aus bma 06/00
von Katherin Pahnke
Es gibt bekanntlich diverse Möglichkeiten, in das Urlaubsland seiner Wahl zu gelangen. Ich wählte die bequemste, wenn auch teuerste: die Bahn (…kann immer!) Kurz nach Weihnachten begab ich mich zum DB-Schalter und buchte eine einfache Fahrt nach Narbonne für Ostersonntag 1999. (Wer weiß schon, wie das Osterwetter in Deutschland ist…) Kosten: 506 DM. Dieses war der erste Streich, der zweite war ein Grundkursus der spanischen Sprache. Wer da denkt, die Spanier können allesamt englisch oder deutsch, der irrt. Wenn die Reise nicht nur durch die überlaufenen Touri-Orte gehen soll, sind einige Grundkenntnisse recht hilfreich. Und sei es, dass man die Straßen- und Hinweisschilder lesen kann.
Das Osterwetter war ja vom Feinsten!?! Und so wurde meine „Oma” bei strahlendem Sonnenschein mit drei anderen Maschinen in Hamburg-Altona aufgeladen – und los ging’s. Das Abteil war anfangs mit einem anderen Motorradfahrer und einem Ehepaar belegt. Die älteren Herrschaften waren jedoch irgendwie nicht so sehr von der Ehrlichkeit der „Rocker” überzeugt. Ab Hannover hatten sie ihr eigenes Abteil („weil Vati so doll hustet…”). Uns war’s nur recht, denn so kamen wir ausgeschlafen (und pünktlich) in Narbonne an.
Auch hier schien die Sonne. Auf nach Spanien – über die Nationalstraße nach Perpignan und weiter in Richtung Figueres. An der Grenze etwas Stopp and Go, aber keine direkte Kontrolle. Und dann war ich in Katalonien. Die meisten Hinweisschilder waren in catalun geschrieben – ich zweifelte schon an meinen Sprachkenntnissen. Um die erste Jugendherberge in Cabrera del Mar zu finden, musste ich bei einer Tankstelle nachfragen.
Das Haus liegt oberhalb der Ortschaft auf einer Anhöhe – mit Blick auf die Costa Brava.
Am nächsten Morgen gab es das erste spanische Frühstück. Dieses besteht in der Regel aus einem ge-toasteten Weißbrot und Madelaines bzw. anderen Kuchenteilchen. Die Toast-Maschinen sind sehenswert: durch einen Heizwendekasten läuft per Zahnradantrieb ein Backrostband, auf das an der Küchenseite die Weißbrotscheiben oder Baguettes eingelegt werden. Hat man Glück, so fallen sie auf der anderen Seite leicht geröstet auf ein bereitgestelltes Tablett, anderenfalls als Briketts auf den Fußboden…
Über den heiligen Berg Montserrat fuhr ich am folgenden Tag weiter und erreichte am Abend das Ebrodelta, wo der Reis wächst. Der nächste Morgen begrüßte mich mit einem bleiernen Himmel. Unheil ahnend fuhr ich noch zur Flussmündung. Auf dem Rückweg zur N 340 wurde der Sturm immer stärker, so dass ich mich entschloss, die Fahrt bis auf weiteres einzustellen. Circa 1,5 Stunden später war der Spuk vorbei, mein Moped vom aufgewirbelten Staub eingepudert und ich nur leicht genervt. Immerhin hatte ich dafür kostenlos die Überflutung der Reisfelder beobachtet.
Vorbei an Orangenplantagen und verbrannten Wäldern ging die Fahrt gen Valencia. Feierabendverkehr – fünfspurig in den Kreisel, da kommt Freude auf. Wenn man den Bogen raus hat, macht es sogar Spaß. Allerdings sollte man ein gutes Ortsgedächtnis besitzen und in der Lage sein, nach dem Stand der Sonne zu fahren. Denn wenn die Spanier eines nicht haben, dann ist es eine ausreichende, durchgehende Beschilderung. Dieses gilt sowohl inner- als auch außerorts. Gute Straßenkarten gibt es von Michelin; in Spanien preisgünstig in allen größeren supermercados zu erwerben. Das Tankstellen-Netz ist recht engmaschig geknüpft, doch dort gibt es selten touristische Gimmicks zu kaufen.
Von Piles aus startete ich dann die erste Route abseits der stark befahrenen N 340. Ja, das isses doch: kleine, kurvige Straßen in desolatem Zustand – Enduro-Spaß pur. Hätte ich eventuell doch die Domina satteln sollen? Unterwegs traf ich auf drei ältere BMW-Fahrer aus Heidelberg. Sie luden mich zu einem cafe con leche ein. Was, ganz alleine, als Frau? Ja und? Was soll mir denn schon passieren. Das Moped hat 200 tkm runter, und ich bin nicht Claudia Sch.
