aus bma 10/99

von Gunter Dittmer

Das Ziel der Reise lag in Spanien an der Costa Blanca. In dem verträumten Ort Moreira hatten wir (sieben Erwachsene und zwei Kinder) ein wunderschönes Ferienhaus gemietet. Als einziger wählte ich die Anfahrt per Motorrad, die anderen nahmen den Flieger. In großer Vorfreude belud ich meine CX 500 C (Güllepumpe) mit allem, was man so braucht. Der Tankrucksack nahm mir fast die Sicht auf die Kontrollleuchten, aber egal.
Nach herzlichem Abschied von Frau, Kind und Hund nahm der tollkühne Pilot die Reise unter die Räder. Wie es so oft der Fall ist auf solchen Reisen, fing es natürlich an zu regnen. So steuerte ich tropfnass ein Hotel in Groß Gerau an, wo man mir sogar eine kostenlose Garage anbot, die ich natürlich dankend annahm.
Am nächsten Tag ging es frohen Mutes weiter Richtung Frankreich. Da ich noch jede Menge Zeit hatte, bog ich nach der deutsch-französischen Grenze von der Autobahn ab und fuhr bis Lyon auf der Landstraße weiter. Ohne auch nur einen Regentropfen abbekommen zu haben, suchte ich mir dort ein kleines Hotel, welches sogar über einen abschließbaren Innenhof verfügte. Wozu der gut war, merkte ich später, als ich einen Rundgang durch die Gemeinde machte: Es war wohl die finsterste Gegend von ganz Frankreich. Also schnell zurück in mein Domizil um einen kleinen Happen zu essen. Ich bestellte und bekam eine schöne Kalte Platte mit Brot, Wurst, Käse usw. serviert, die ich restlos verputzte. Danach bekam ich dann noch ein halbes Hähnchen mit Pommes serviert, und mir wurde klar, dass ich überhaupt kein französich kann.
Auf der Landstraße kam ich nicht so recht voran, also wieder rauf auf die Autobahn und… Stau. Aber als Moppedfahrer hat man ja Vorteile. Links vorbei, rechts vorbei – und Polizei. Ich reagierte prompt: links vorlassen, rechts vorlassen, und immer nur lächeln. Nach einer Stunde hatte ich wieder freie Fahrt.

 

