Back to the Roo… ähh … Basics

aus Kradblatt 4/25 von Marcus Lacroix

Meine rote BMW R 80 GS - da hängen viele Erinnerungen dran
Meine rote BMW R 80 GS – da hängen viele Erinnerungen dran

Wenn ihr bereits lange Motorrad fahrt, habt ihr sicherlich schon einige Maschinen besessen und so einige mehr ausprobiert. Bei mir waren es seit Oktober 1986 inzwischen 43 eigene und ungezählte Probefahrt- und Testmaschinen. Unter all den unterschiedlichen Motorrädern ist eine Maschine, mit der ich mehr verbinde als mit allen anderen: eine rote BMW R 80 GS, Bj. 1988, das erste GS-Modell mit der Paralever-Hinterradschwinge. Sie war mein drittes Motorrad und das erste, das ich nagelneu beim Händler kaufte.

TrpÜbPlz Wildeshausen - diese Erinnerung war lehrreich (und teuer)
TrpÜbPlz Wildeshausen – diese Erinnerung war lehrreich (und teuer)

Im März 1988 holte ich sie bei der BMW-Niederlassung in Bremen ab. Damals war ich 20 Jahre alt und BMW hatte immer noch ein etwas angestaubtes Image. Hätte der damals noch recht junge Verkäufer Ramin Maleki – der übrigens jüngst in den Ruhestand gegangen ist – an dem Tag nicht zufällig Zeit gehabt, mir mit verkäuferischer Leidenschaft die Maschine und die Marke schmackhaft zu machen (inkl. ausführlicher Betriebsführung), ich wäre wohl bei Honda geblieben, denn keiner meiner Freunde fuhr damals BMW. Heikos 650er Afrika Twin oder Jörgs 650er NX Dominator waren eigentlich viel cooler als der Boxer und selbst Peters XT 500 hatte damals schon Flair. Egal – meine Bank gab mir das OK und ich habe die 12.077 DM voll finanziert. Das waren etliche Monatsgehälter, aber was soll’s – nach mir die Sintflut, ich war jung … 

Winter im Harz - irgendwann in den 1990er Jahren mit Jörg und seiner 650er Domina
Winter im Harz – irgendwann in den 1990er Jahren mit Jörg und seiner 650er Domina

Mit der roten GS habe ich in 5 Jahren und 9 Monaten dann genau 128.909 km gefahren. Nebenbei hatte ich immer schon weitere Motorräder, die GS war mir aber die Liebste. Mit ihr war ich das erste Mal in meinem Leben in den Alpen und das erste Mal am Mittelmeer. Zweimal durfte Hans Helms (VH) nach Unfällen den Rahmen richten und auch ansonsten musste sie einiges einstecken. Sie bekam mal eine Wüdo-Lampenmaske und mal einen originalen Paris-Dakar Kit, den ich später separat wieder verkaufte. Alukoffer waren obligatorisch und geschraubt wurde natürlich auch selbst – zumindest nachdem ich in der BMW-Niederlassung nach einem Inspektionsauftrag mit ein paar Zusatzarbeiten mal trocken schluckend fragte: „Darf ich auch mit EC-Karte bezahlen?“ 

BMW-Werbung für die R 80 GS Basic
BMW-Werbung für die R 80 GS Basic

Mit wild zusammengewürfeltem Lacksatz, aber technisch i.O. wechselte sie später für 5.500 DM den Besitzer und es folgte die damals brandneu angekündigte R 1100 GS, die ich bei Ramin blind bestellte – aber das ist eine andere Geschichte. Viele Motorräder kamen und gingen, meine rote BMW R 80 GS hatte aber immer einen Platz in meinem Herzen. 

Wenn man älter wird, ist das mit den Erinnerungen dann aber ja so eine Sache – sehr viele davon verklären sich bis hin zum Mythos. Es entsteht ein Kult um Dinge, die rein sachlich betrachtet eigentlich nichts Besonderes sind. Aber was hat Motorradfahren schon mit Sachlichkeit zu tun?

30 Jahre nachdem ich meine BMW verkauft hatte, schielte ich immer wieder mal nach einer alten Paralever-GS. Mittlerweile hatten bzw. haben die Preise für 2-Ventil-Boxer ein echt abgehobenes Niveau erreicht. Ich denke, das liegt daran, dass speziell bei uns damals noch jungen, inzwischen aber ja doch etwas älteren Männern die Lebensuhr ihren Zenit überschritten hat und die Einschläge merklich näher kommen. Der Café Racer- und Custom-Boom trägt seinen Teil zur Preisentwicklung bei. Träume erfüllen? Wenn nicht jetzt, wann dann?! „YOLO“, sagen jüngere Semester wohl dazu.

