aus bma 12/07
von Michael Schories
Warum werden eigentlich so viele Ehen geschieden und sind so viele Frauen unzufrieden mit ihrem Partner? Männer sind doch so einfach zufrieden (oder ruhig) zu stellen…
Wir, zwei Männer, Anfang 40, stehen z.B. seit zehn Minuten an einer Tankstelle in Rijeka (Kroatien) und beölen uns fast vor Lachen beim Betrachten der Marco-Polo-Landkarte Slowenien, Kroatien: „Wohin fahren wir jetzt?” fragt Thomas, „Nach Vrh auf Krk!”, antworte ich mit verkrampft ernster Mine…, und schon beginnen wir wieder juvenil loszukichern. Wer kommt auch auf die Idee Orte und Inseln mit Namen zu versehen, die keinen einzigen Vokal haben und dementsprechend merkwürdig auszusprechen sind? Vrh auf Krk! Das erinnert unsere mitteleuropäischen Ohren eher an einen Hustenanfall als an Urlaubsziele.
Als wir uns endlich beruhigt haben, können wir auch den Blick über die Adriabucht genießen an der Rijeka liegt. Wenn das Panorama nicht von den tiefschwarzen Gewitterwolken geprägt wäre, könnten wir die Aussicht aufs Meer und die nahen Inseln noch viel besser bewerten. So aber sieht unsere weiter Tourenplanung für heute die Himmelsrichtung vor, in der die wenigsten Wolken und Gewitterblitze zu sehen sind. Und das ist die kleine Landstraße 501 (nein, nicht von Levis gesponsort!) Richtung Gora Jelenje durch bergiges Adriahinterland und mit Angstnippelabschleifgarantie.
Seit ein paar Tagen sind wir jetzt im ehemaligen Jugoslawien unterwegs. Wir haben uns die slowenische Hauptstadt Ljubljana als Basiscamp ausgesucht und logieren dort im preiswerten BIT-Center Sporthotel. Die Entscheidung für Ljubljana fiel leicht, da die Stadt jeweils weniger als zwei Stunden mit dem Motorrad sowohl von den Alpen und anderen Gebirgszügen als auch dem Mittelmeer und diversen spannenden Mittelalterstädten entfernt liegt. Außerdem liegen im Bad des Hotelzimmers aufblasbare Motorradhelme kostenlos aus, vom Hotelbesitzer zwar als „Duschhauben” deklariert, trotzdem vollwertig finden wir.
Slowenien ist insgesamt kleiner als viele deutsche Bundesländer z.B. Meck-Pomm, bietet aber eine landschaftliche Vielfalt die ihresgleichen sucht. Schon die Anreise aus Richtung Norden (Österreich) durch den Karawankentunnel ist sehr spannend, gerade für Norddeutsche ohne Berge vor der Haustür. Daß die Sebring-Auspuffanlage der Voxan in dem fast acht km langen Tunnel so schön nachhallt ist natürlich noch ein besonderes Bonbon für Motorklangfetischisten wie mich.
Die Orientierung in der slowenischen Hauptstadt ist dann auch einfach zu bewerkstelligen, da Ljubljana erstens kaum größer als Kiel ist und zweitens von einem geschlossenen Autobahnring umrundet wird, der es erlaubt ohne stressigen Innenstadtverkehr jeden Punkt des Ortes zu erreichen. Wenn man dann erstmal sein Hotel bezogen hat, kann man zudem eine der kleinsten aber trotzdem spannendsten Hauptstädte Europas erleben. Ljubljana bietet sowohl ein Freudenfest für kulinarische Genießer als auch einen Stadtkern, der von Mittelalter bis Jugendstil und Moderne von allem etwas zu bieten hat. Nur die Betonburgen aus sozialistischen Zeiten in den Vorstädten muß man dazu erstmal hinter sich lassen. Wenn man gutes Timing betreibt, kann man sogar noch spannende Theateraufführungen, Kulturfestivals und Konzerte jedweder Richtung in der Stadt besuchen. Wir kommen leider gerade zu spät, sowohl für Whitesnake als auch für die Toy Dolls. Na ja, beim nächsten Mal vielleicht. Dafür erkunden wir die Kneipenszene Ljubljanas ausgiebig und finden vom Straßencafé, das auf Touristen eingestellt ist bis zum leicht punkigen Undergroundschuppen fast alles.
Preislich bewegt sich das Niveau in Slowenien dabei sowohl beim Kneipenbesuch (halber Liter frisch Gezapftes unter zwei Euro) als auch bei Eintrittspreisen doch deutlich unter deutsch Gewohntem.
