aus bma 6/11 – Lesererfahrung

von Thomas Franck

Sommer Enfield Diesel 462Mein zweirädriges Leben begann 1969 mit einem Garelli Europed Mofa. Dann folgten 37 andere Kisten, von Enduros über diverse Trial-Maschinen (B-Lizenz, unzählige Wettbewerbe), Suzuki Wasserbüffel, 1, 2, und 4-Zylinder BMW, Guzzi etc. etc.

Nachdem Tacho 300 auf der BAB auch nur noch eine Zahl auf dem Display war, pausierte ich einige Jahre. Danach kam die Phase der Einzylinder, DRZ 400 SM, Husky 610 SM, BMW G 650 X-Country mit modifiziertem Fahrwerk und Bremse. Diverse Kurse auf Rennstrecken, Hallentraining bei Lothar usw. führte dann 2009 zu einem Fahrstil, der mit dem Rest des Verkehrs nicht mehr kompatibel war. Auf engen Kursen war das rutschende Hinterrad normal, 45° Schräglage kann bei der heutigen Bereifung jeder Depp fahren, nur der entgegenkommende PKW Fahrer bekommt die Krise und vergisst mitunter das Lenken. Ausserdem nahm die Zahl der Abflüge in meinem Umfeld zu und mich begann das Fahren im Grenzbereich zu langweilen. Höherer Speed würden über kurz oder lang zum Crash führen, weniger macht keinen Spass. Diverse Probefahrten von Harley über Triumph führten mich zu Royal Enfield. Nur weil mich alle nervten, fuhr ich auch die Sommer Diesel Probe – eine weise Entscheidung.

Sommer Enfield Diesel 462Ich war fasziniert, auf einmal spielte das Tempo keine Rolle, 70 machten Spaß. Natürlich gehört in einem Land wo von vielen ja schon 750 ccm Bikes eigentlich als Einsteigerklasse betrachtet werden, ein gesundes Selbstbewusstsein für einen 11 PS Diesel dazu. So viel Geld für so wenig PS, kapiert nicht jeder.

Ein befreundetes Ehepaar lud mich zu einer Tour in die Region um DIE (Frankreich) ein. Das Jahr zuvor war ich noch mit der X-Country auf der anderen, italienische Seite vom Camping Gran Bosco aus unterwegs, dieses Jahr ohne Zündkerze, mit 42 PS weniger.

Samstag, die Sommer Diesel 462 wird vollgepackt, morgen früh soll es zeitig losgehen.

Sonntag, 5:45 Uhr, Wetter eher bescheiden, aber noch trocken. Klar, nach 10 Minuten Fahrt schüttet es wie aus Eimern. Rein in die Regenklamotten, ich denke über die Entscheidung Jethelm nach, egal, sind ja nur noch gut 700 km. Die Geschwindigkeit pendelt sich so zwischen 80 und 90 km/h ein, Aquaplaning ist bei der 3.25 / 3.5x19er Bereifung vermutlich erst ab 350 km/h zu befürchten.

Sommer Enfield Diesel 462In der Schweiz wird es dann besser, Vignette an die Gabel gepappt. Die verbuche ich als Entwicklungshilfe für verarmte Alpenländer ab. Als Coffein-Junki brauche ich regelmäßig Nachschub. Ich will die 3 Euro für den Cappu bezahlen, die will Scheine, keine Münzen! „Was bekomme ich dann zurück?” „Fränkli!” Na super, ich bezahle die drei Euro mit EC-Karte, immer diese Euro-Verweigerer…

Aus Trotz be­schließe ich erst in Frankreich zu tanken, nicht die cleverste Entscheidung, wie sich zeigen wird. Immerhin, die Sonne scheint, quasi mit Grenzübertritt steigt die Temperatur. Es geht durch einen langen Tunnel und mitten drin fängt der Motor das Rucken an. Naja, nach 520 km BAB, Vollgas mit Gepäck, hätte man das irgendwie erwarten können.

Sommer Enfield Diesel 462 NotbetankungNach dem Tunnel kommt zum Glück direkt die Ausfahrt. An der Mautstation stellt der Hatz-Diesel die Bewegung ein. Da tröstet mich die geringe Summe von einem Euro Maut Gebühr wenig. Erstaunlicherweise springt der Motor wieder an. Ich fahre die 100 Meter bis zur Kreuzung, rechts geht es Bergab, unten sind Dächer zu erkennen. Motor aus, Karre in Richtung Zivilisation rollen lassen, leider nur fünf Häuser ohne Tankstelle. Eine junge Dame schaut aus dem Fenster, holt ihren Freund, „nächste Tankstelle vier Kilometer bergauf, etwas weit zum schieben, aber ich fahr dich hoch!”. Gesagt, getan, in einem alten Plastikkanister holen wir fünf Liter Diesel, die bekomme ich gegen fünf Euro von einem Toyota Pickup Fahrer, eine Kreditkarte habe ich nämlich nicht – Sonntags in Frankreich tanken. Mittels zweckentfremdeter Plastikpulle kommt der Saft auch in den Tank, der hilfsbereite Chauffeur weigerte sich standhaft, ein Spritgeld von mir entgegen zu nehmen.