YOLO - you only live once. Also gönnt euch mal was …
YOLO – you only live once. Also gönnt euch mal was …

Im Sommer 2022 gab ich eine Kleinanzeige bei uns im KRADblatt auf, die lautete in etwa: „Suche BMW R 80/100 GS Bj. 88–90 in Rot oder Blau-Weiß bis 5.000 € …“

Der BMW Tacho beschlägt auch heute noch
Der BMW Tacho beschlägt auch heute noch

Fünf Euro-Riesen für eine alte GS sind dabei übrigens eher in der Region „Schnäppchen“ angesiedelt und Blau-Weiß, weil ich die Variante auch schick fand (im Gegensatz zur schwarz-gelben „Biene Maya“ – Gruß geht raus an SumSum-Sabine).

In Blau-Weiß hatte BMW zudem 1996 noch mal eine „Final Edition“ als R 80 GS Basic rausgebracht, die preislich allerdings noch abgehobener gehandelt wird.

Es meldete sich auf meine Anzeige hin tatsächlich jemand, von dem ich aus Erzählungen wusste, dass er BMW-Sammler ist. Nennen wir ihn Paul, private Sammler wie er sammeln tatsächlich für sich privat. Dabei geht es auch nicht primär ums Restaurieren und Fahren, sondern um die Freude am Haben.

Paul bot mir eine weiß-blaue R 100 GS an. Die Maschine stand zur verabredeten Zeit draußen auf seinem Hof und war optisch in passablem Zustand. So richtig überzeugt war ich aber nicht. Der aufgerufene Kurs war mit 5.500 € dabei durchaus fair und mit Sammlern diskutiert man bekanntlich nicht über Preise. Dass ich ablehnte, machte Paul dementsprechend auch nichts aus.

Meiner Bitte, mir die Finger waschen zu dürfen, da beim Abnehmen und Prüfen der Schwimmerkammern altes Benzin drüber gelaufen war, kam er gerne nach. Beim Betreten seiner „heiligen Hallen“ fielen mir dann fast die Augen aus dem Kopf. BMWs ohne Ende, die älteste noch mit Blattfederfahrwerk, die jüngste aus der K 100 Baureihe, R 69 S in quasi neuwertig, seltene R 65 LS usw. – dazu noch mehrere der skurrilen C1 Roller. In Regalen lagerten Teile, Tanks und diverse Beiwagen. Auf der Bühne stand gerade eine R 90 S in dem legendären Daytona-Orange und sah fast fertig aus. Ein echtes Paradies für BMW-Fans.

Die Bouschierrohre zerbröselten teilweise bei bloßer Berührung
Die Bouschierrohre zerbröselten teilweise bei bloßer Berührung

Zwischen all den Maschinen stand eine R 80 GS Basic mit knapp über 17.000 km auf dem Tacho – ich war schockverliebt. 

„Willst du mir die nicht verkaufen?“ … „Ich weiß nicht, davon habe ich ja nur eine“ … „Komm, sag einen Preis“ – Paul sagt einen Preis – „Ok, nehme ich!“ … „Arrgh! Naja, ein Wort ist ein Wort. Aber wenn du sie verkaufst, möchte ich das Vorkaufsrecht. Was du reinsteckst gleichen wir aus.“

Tja, so kam ich zu einer BMW R 80 GS Basic mit sehr wenig Kilometern auf dem Zähler, die seit einer ganzen Weile nicht gefahren worden ist. Paul kauft, stellt hin und freut sich dran – er könnte die Maschinen ja irgendwann mal restaurieren, wenn ihm danach ist (wie bei der R 90 S) …

Auf Feldwegen macht die 800er GS auch heute noch sehr viel Spaß!
Auf Feldwegen macht die 800er GS auch heute noch sehr viel Spaß!

Bis zur ersten Fahrt waren also ein paar Arbeiten vorzunehmen, aber das sollte jedem klar sein, der eine „Standuhr“ kauft. So zerfiel z.B. das Bouschierrohr des Kabelbaums teilweise bei bloßer Berührung zu Krümeln. Der zappelnde Tacho musste überholt werden und eine große Inspektion, neue Reifen und frischer TÜV waren obligatorisch. Für horrendes Geld konnte ich einen Satz Sturzbügel mit Seitenständer auftreiben – die hatte ich damals auch an meiner Roten und der Sturzbügel hat mir mal das linke Bein gerettet, als ich offroad gegen einen Baum gefahren bin. Das war übrigens das erste Richten, der Motor hing damals schief im Rahmen.

Tja, und dann kam die erste Ausfahrt. War das in der Erinnerung konservierte Gefühl von früher noch das Gleiche? Trommelwirbel … 

Nein, war es nicht – irgendwas passte nicht. Der Motor lief rauer als in meiner Erinnerung und links gab es ein Geräusch, das mir auch unbekannt vorkam. Ich war doch ein wenig enttäuscht. Ein BMW-Spezi fuhr sie auf meine Bitte hin Probe – „alles OK“, so seine Expertise, „die läuft einwandfrei“. 