Okay, eigentlich sind wir aber hierher gekommen, um Kurven zu fahren, die wir in Norddeutschland in dieser Form und Vielfalt nicht haben. Einer unser ersten Tagestrips führt uns daher auf den Vrsic-Paß in der Nähe von Kranjska Gora, Nordslowenien. Wir finden ein Motorradparadies vor! Auf 21 Kilometern gibt es 50 nummerierte Kehren. Keine Ahnung, wer und warum die tollen Kurven nummeriert hat, auf jeden Fall beginnen die Schräglagen schon weit vor Kehre eins und enden nicht bei Kehre 50. Während ich noch über dieses weltpolitisch relevante Thema nachdenke, muß ich aber zweimal zu schalten vergessen haben: Thomas vor mir jagt seine Transalp mit lebensverneinenden Schräglagen um die 180 Grad Kurven und mir nützt die mehr als doppelte Motorleistung der Voxan keinen Deut. Mit Mühe bleibe ich an seinem Rücklicht kleben und ignoriere dabei ebenso einige Schwerkraftgesetze. Ach, ich liebe die weiche Mischung meiner Bridgestone Battlax gerade in diesem Moment besonders. Mit Freude bemerke ich im Rückspiegel einen einheimischen XJR 1300 Fahrer, der noch größere Mühe hat sein Eisenschwein um die extrem engen Kurven zu zirkeln. Als wir irgendwann auf einem Parkplatz an einer Talsperre ausrollen, überholt er uns dann auch hupend und mit anerkennend erhobenem Daumen. Danke, danke, wir haben doch nur gespielt.
Ein ganz klein wenig Vorsicht sollte man auf den slowenischen Paßstraßen aber walten lassen, denn einerseits wollen auch die vielen Fahrradfahrer überleben, die sich in den Bergen muskelzerrende Rennen liefern, andererseits kann hinter jeder Biegung plötzlich eine Schafherde auf der Straße stehen. Na ja, und ich muß hier ja nicht mein selbst geschossenes Lamm zur Zubereitung mit ins Restaurant bringen.
Anderntags erleben wir, daß deutsche und slowenische Reiseführer schon mal etwas unterschiedlich bewerten können: Wir sind in der Postojnska Jama, die mal als größte Tropfsteinhöhle Europas, mal als größte der Welt beworben wird. Eigentlich ist es ja wurscht, wir finden die riesige Grotte mit den tollen Lichteffekten mehr als erstaunlich. Den anfangs unverschämt empfundenen Eintrittspreis von 16 Euro pro Person finden wir nach Kennenlernen der Höhle unter fachkundiger (deutschsprachiger) Führung völlig angemessen. Was man hier geboten bekommt ist sein Geld definitiv wert.
Leider haben wir bis hierher nur slowenische Autobahnen genutzt und dafür auch noch Gebühren bezahlen müssen. Na gut, bei der Höhe des Obolus von 70 Cent ist das verschmerzbar, vor allem, wenn man das beim Tanken schnell wieder zurückholt. Der Liter Super kostet uns hier nämlich ca. 35 Cent weniger als an deutschen Zapfsäulen. Da macht Benzinverschwendung gleich nochmal soviel Spaß!
Gesagt, getan, benutzen wir nach dem Besichtigen der Höhle dann auch wieder herrlichste Nebenstraßen Richtung Adria. Angenehm fällt uns auf, daß einheimische Autofahrer uns selbst auf unübersichtlichsten Strecken Platz machen und freundlich zum Überholen auffordern. Wenn mal ein KFZ stur auf sein Recht besteht, hat es entweder ein deutsches Kennzeichen oder einen Wohnwagen mit gelbem Nummernschild an der Anhängerkupplung. Insgesamt hat die Region offensichtlich inzwischen auch den Motorradfahrer als touristische Zielgruppe erkannt. Gerade in den Bergen sieht man zunehmend „Biker Welcome” Schilder an den Gostilnas (Restaurants) und Cafés. Leider ist meistens eine stilisierte Harley mit auf den Hinweistafeln zu erkennen, und wir fahren weiter, schließlich sind unsere Mopeds aus Japan und Frankreich und nicht Milwaukee. A propos: Eine Harley ist uns in den Bergen nie begegnet. Dafür treffen wir auf einem Bergrücken einen Enfield-Diesel-Fahrer aus Frankfurt/Main, der die zum Teil 15-prozentigen Steigungen mit seinen elf PS auch geschafft hat, trotz Beifahrerin und Gepäckberg. Wir zollen unseren ernsten Respekt!
