritt haben allerdings nur Mönche – werden auch wir Zeugen einer jahrhundertealten, tiefst religiösen Zeremonie.
Noch ein traditionelles Ereignis lassen wir uns nicht entgehen – die Kandy-Dancer und -Trommler: pompöse Kostüme, akrobatische Bewegungen der Hände, Hüften und Schultern, die Köpfe beladen mit schweren, farbig bemalten Masken. Jeder Tanz hat eine spezielle Bedeutung, wie z.B. Anrufung schützender Geister oder Austreibung böser Dämonen. Eine sehr sehenswerte Vorstellung! Mit einer kleinen Pause zur Besichtigung einer Kräuterfarm bestreiten wir den Rückweg nach Koggala.
Angekommen im Hotel schließen wir uns spontan mit zwei anderen begeisterten Endurofahrern zusammen. Der Tatendrang lockt uns gemeinsam auf Erkundungstour – diesmal abseits der Hauptstraßen entlang kleiner, selten befahrener Wege. Eine Übersichtskarte hilft bei der Orientierung. Wie erwartet ist die Strecke einmalig. Wir fahren über kurvenreiche Pisten, bergauf, bergab, durch kaum besiedeltes Gebiet mit einer gigantischen Natur. Hin und wieder machen wir Rast in kleinen Dörfern. Die Menschen winken freundlich und schenken uns Obst. Jeder ist hilfsbereit bei der Suche nach dem rechten Weg. Von Aufdringlichkeit oder Abweisung keine Spur.
Wir folgen gerade einem aufgeschwemmten, schmierigen Lehmpfad am Rande der Teeplantagen. Plötzlich gehen Andy völlig unerwartet die Pferdchen durch. Wie von der Tarantel gestochen schießt er los, hängt uns regelrecht ab und taucht unter – im wahrsten Sinne des Wortes. Sein Verhängnis: ein misslungener Drift. Unfreiwillig landet er in einem äusserst tiefen, mit Wasser gefüllten Graben. Langsam nehmen wir die Fährte auf, knattern aber nichtsahnend an ihm vorüber. Als wir sein Schlupfloch endlich entdecken, stehen sowohl Fahrer als auch Maschine unbeschadet wieder auf festem Boden; und bei ihm drei Einheimische, die sich köstlich amüsieren. Schade, den filmreifen Stunt für „Bitte Lächeln” haben wir glatt verpasst. Und eine Wiederholung der Show lehnt er prompt ab. Zum Glück!
Sri LankaÜbermütig sausen wir weiter dahin. Selbst heftige Regengüsse halten uns nicht auf. Die abgefahrenen, profillosen Reifen und der gefährlich feuchte Untergrund sind längst vergessen. Von einer Sekunde auf die andere werde ich unsanft daran erinnert. Ich unterschätze eine scharfe Rechtskurve, schlage prompt auf die Seite und rutsche samt Motorrad mehrere Meter über den schotterigen Asphalt. Resultat: Defekte an der Maschine, zerrissene Kleidung und diverse, unangenehme Abschürfungen. Keine Frage, selbst Schuld. Das Motorrad wird behelfsmäßig repariert, die kleinen Wunden versorgt. So muss ich wohl oder übel die 100 Kilometer retour. Irgendwie klappt es, bis letztendlich noch die Kette reißt. Provisorisch flicken wir die Überreste und erreichen dann ziemlich geschafft erst bei Dunkelheit Koggala.
Mein Ausrutscher bedeutet notgedrungen eine Zwangspause. Als die Blessuren halbwegs kuriert sind, starten Jörg und ich motiviert auf ein Neues.
Sri LankaDer Tipp eines Insiders hat unsere Neugier geweckt. Ein abgelegenes, schwer zugängliches Regenwaldcamp. Es dient Studenten gelegentlich als Forschungsstation, ansonsten trifft man dort kaum eine Menschenseele. Die Beschaffung der Genehmigung kostet Nerven und einige Stunden. Meine geliehene Yamaha hat sich zwischenzeitlich in eine Honda gewandelt. Aber hier hat jedes Motorrad irgendeinen Haken. In diesem Fall hängt der Gasgriff; was soviel heißt wie rechts kräftig drehen. Schon nach drei Kilometern schmerzt die Hand. Ein Hinderungsgrund soll dies jedoch nicht sein.
Wir setzen die Fahrt fort, laut Tacho insgesamt 200 Kilometer. Der Einstieg in die Dschungelpiste ist fast erreicht. Ein winziger Laden kommt zwecks letzter Teepause recht gelegen. Der Besitzer kennt sich im Regenwald bestens aus. Auf den Bericht über unser Vorhaben antwortet er mit einer ausführlichen Wegerklärung, besorgtem Stirnrunzeln und einem gutgemeinten: „Be careful on the dirty road!” „No problem” beruhigen wir ihn zum Abschied. Die Übertreibung schlechthin.
Der erste Abschnitt bereitet uns zwar wirklich keine Probleme, aber schon bald geht es richtig ernst zur Sache. Damit hatten wir nicht gerechnet. Durchweg glitschiger, felsiger Untergrund, Steine oftmals groß wie Fußbälle, von ständigen Regenschauern ausgewaschene, teils metertiefe Furchen fordern alles an fahrerischem Geschick und Ausdauer. Die Strecke scheint einem Trial-Handbuch entsprungen. Scharfkantige Steinterrassen und enge, steile Kehren sind zu meistern. Meter für Meter kämpfen wir uns in Schrittgeschwindigkeit voran. Ein bedrohlich wirkender, breiter Fluss kreuzt unseren Weg, lässt sich jedoch einigermaßen zügig bezwingen. Kurz vor dem Ziel kann von Piste gar nicht mehr die Rede sein. Ein überwucherter, kaum erkennbarer Trampelpfad schlängelt sich durch das Urwalddickicht.
Sri LankaSchweißgebadet erblicken wir endlich in greifbarer Nähe das Camp. Nach insgesamt zwei Stunden und einer Strecke von nur 15 Kilometern. Belohnt werden wir mit einer unberührten, ursprünglichen Natur, einer einzigartigen Nacht inmitten des Regenwalds. Die Dunkelheit bricht herein, umhüllt von einer gewaltigen Geräuschkulisse. Sobald sich die Augen schließen, fällt man träumend in eine vergessene, weit entfernte Welt…..vor zig millionen Jahren.
Nur ungern verlassen wir diesen traumhaften Ort, aber die Zeit drängt. Der Rückweg geht ebenso anstrengend, dafür schneller vonstatten.
In Hambantota, einem malerischen Fischerdorf, lassen wir unsere dreiwöchige Sri Lanka-Reise langsam ausklingen – mit ausgiebigen Wanderungen in der umliegende, wunderschöne Gegend und mit phantastischen Sonnenuntergängen am einsamen Strand. Nur allzu rasch sitzen wir wieder im Flieger gen Deutschland und sind uns beide einig: Stimmt! Es muss nicht immer Afrika sein.