Sommer Enfield Diesel 462 am Col de Rousset-SommerWieder ab auf die Piste, es wird richtig warm, kurz nach Grenoble rechts ab über den Col du Menee, dann bin ich in DIE, Camping Le Riou Merle. Das Navi zeigte 759 bis hierher gefahrene Kilometer. Das Fahren auf der Sommer ging erstaunlich gut, der englische Sattel ist absolut langstreckentauglich, eindeutig besser als die Bank der BMW X-Country. Der Verbrauch lag bei knapp 2,5 Litern Diesel/100 Kilomter.

Montag, der Blick aus dem Zelt verheißt Positives. In DIE ein gemütliches Frühstück, dabei kommen wir mit einem deutschen Lehrer ins Gespräch, unterwegs auf einer „leicht” überladenen 650er BMW. Der gibt mit seinen gut 1,90 Metern bestimmt ein interessantes Bild ab. Um die Sommer hat sich schon eine Traube holländischer Fans versammelt, zum Leidwesen von Christine und Norbert interessiert sich keiner für die Beta Alps 4 oder die X-Country.

Norbert erweist sich als profunder Kenner der Gegend, wir tuckern entspannt über diverse Schotterpässe, phantastische Landschaft. Mit der Diesel lässt sich erstaunlich gut auf den unbefestigten Strecken fahren, Endurowandern im positiven Sinne, auch die ortsansässigen freuten sich über den ungewohnten Anblick des seltenen Motorrades. Der Abend wird dann würdig begossen.

Sommer Enfield Diesel 462 Off-RoadDienstag, heute geht es etwas mehr ins Eingemachte, ich möchte die Grenzen der Diesel austesten. Der 1 Zylinder Hatz 1B40 erweist sich als überaus angenehmer Antrieb, auch etwas steilere und engere Passagen meistert er völlig unbeeindruckt. Der erste Gang ist etwas lang übersetzt, das lies ich dann im Herbst durch Umbau der Übersetzung ändern (von 15/25 auf 14/26 Zähne). Natürlich ist die Sommer 462 keine Enduro, aber wir wollen ja auch die Strecken befahren, die legal möglich sind. Wo ich mit der X-Country TKC 80 bereift oft Traktionsprobleme hatte, zieht der Heidenau K34 ohne Murren hoch, 11 PS sei Dank. Abends stellte ich dann fest, das der Splint des Fußbremsgestänges verschwunden war. Eine Metallöse der Motorradjacke musste einspringen.

Mittwoch, auch Asphalt Pässe haben ihre Reize. Interessant ist, dass auf Grund der schmalen Bereifung wesentlich weniger Schräglage erforderlich ist, um den modernen Konstruktionen zu folgen. Das ist natürlich ob der 11 PS meist nur bergab möglich. Ein gemütlicher Cappu beschließt die Runde.

Donnerstag, nach einem gemütlichen Frühstück in DIE geht es wieder heimwärts. Das Navi bescherte mir 50 Zusatzkilometer, Fahranweisung und Bild stimmten nicht überein, die Kartengenauigkeit ist nicht so prall, mein 5 Jahre altes Gerät im PKW ist da deutlich besser.

Ca. 2000 Kilometer, ein Verbrauch von 2,3 bis 2,5 Litern, keine Probleme. Der Motor verträgt sowohl Ackern auf Schotter im ersten Gang bis hin zu stundenlangem Vollgas auf der Autobahn unbeeindruckt. Das Fahren mit 11 Diesel PS wirkt auf mich sehr beruhigend, erstmalig bekomme ich auch etwas von der Landschaft neben der Strecke mit. Nichts für Speed Freaks, eher etwas für Genießer, die das andere schon alles hatten. Die Hatz ist übrigens mein Motorrad Nr. 39.

Immer wieder wird das Teil von Interessierten umlagert, sieht halt aus wie ein Oldtimer, dann der Diesel Motor, Ge­sprächsstoff vorhanden. Test bestanden, nächstes Jahr steht Marokko auf der Agenda.

Technische Daten Sommer Diesel 462:

  • Bohrung und Hub 88 x 76 mm
  • Hubraum 462 cm³
  • Verdichtung 20,5 : 1
  • Leistung 8 KW (11 PS) bei 3.500 U/min
  • Max. Drehmoment 26,25 Nm bei 2.000 U/min
  • Verbrauch: Diesel 2-2,5l/100 km
  • Tankinhalt 13,5l
  • Einschleifen Stahlrohrrahmen, unten offen
  • Teleskopgabel
  • Schwinge mit zwei Federbeinen
  • Federweg vorne 150 mm
  • Federweg hinten 120 mm
  • Sitzhöhe 760 mm
  • Trommelbremse hinten
  • Trommelbremse oder Scheibenbremse vorne
  • Leergewicht 180 kg
  • Zul. Gesamtgewicht 350 kg

Mehr Infos unter www.royal-enfield-forum.de