Nach unendlicher Suche und Nachfrage auf einer Tankstelle fand ich die vermeintliche Jugendherberge in Murcia. „Nein, wir nehmen keine Gäste auf.” Ein Officer-Typ mit Handschellen am Gürtel bewachte eine Schar dreckiger Rotznasen. Also weiter nach Cartagena – eine typische Stadt: dreckig, laut und ohne Beschilderung. Ein Hotel nahm mich für 5500 pts auf. Zum Glück gab es einen abgeschlossenen Parkplatz für das Moped.
Am nächsten Morgen kam die Sonne nur schwer durch die Dunstglocke über der Stadt. So schnell wie möglich packte ich auf und ließ diesen wunderschönen Ort hinter mir. Nächstes Ziel war ein Frühstücksplatz unter Palmen am Meer. Eine kleine Entschädigung für die letzte Nacht.
Am Nachmittag erreichte ich die Herberge in Aquadulce bei Almeria. Die Bungalows sind tagsüber „beheizt” und nachts von Ameisen stark frequentiert (20 fand ich am Morgen in meinem Bett). Trotzdem ist es ein guter Ausganspunkt für einige Touren. Es sei denn, dass die Policia mal wieder eine der einsamen Kreuzungen belagert und die Leute zum Halten nötigt. Ich kam mir vor wie im Film, als ich mich mittels Reisepass legitimieren musste. Der eine Macho blätterte diesen von vorne bis hinten durch, besah sich die Stempel und kam zu der Frage: „Alemana?” Währenddessen stand der zweite breitbeinig mitten auf der Kreuzung. Ein Königreich für einen langen Stock…
Als nächste Station war Viznar ausgeguckt. Im Nordosten von Granada erklimmt man einen kleinen Berg um zur Herberge zu gelangen. Von dort hat man einen phantastischen Blick auf die Großstadt und die Sierra Nevada, derzeit noch teilweise mit Schnee bedeckt. Die höchste Landstraße Europas führt nach oben, den Berggipfel erreicht man aber nur auf Schusters Rappen. Endpunkt der Straße: 2.500 m über NN.
Die Alhambra-Festung in Granada ist ebenso sehenswert, aber nur an normalen Arbeitstagen zu empfehlen. Denn am Sonntag ist ganz Spanien unterwegs. Circa 100 Leute drängen sich an der einzigen Kasse – bei 30°C im Schatten, wenn man diesen denn erwischt. Ebenso erfreuen sich private Radrennen einer großen Beliebtheit. Auf den kurvenreichen Bergstrecken trifft man nicht selten auf Pulks von bis zu 30 Fahrern. Daher sollte man am Wochenende die Beine baumeln lassen oder am Strand beim Capo de Gata liegen. Der feine, weiße Sandstreifen beginnt gleich neben der Fahrbahn (kaum Verkehr, da Sackgasse), das Moped ist in Sichtweite. Solch eine Gelegenheit bietet sich nicht allzu oft; die meisten Strände liegen „unterhalb” der Straße, einige sind nur gegen Gebühr zu betreten.
Die Gegend im Südostzipfel von Spanien ist landschaftlich sehr reizvoll und abwechslungsreich. Das Bild wird aber dauerhaft durch die Müllfluten am Straßenrand bzw. an den Abhängen getrübt. Ganze Sperrmüllladungen zieren die Ban-kette, zeitweise liegen Autowracks eine Etage tiefer – im ausgetrockneten Flussbett. Doch manchmal findet man auch Oasen der Ruhe am Wegesrand…
Die Weiterfahrt gen Costa del Sol gestaltete sich schwierig. Der Wind war kalt und heftig, die Straßen nur teilweise für Geschwindigkeiten jenseits der 70 km/h geeignet. Der Tag wurde von der schlechtesten Wegstrecke des Landes gekrönt. Die Schwarzdecke fiel durch abschnittsweise gänzliche Unanwesenheit auf. „Carreterra en muy mal estrada”, hieß das lapidar.
Weiter ging es am nächsten Tag nach Algeciras, vis-a-vis von Gibraltar. Dort kann man hinfahren, man muss es aber nicht. Ellenlange Staus bei der Ein- und Ausreise – and all is very british. Nicht einmal der Big Ben fehlt (hier in Miniaturausgabe). Dann lieber am Strand von Tarifa sitzen und die Surfer beobachten oder nach Cadiz fahren. Natürlich sollte man Jerez de la Frontera nicht vergessen. Die Firma Sandeman veranstaltet täglich Führungen durch die Sherry-Fabrik – mit Probeschluck. Für Pferde-Begeisterte sei die in unmittelbarer Nachbarschaft gelegene „Echte Spanische Hofreitschule” erwähnt. Eintrittskarten gibt’s für 2.000 bis 3.000 pts. Die Gegend um Jerez ist sehr fruchtbar und grün, man fühlt sich fast heimisch.