Bei schönem Wetter und gutgelaunt erreichte ich Spanien. Da keine weitere Übernachtung geplant war, ließ ich es ganz gemütlich angehen. Gegen 3.00 Uhr nachts kam ich an unserem Ferienhaus an. Leider war es noch von den Vormietern bewohnt, also suchte ich mir ein Schlafplätzchen in Form zweier Gartenstühle vor einer nahegelegenen Kneipe. Keine zehn Minuten später kamen zwei Leute der Guardia Civil. Sie glaubten, einen besoffenen Motorradfahrer erwischt zu haben. Nach kurzem Palaver einigten wir uns darauf, dass ich doch wohl nüchtern sei, aber mein müdes Haupt lieber woanders hinlegen sollte. Leicht grollend bestieg ich wieder meinen Bock und… Schiet – es fing an zu regnen.
Ich kurvte flink durchs Dorf auf der Suche nach einem trockenen Platz, da sah ich im Scheinwerferlicht ein großes Haus mit vielen Torbögen. Es handelte sich um eine riesige leere Halle. Na also – Schwein gehabt. Mopped aufgebockt, Kopf auf den Tankrucksack und eingedruselt. Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Ein netter Spanier wollte mir wohl sein Herz ausschütten. Nee, wohl doch nicht, denn die Halle lebte. Überall waren Verkaufsstände, viele Menschen und es stank nach Fisch. Ich war in einer Fischverkaufshalle gelandet. Unter dem Gespött der Leute schob ich die Karre raus – mein Gott, wie peinlich. Optimistisch sah ich noch einmal nach dem Ferienhaus. Hurra, die Autos der Vormieter waren weg. Schnell die Sachen abschnallen und rein in die „Gute Stube”. Doch auch diese Ruhe wurde jäh gestört, es erschien die Putzkolonne. Anschließend wurde aber geschnarcht und geträumt bis die Sonne mich weckte.
Am späten Nachmittag trafen dann auch meine Familie und all die anderen mit ihren am Flughafen gemieteten Autos ein. Es begann ein herrlicher, unkomplizierter Urlaub.
Nach 14 Tagen Sommer, Sonne, Strand und Meer wurde die Güllepumpe wieder bepackt und für den Rückweg vorbereitet. Kaum war ich auf der Autobahn, war kein Wölkchen mehr am Himmel und die Sonne brannte dermaßen auf mein Haupt, dass mir in meiner Lederkombi der Schweiß bis an die A…backen lief. Der nächste Parkplatz wurde angefahren, fast alle Reißverschlüsse mehr oder weniger geöffnet und weiter ging die Fahrt. So ließ es sich aushalten – der Fahrtwind kühlt, die Gedanken schweifen, die Gülle pumpt und – AUA! Ein stechender Schmerz im linken Arm riß mich in die Realität zurück. Bloß nicht hektisch werden, rechts ran, Jacke aus und da war sie. Eine Wespe der gemeinsten Art hatte den Weg durch den geöffneten Reißverschluss gefunden und einen Mordanschlag auf mich verübt, aber sie hat es mit ihrem Leben bezahlt. Ich schloss alle Reißverschlüsse und fuhr weiter.
Mittlerweile war es Nacht geworden, ich war in Frankreich und sah in der Ferne vereinzelt Blitze zucken. Einer halbe Stunde später war ich mittendrin. Es war stockdunkel, Wind kam auf und es roch nach Regen. Kaum auf den nächsten Parkplatz angekommen, knallte es auch schon fürchterlich. Sofort ging das Licht aus, der Parkplatz und das Toilettengebäude lagen nun völlig im Dunkeln. Nun setzte auch vehement der Regen ein, und ich schob mein Mopped rückwärts ins Toilettengebäude. Dort traf ich einen französischen Biker, der auch nicht nass werden wollte. Nachdem wir uns lange und ausgiebig unterhalten hatten (er sprach genauso gut deutsch wie ich französisch), wurde der Regen weniger und er setzte seine Fahrt fort.
Während ich mir meine Regenkombi überzog, fuhr ein PKW auf den Parkplatz und hielt dicht neben dem Toilettengebäude. Zwei Damen kamen in der stockfinsteren Nacht auf mich zu. Ich dachte nur: „Mach‘ irgendwas, sonst bekommen die einen Schreck fürs Leben”. Das Licht meines Bikes erhellte die Szene und ich fragte, ob sie meine Taschenlampe haben wollten. Ich werde bis heute das Gefühl nicht los, dass ich tatsächlich gehört habe, wie zwei Klößchen in die Hosen rauschten. Die Damen nahmen trotzdem dankbar meine Taschenlampe an.
Ich setzte meine nächtliche Fahrt durchs regnerische Frankreich fort und kam in den frühen Morgenstunden mit viel Regen und fast leerem Tank an der deutschen Grenze an. Inzwischen war das kühle Nass trotz Regen- und Lederkombi schon in der Unterwäsche und in den Stiefeln, im Grunde höchste Zeit für ein warmes Hotelzimmer. Doch so kurz vor zu Hause (650 km) wollte ich nur noch weiter.
An einer Tankstelle in der Nähe von Kassel stellte ich fest, daß ich mich eingesaut hatte: mein rechtes Bein war voller Öl. Die ersten Gedanken gingen in Richtung ADAC, Werkstatt, Ersatzteillager – und dann Schrottpresse. Zum Glück war nur die Dichtung von der Gehäuseentlüftung undicht. Öl hatte ich natürlich an Bord, und so wurde noch rund ein halber Liter des schwarzen Goldes gleichmäßig auf die Autobahn verteilt.
Gegen 15 Uhr erreichte ich mit viel Sonne im Herzen und immer noch bei strömendem Regen mein Zuhause und schloss meine Familie, die mit dem Flieger natürlich schneller gewesen war, glücklich in die Arme.