aus bma 11/05

von Marcus Lacroix

Eisenreiten in PapenburgVon Oldenburg zum Hockenheimring sind es rund 60 Kilometer! Ja, ja, im Traum, wird der ortskundige Leser nun schmunzeln, der Hockenheimring ist immer noch über 500 Kilometer entfernt. Doch es ist wahr, so ungefähr zumindest.
Fährt man von Oldenburg nach Papenburg, kreuzt man zwischen Burlage und Aschendorf ein äußerst seltsam anmutendes Gelände. Zwei Brücken mit hohen Sichtschutzaufbauten bestückt, hohe, dicht bepflanzte Wälle und kräftige Zäune verwehren einem jeden Blick und den Zugang auf die dahinter liegende Fläche. Eine Zufahrt, gesichert wie eine Kasernenanlage, lässt Fans von Scully und Mulder dahinter ein emsländisches Area 51 vermuten.
Ganz falsch liegt man mit dieser Vermutung nicht. Hinter den Zäunen werden zwar keine Ufos versteckt (glauben wir zumindest) doch das, was sich auf dem Gelände von ATP – ausgeschrieben: Automotive-Testing-Papenburg – bewegt, ist mindestens ebenso geheim. Hier testet die Automobilindustrie. Sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag – Autos und Zubehör der nächsten Generation. Von der Akustikstrecke bis zur Verwindungsstrecke finden sich auf 870 ha eine Vielzahl verschiedener Teststrecken. Mit dabei ist auch ein Handlingkurs, und hier sind wir wieder in Hockenheim, denn dieser Handlingkurs ist ein Nachbau des alten kleinen Kurses von Hockenheim, einer Strecke, die sich auch bei Motorradfahrern großer Beliebtheit erfreute.

 

Warum wir über diese Autoteststrecken im bma berichten? Ganz einfach: erstmalig ist es einem Veranstalter von Motorrad-Trainings gelungen, den Handlingkurs für Motorradfahrer zu buchen. Die Firma Two-Wheels aus Senden konnte in diesem Jahr bereits drei Termine anbieten. Im kommenden Jahr sollen Motorradfahrer während der Saison an jedem 1. und 3. Wochenende des Monats in den Genuss des 2,6 Kilometer langen Papenburger Karussells kommen. Grund genug also, sich die Sache mal vor Ort anzuschauen.
Carsten Wagner von Two WheelsIm ersten Moment wirkte das Szenario ein wenig unwirklich. Bevor man das ATP-Gelände betreten darf, muss man an der Wache Kameras und Fotohandys abgeben und eine Geheimhaltungserklärung unterschreiben, der Genuss von Alkohol ist verboten, geraucht werden darf nur in freigegebenen Bereichen – so streng ist nicht einmal die Bundeswehr. Will man doch Fotografieren, muss man dies an der Wache anmelden und bekommt einen Sicherheitsbegleiter. Die Angst vor Werkspionage ist nicht unbegründet, wie uns ein ATP-Mitarbeiter später bestätigt. Fragt man im Fahrerlager herum, ist das Interesse der Motorradfahrer an den Versuchs-Dosen real indes denkbar gering. Es könnten sich aber ja Spione einschleichen…
Die von regulären Rennstrecken gewohnte Boxengasse fehlt bei ATP, das Fahrerlager verteilt sich auf den Parkplatzflächen rund um die Veranstaltungsleitung. Für die Teilnehmer stellt das kein Problem dar, denn Strom für Reifenwärmer und Kompressoren ist vorhanden, ein Catering-Bereich lädt zum Sitzen und Schnacken ein und bietet auf Wunsch ordentliche Verpflegung, Reifendienst und Teileservice sind wie gewohnt vor Ort. Lediglich übernachten darf man auf dem ATP-Gelände nicht, sondern muss mit Wohnmobil, Wohnwagen oder Zelt auf ein angrenzendes Sportgelände ausweichen – was soll’s, in L’Anneau du Rhin darf man das ja auch nicht. Anhänger, Transporter und Maschinen kann man über Nacht im Fahrerlager stehen lassen – sicherer steht das Material wohl nur in einer Strafvollzugsanstalt.
Und das Training? Two-Wheels bietet – wie andere Veranstalter auch – das Fahren in unterschiedlichen Leistungsgruppen an. In mehreren „Krabbelgruppen” können Teilnehmer, die noch nie auf dem Rundkurs waren, oder die einfach nur zügiges Kurvenfahren lernen wollen, sich von Instruktoren über die Ideallinie führen lassen. Wie wir selbst ausprobiert haben, kann man hier auch mit einer 27 PS Anfängermaschine schon sehr viel Spaß haben und gezielt an seinem Fahrstil feilen. Die Gruppe der Amateure vereint die Biker, die schon mal auf einer Rennstrecke unterwegs waren, oder die ihrem Eisen einfach mal ordentlich einheizen wollen. Bei den Profis trifft man auf ambitionierte Sportfahrer und auch schon mal auf Teilnehmer irgendwelcher Marken-Cups. Wer hier fährt, sollte recht zügig unterwegs sein.
Der Handlingkurs von ATP ist natürlich keine echte Rennstrecke. Das fällt als erstes durch die fehlenden Curbs (die gestreiften Randbereiche) auf. Damit die schnellen Leute ihre Bremspunkte besser einschätzen können, stehen Pylonen am Rand der Strecke. Das Kiesbett ist recht grob und auch die „Boxenausfahrt” nur durch Pylonen markiert. Dafür bietet der „kleine Kurs von Hockenheim” ein interessantes und gar nicht mal so einfach zu erlernendes Streckenlayout, auf dem man seiner Schräglagensucht herrlich nachkommen kann.
Wir freuen uns auf jeden Fall schon auf 2006, denn mit weniger Aufwand kommt man im Weser-Ems-Elbe-Raum nicht in den Genuss einer abgesperrter Rundstrecke diesen Kalibers. Wer nur ein Tagestraining bucht, könnte sogar auf der eigen Maschine anreisen. Vor Ort einfach die Spiegel abschrauben und die Beleuchtung mit Klebeband abdecken, dann kräftig am Kabel ziehen und abends schräglagenseelig nach Hause gondeln.
Für mehr Informationen empfehlen sich die Websites von Two-Wheels () und von ATP (www.atp-papenburg.com). Two-Wheels erreicht man telefonisch unter 02597/690695.