Reiseinfos:
Sri Lanka (Ceylon) liegt im Indischen Ozean. Die größte Nord-Süd-Ausdehnung beträgt 435 km, die Breite 225 km. Die Landschaft ist vielfältig: üppig-grüne Tropenwälder, neblig-feuchte Höhenzüge, palmengesäumte Traumstrände wechseln ab mit trockenen Savannen, das Bergland ist geprägt von unzähligen Teeplantagen. Die Groß- und Kleintierwelt ist ebenso exotisch wie artenreich. Traditionelle Kunst und Kultur wird sehr geschätzt und gepflegt. Beeindruckende Sehenswürdigkeiten gibt es auf der ganzen Insel: buddhistische Heiligtümer, alte Königsstädte, musikalische und tänzerische Darbietungen.
Sri Lanka lässt sich auf eigene Faust sehr gut erkunden – per Auto, Motorrad, Bus, Taxi, Bahn. Kleinere Entfernungen legt man am schnellsten und günstigsten im dreirädrigen Tuc-Tuc zurück. Die Preise der Mietfahrzeuge sind sehr unterschiedlich, es gibt Tages-, Wochen- und Monatstarife. Ein Motorrad kostet ca. 15 DM/Tag inklusive Versicherung. Als Nationalsprache sind singhalesisch, tamil und englisch gleichermaßen anerkannt, man kommt mit englisch überall bestens zurecht.
Tropisches Monsunklima mit Durchschnittstemperaturen zwischen 30 und 35 Grad (im Bergland ist es um einiges kälter), nachts kaum Abkühlung. Es herrscht hohe Luftfeuchtigkeit, nicht selten um 90%. Aufgrund des Monsuns gibt es eine trockene und eine nasse Saison – und zwar beides gleichzeitig auf den einander gegenüberliegenden Seiten der Insel. Die beste Reisezeit im Osten und Nordosten ist von März – November, im Westen und Südwesten von November – März. Zwischen Ende Januar und Mitte April ist die Niederschlagsrate auf der ganzen Insel recht gering. Auch während des Monsuns scheint täglich die Sonne, der Regen fällt meistens am Nachmittag und Abend.

Anreise:
Direktverbindungen: z.B. mit LTU ab Düsseldorf, Hamburg, München; mit Condor ab Frankfurt und München.
Ein- und Ausreise:
Man benötigt einen sechs Monate gültigen Reisepass. Ein Sichtvermerk bei der Zollkontrolle erlaubt den Aufenthalt von 30 Tagen. Er kann bis zu einem halben Jahr verlängert werden. Bei der Ausreise werden rund 500 Rupees (ca. 15 DM) fällig.

Unterkünfte:
Überall gibt es Unterkünfte in den unterschiedlichsten Kategorien – von einer einfachen Strandhütte bis zum Luxushotel.
Sehr zu empfehlen sind einfache Gästehäuser, Pensionen und Privatunterkünfte, oft billiger und schöner als teure Hotels. In vielen Orten gibt es aber auch gute Hotels zu günstigen Preisen.

Gesundheit/Impfungen:
Dringend anzuraten sind eine Typhus, Hepatitis A und evtl. B-Impfung. Standardimpfungen wie Tetanus/ Diphterie/Polio sollten auf jeden Fall vorhanden sein. Das Malaria-Risiko ist mittel. Wichtig ist eine frühzeitige Impfberatung bei einem Arzt. Leitungswasser sollte man generell meiden. Abgefülltes Mineral- und Tafelwasser gibt es überall zu kaufen.

Literatur/Karten:
Zu empfehlen ist der sehr umfassende Sri Lanka-Reiseführer aus der Reise Know-How Reihe von Rainer Krack. Außerdem: Apa Guides Sri Lanka RV Verlag, Sri Lanka/ Malediven Verlag Iwanowski usw. Als Übersichtskarte eignet sich die 1:450 000 vom Nelles-Verlag.

Auskünfte:
Fremdenverkehrsamt Sri Lanka, Allerheiligentor 2-4, 60311 Frankfurt, Tel.: 069/287734, Fax: 288216