Auf der Fahrt Richtung Portugal hatte ich bei Sevilla zum ersten Mal erhöhte Luftfeuchtigkeit. Leichter Nieselregen verwandelte die Fahr- in eine Rutschbahn. Doch auch Portugal schlug zwei Tage später mit Blitz und Donner zu. Am Abend zuvor hatte ich noch ein motorradfahrendes Paar aus Bayern getroffen. Die beiden waren über Galizien bis Lagos fast nur bei schlechtem Wetter gefahren. Noch bevor die dunkle Wolkenwand mich erreicht hatte, wendete ich wieder gen Andalucia. In Muguer fand ich eine Pension für 1.500 pts pro Nacht. Dafür gab es ein kleines, sauberes Zimmer mit Dusche und TV – und nachts ein „Pferd auf’m Flur”. Auch in der zweiten Nacht bekam ich keine Ruhe – eine Hochzeitsfeier sorgte für Unterhaltung.In Constantina erwartete mich eine nagelneue, blitzsaubere Herberge. Im häuslichen Bereich sind die Leute sehr reinlich. Das geht so weit, dass auch die Bürgersteige gefeudelt werden. Allerdings fegen die meisten vorher nicht den Dreck zusammen. Don Limpio (der spanische „Meister Propper”) wird’s schon schaffen… Leider gehören die Herbergen zu den Kommunen, das heißt wenn die Angestellten keine Lust haben, gibt es kein Frühstück, obwohl Schilder mit Essenszeiten aushängen, oder man wird einfach nicht aufgenommen. In Ciudad Real fand ich eine Herberge der besonderen Art: eine Villa Kunterbunt mit Pferden, Schafen, Gänsen, Hunden, Pfauen und drei Straußen! Eigentlich ist es wohl mehr eine Ferienschule für Kinder, die den Umgang mit der Natur lernen wollen. Weiter ging es in Richtung Cuenca. Heute bewies das Wetter seine Vielfältigkeit: für 90 Minuten bekam ich Gewitter mit Hagel und Sturzregen. Man ist überwältigt! In Huete flüchtete ich unter ein Schleppdach und wartete das Ende der Sintflut ab. Das Dorf war wie ausgestorben. Die Herberge befindet sich im 10 km entfernten Caracenilla, einem Dorf mit circa 100 Einwohnern. Triefnass fiel ich dort ein. Drei Generationen Frauen saßen am Tisch und schauten mich an wie einen Alien. Sie konnten es nicht fassen, dass ich aus Deutschland kam, alleine, im Regen und in diese Herberge. Ich war der einzige Gast umd wurde herzlich aufgenommen. Und als ich abgepackt hatte, lugte hinter den Wolken die Sonne hervor, na also.
Am nächsten Morgen pieselte es natürlich wieder. Der Sohn der Herbergsmutter war erschüttert, als ich mich zur Abfahrt bereit machte. Kein Mensch geht bei Regen freiwillig raus und fährt erst recht nicht mit dem Moped… Doch als ich abfuhr, schien die Sonne. Fünf Kilometer weiter hatte der Regen mich allerdings wieder eingeholt. So habe ich dann leider weder Cuenca mit seinen Häusern im Fels noch die ciudad encantada gesehen; dafür aber wunderschöne Sandsteinformationen entlang der Straße. Der Tag endete in Benicarlo an der Costa Daurata. Dank eines freundlichen Tankstellenpächters fand ich auch die dortige Herberge – er geleitete mich mit seinem Audi 100 durch die halbe Stadt. Am folgenden Tag sah ich dann noch einmal die jetzt komplett überfluteten Reisfelder. Sie wirkten in der Sonne wie überdimensionale Spiegel. In Orlot, südlich der Pyrenäen gelegen, verbrachte ich noch zwei Nächte. Am zweiten Tag war Dorffest; ab 18 Uhr ging das Treiben richtig los – auf einem Markt, der alles zu bieten hat. Der Hamburger Fischmarkt ist nichts dagegen. Es waren Klamotten- und Schuhhändler, Autozubehörverkäufer und andere Individuen unterwegs, um den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen. Ansonsten hat der Ort mehrere Vulkanhügel sowie eine Stierkampfarena zu bieten. Dort sah ich dann auch den ersten und letzten Stierkampf meines Lebens. Die 8.000 km-Tour endete da, wo sie begann: in Frankreich. Diesmal allerdings bei „Les Olivettes” in St. Dézéry mit der Bitte um körperlichen und seelischen Wiederaufbau. Sylvia, Karl-Heinz und Erwin sei hiermit nochmals mein Dank ausgedrückt.
Fazit:
Wer gerne die Offroad-Tauglichkeit seines Motorrades testen und dieses mit einem kostengünstigen Urlaub bei meist sonnigem Wetter verbinden will, der ist mit der iberischen Halbinsel bestens bedient. Eine weitere Qualifikation wäre Ignoranz gegenüber Umweltbelangen jeglicher Art. Die Spanier selbst sind nette Leute, hilfsbereit umd lustig. Nur bei alleinreisenden Weibsbildern fühlen sie sich zeitweise überfordert – das gehört sich einfach nicht…
—
Kommentare