aus bma 09/06

von Jürgen Priemer

Spanien - Marbella Aus dem Arsenal der Leihmaschinen habe ich die „Transalp 600” gewählt: Die Richtige für die kleinen Nebenstrecken im Gebirge! Im Vergleich zu einem Mietwagen ein teures Vergnügen bei 1000 Euro Vollkasko-Selbstbeteiligung und auch äußerlich eher nachteilig: Beide Rückspiegel mit Bruchstellen und auch sonst hier und da ein Kratzer oder eine Beule. Die „Shadow 600” und die „ST 1100 Pan European” hätten zwar eine bessere Optik, aber wären nicht wirklich passend für die angepeilte Strecke. Also bleibt nur sich darauf einzulassen, oder es sein zu lassen. Hoffen wir mal, daß die Maschine zumindest technisch okay ist.
Von Marbella lasse ich mich zunächst im Vormittagsverkehr gemächlich westwärts treiben. Im unteren Geschwindigkeitsbereich macht sich eine Unwucht im Vorderrad unangenehm bemerkbar. Aber deswegen umkehren? Lieber etwas schneller fahren, dann geht’s. Abfahrt Richtung Ronda, der Wiege des Stierkampfs und mindestens einen Tagesausflug wert (also nichts für heute). Eine gut ausgebaute Straße, aber eher langweilig, wenn man sie schon mal mit dem Auto kennen gelernt hat. Direkt vor mir ein dösiger Leihwagenfahrer – erkennbar am Kenzeichen -, der einmal fast in den Gegenverkehr lenkt. Als ob ich es geahnt hätte: Beim Überholen schwenkt er plötzlich ohne Blinker selbst nach links aus. Auf der nächsten Geraden lasse ich ihn lieber schnell hinter mir.

 

Nach einer halben Stunde geht’s dann endlich runter auf die Nebenstrecke. Eine schroffe Felswand, in die ein schmales Sträßchen gefräst zu sein scheint, zum Teil nur breit genug für ein Fahrzeug. Es kribbelt etwas unter den Fußsohlen. Der Blick ins Tal ist da schon erfreulicher – das „weiße Dorf” Parauta. Die Straße wird breiter und besser. Das nächste „weiße Dorf” Cartajima beginnt mit dem Ende: Dem ebenfalls weiß gemauerten Friedhof. Es ist auf einem Hügel seitlich der Straße erbaut und führt in eine Sackgasse. Die Bewölkung lockert allmählich auf. Die Sonne ist ein besserer Kontrast zu den schneebedeckten Eineinhalb- bis Zweitausendergipfeln der Serrania de Ronda im Hintergrund. Ein eher seltener Anblick hier im kältesten Frühlingsanfang seit Jahrzehnten und Anlaß für manchen Einheimischen, sich Schneeplacken vor die Windschutzscheibe zu pappen oder gar den Kühler mit einem Minischneemann zu verzieren.
Spanien - Marbella Eine ruhige, sonnige Kehre lädt zu einer Rast ein. Eine halbe Stunde lang kein einziges Fahrzeug! In der Schlucht rauscht ein Flüßchen Richtung Rio Guadiaro. Zur anderen Seite führt ein Trampelpfad in die Höhe. Beim Öffnen des Top-Case fällt mir das Schloß entgegen.
Auf einer gut ausgebauten Straße höherer Ordnung geht es kurz wieder in Richtung Süden. Fast verpasse ich in einer Baustelle die Abfahrt nach Jimera de Libar. Es wird wieder ruhig auf der Strecke. Im kleinen weißen Dorf sitzen alte Männer in der Sonne an der Straße und grüßen. Unvermutet tauchen nach Einöden und Steinwüsten immer wieder kultivierte Berghänge und Hügel mit Olivenhainen auf. Rauchfahnen von brennendem Geäst steigen hier und da auf, und der Duft von Holzfeuer zieht aromatisch in die Nase. Als nächstes lasse ich die Cueva de la Pileta links liegen. Eine Stunde mindestens wäre nötig für eine Füh-rung in diese Höhle mit prähistorischen Felszeichnungen. Vielleicht ein andermal. Jetzt ist Bergwelt angesagt.
Der Mirador (Aussichtspunkt) mit Blick in die Schlucht des Rio Guadiaro. Eine Info-Tafel weist auf eine hier lebende Geierart hin, die sich aber nicht blicken läßt. Nach einem kurzen Stück auf der Hauptstraße Ronda – Algondonales biege ich ab auf eine wunderbare Nebenstrecke. Auf einem kleinen Bauerhof steht eine Ziege auf dem Rücken eines geduldigen Esels, als wollte sie die „Bremer Stadtmusikanten” nachstellen. Ich nähere mich langsam meinem Zielpunkt Zahara de la Sierra. Vorher geht es auf einer Hügelebene an einem türkisfarbenen Stausee entlang, bis auf einem Felsen eine maurische Festung erkennbar wird. Das weiße Dorf schmiegt sich mit seinem Friedhof an die Hänge des Felsens. Eine Parkbank in der Sonne mit Panoramablick auf den Stausee ist ein guter Anlaß für ein Pausensnack.
Leih-Transalp Weiter geht es in Serpentinen aufwärts in Richtung Grazalema. Zahara und der Stausee lassen sich jetzt von Kurve zu Kurve immer atemberaubender aus der Vogelperspektive betrachten. Die Hügel um den Stausee haben mit Olivenbaumreihen eine afrikanisch anmutende Frisur verpaßt bekommen. Vom Bergpass Puerto de las Palomas kann man schließlich in Ost- und Westrichtung in die Talebenen und auf die nächsten Gipfel schauen. Hier muß ich noch auf Schneereste achten, um nicht auszugleiten. Trotzdem ist es warm genug, um mich meines Pullovers zu entledigen.
Auf der einsamen Weiterfahrt geht es durch Korkeichenwälder und an einem grüßenden Schafhirten vorbei. Die Straße wechselt in unterschiedliche Zustände, aber die Federgabel der „Transalp” steckt diverse Schlaglöcher klaglos weg. Langsam bedeckt sich die Sonne und ein kühler Wind kommt auf. Über Ubrique mit seltsam vielen Spaziergängern auf der Straße komme ich nach Cortes de la Frontera. Bald muß ich mich für die Hauptstraße Richtung Küste nach Manilva oder die Nebenstrecke nach Estepona entscheiden und wähle letztere über den 1000er-Pass Puerto de Penas Blanca. Fast bereue ich es schon, denn in endlosen Serpentinen schraubt sich die Straße auf und ab. Wenn ich denke, hinter dem nächsten Bergrücken ist endlich das Meer in Sicht, kommt stattdessen eine neue Schlucht und der nächste Bergrücken. Die Hände werden klamm und langsam gefühllos. Ich verfalle in Trübsinn und folge mit Abstand stur einem sportlichen fahrenden Leihwagenchauffeur.
Irgendwann ist dann aber doch der Pass erreicht und die Sicht auf die Küste frei. Erleichterung! Nun überhole ich und genieße noch einmal in vollen Zügen auf einer erstaunlich gut ausgebauten Strecke das Kurven in den Serpentinen – schwebe gleichsam dem Meer entgegen. Das ist Fahrspaß pur. Es wird mir wieder wärmer ums Herz und in den Händen. In Estepona reihe ich mich in den Abendverkehr ein, und es geht parallel zur Küste in Richtung Marbella. Der Motorradmann will gleich morgen einen neuen Pneu auf das Vorderrad ziehen, sagt er.