Einen besonderen Einblick in die hiesige Bikerszene bekommen wir, als wir in Ankaran, einem Badeort nahe der italienischen Grenze, ein Motorradtreffen besuchen. Trotz der landesweiten Werbung kommen kaum hundert Motorradfahrer zusammen, davon ca. zehn Harleyfahrer aus Triest (Italien), die die strapaziöse Anfahrt von 30 Kilometern staubbedeckt überstanden haben. Die Stimmung ist locker und friedlich, Markendünkel gibt es gottlob nicht, und selbst die Preise für Speis und Trank bewegen sich auf landestypisch niedrigem Niveau. Trotzdem bewegen wir uns nach wenigen Stunden wieder mal Richtung Ljubljana, natürlich wieder auf den Straßen, die auf der Karte mit vielen Kringeln und besonders schmal eingezeichnet sind. Diesmal treiben uns aber nicht die Schräglagen den Angstschweiß auf die Stirn, sondern die Tatsache, daß Sonntag sehr viele Tankstellen geschlossen haben, und wir erst kurz vor dem Verdursten eine Zapfsäule finden, die das begehrte Bleifrei rausrückt.
Unsere Wege führen sehr oft über die Grenze Slowenien/Kroatien und wieder zurück, da viele Bergstrecken direkt den Grenzstrich nachvollziehen. An diversen Grenzübergangsstellen scheinen wir selbst um 16 Uhr die ersten Gäste zu sein, und ein verschlafener Beamter winkt uns gähnend durch. Moin, moin, schön habt ihr es hier! Tschüß, schlafen sie ruhig weiter.
Nach mehreren Tagen Adria, Alpen und Ljubljana machen wir uns auf den Weg nach Ungarn. Dort wollen wir wie jedes Jahr zu Europas spannendstem Openair nach Budapest auf die Obudai-Insel inmitten der Donau, dem Sziget-Festival. Auf den letzten Kilometern durch Slowenien und Kroatien bedauern wir etwas, daß wir heute noch 450 Kilometer abreißen müssen und dafür schon Nebenstraßen gewählt haben. Eigentlich wären die vielen Burgen und Altstädte es wert entdeckt und nicht nur im Transit durchfahrend mitgenommen zu werden. Egal, man kann ja wiederkommen.
In Ungarn erwartet uns eine Herausforderung der ganz besonderen Art: Die (Neben-)Straßen Richtung Budapest sind zum Teil mit so tiefen Spurrinnen in Fahrtrichtung ausgewaschen, daß ein Überholmanöver in eine Achterbahnfahrt ausartet. An einem LKW vorbeizuhuschen bedeutet: Raus aus der Fahrspur, mehrere Zentimeter hoch auf den Mittelstreifen, wieder runter in das „Tal” der Gegenfahrbahn, schnell überholen und das Ganze noch mal, bloß in entgegengesetzter Reihenfolge. Trotzdem überstehen wir die Fahrt in die ungarische Hauptstadt unbeschadet, nicht zuletzt wohl auch, weil die ungarischen Autofahrer wie schon ihre südwestlichen Nachbarn sehr motorradfreundlich sind und uns gerne passieren lassen.
In Budapest erwartet uns dann der chaotische Innenstadtverkehr einer Millionenstadt mit vielen Kamikaze-gleichen Motorradboten. Wir haben aber nur noch UNSER Openair und das erste Sör (Bier) vor Augen und schließen uns trotz Gepäcküberbreite den einheimischen Bikern beim Einfädeln in die ungarischen Verkehrsbedingungen an. Überpünktlich bauen wir unsere Zelte auf, freuen uns auf die kommenden Tage mit Iggy Pop, Radiohead und den Beatsteaks, und denken vorerst nicht an die vor uns liegenden 1500 Kilometer Heimfahrt auf ungarischen, österreichischen und deutschen Autobahnen…
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Kommentare
2 Kommentare zu “Slowenien, Kroatien, Ungarn”
Autobahnen
Hat Euch der Felbertauerntunnel bzw. der Katschbergtunnel in Österreich nicht gereicht?
Musstet Ihr unbedingt auch noch den Karawankentunnel mitnehmen? Dabei gäb’s so schöne Grenzübergänge aus Österreich: Wurzenpass / Loiblpass / Seebergsattel / Paulitschsattel!
Und die aus dem Friaul sag ich Euch Banausen erst gar nicht!
Wenn Ihr das nächste Mal in Slowenien Autobahn fahren wollt, dann kauft’s Euch ein Pickerl (7-Tages-Vignette 7,50 €, Stand 12/2011), sonst wird’s richtig teuer (ab 300 € Bußgeld aufwärts)!
Autobahn
Moin Moin Ihr Nordlichter oder Servus wie wir im Süden sagen.
Netter Reisebericht und schön zu lesen, Danke.
Aber Jungs: Karawankentunnel und slowenische Autobahnen? Ihr seid doch zum Mopedfahren da und dann nutzt ihr den Tunnel und die Autobahnen???? Es gibt doch so viele und schöne Päße…. *kopfschüttel*
Na ja, die Preisen halt…. 🙂
Nix füar unguad