Eine Suche im Netz ergab, dass das Sekundärluftsystem bei manchen Modellen wohl Einfluss auf den Motorlauf hat – anderen Quellen zufolge aber auch wieder nicht. Egal – meine Rote hatte dieses SLS noch nicht, also schmiss ich es bei der Basic raus. Und … tatataaaaa  … das wars. Der Motor lief ruhiger und ohne das störende Geräusch. Das GS-Feeling von damals war wieder da – sehr geil! Dass die Klamotten nach einer Ausfahrt auch wieder so stinken wie damals, ist eine andere Sache. Optionale (später serienmäßige) Katalysatoren gab es bei BMW erst ab den 4-Ventilern.

Kradblatt-Leserreise Offroad - mit Eastmoto in Brandenburg
Kradblatt-Leserreise Offroad – mit Eastmoto in Brandenburg

Auf große Touren wie damals will ich mit ihr nicht mehr, auch wenn technisch nichts dagegen spricht. GS, das steht für Gelände Sport (bei der alten G/S für Gelände/Straße). Für schweres Gelände ist die GS nicht geeignet, aber auf Feldwegen macht sie mir – so wie meine Rote in den 1990ern – sehr viel Spaß. Entsprechend bekam sie tiefergelegte, breite und ordentlich gezackte Fußrasten sowie kürzere Hebel für die Drosselklappen. Man muss am Gasgriff jetzt nicht mehr nachfassen, wenn es mal zügig vorangehen soll. Die Gabel bekam progressive Federn von Wirth – schon damals eine der Standardverbesserungen. Hinten hat die Basic serienmäßig ein White Power Federbein. 

So hat sich BMW die Nutzung der Basic vorgestellt
So hat sich BMW die Nutzung der Basic vorgestellt

Die 50 PS / 37 kW sind übrigens on- wie offroad ausreichend. Es ist wirklich erstaunlich, wie viel Spaß so eine alte Kiste macht. Dass die Vorderradbremse damals schon echter Mist war, bestätigte Klaus Herder bereits im Fahrbericht in Kradblatt 11/96: „Diese Bremse war schon vor zehn Jahren nicht so sehr prall, heute ist sie eine Frechheit.“ Ihr findet Klaus‘ Text im Archiv unter www.kradblatt.de. Schärfere Bremsbeläge und eine Stahlflexleitung (alte Gummileitungen sollte man unbedingt tauschen) schaffen kaum Abhilfe. Egal – in Verbindung mit den grobstolligen TKC80 von Continental passt das für mich schon. 

In den letzten etwas über zwei Jahren hat meine R 80 GS Basic nur rund 4000 km mehr auf die Uhr bekommen, die anderen Motorräder wollen schließlich auch bewegt werden. Aber mit dem Älterwerden haben ja schon viele von uns festgestellt, dass nicht die Quantität der gefahrenen Kilometer über die „Freude am Fahren“ Aufschluss gibt. 

Zwischendurch musste ich die Vorderradbremse überholen, da die Kolben in den ausgehärteten Gummis klemmten und das Gummi der Gabeldichtringe gab ebenfalls nach. Ein defekter Regler sorgte für zwei durchgebrannte H4-Birnen – das hat meine Rote auch mehrfach geschafft. Heutzutage sorgt ein Regler-Nachbau aus China zuverlässig für Abhilfe. Der Sitzbank-Kern könnte evtl. mal erneuert werden, der Schaumstoff ist arg weich.

Nun gibt es auch Menschen, die meinen, eine „Ikone“ wie die R 80 GS Basic muss man hegen und pflegen, die gehört auf ein Podest und nicht in den Schlamm. Ich könnte doch auch eine normale GS über die Feldwege scheuchen. Sorry Leute – ich liebe es, wenn Fahrzeuge artgerecht bewegt werden. Für alles andere gehe ich in ein Museum. Im September sind wir beide, die GS und ich, in Brandenburg wieder bei unserer Kradblatt-Leserreise-Offroad mit Eastmoto dabei.

Übrigens: Als die BMW R 80 GS Basic 1996 auf den Markt kam, wollte sie kaum jemand haben. 15.959 DM war einfach nicht zeitgemäß, meine 1100er GS kostete mich keine 4.000 DM mehr – inkl. ABS, Kat usw. Nicht nur in der Bremer BMW Niederlassung standen die Dinger wie Blei. Die letzten Basic wurden für unter 10.000 DM rausgehauen. Heute bekommt man keine Basic unter 10.000 € – gebraucht und teilweise mit deutlich mehr Kilometern auf dem Tacho als meine, die Paul dann irgendwann mal von mir zurückbekommt … 

PS: Wenn ihr euch auch nach vielen Jahren noch mal das Gefühl von damals zurückgeholt habt, schickt uns doch mal Bilder von früher und von heute und ein paar Zeilen, wie es euch dabei ergangen ist. Infos gibts unter E-Mail: redaktion@kradblatt.de.

Ans Mittelmeer mit Zelt und Penntüte - mehr brachte man 1990 nicht. Heute ist die Vollausstattung dabei und das Motorrad reist vielfach auf dem Anhänger - Zeiten ändern sich ...
Ans Mittelmeer mit Zelt und Penntüte – mehr brachte man 1990 nicht. Heute ist die Vollausstattung dabei und das Motorrad reist vielfach auf dem Anhänger – Zeiten ändern sich …