aus bma 05/01
von Jörg Machnicki
K(r)aterstimmung. Waaaooouuummm. Gelb leuchtend sprühen die Funken in den Himmel und fallen in weitem Bogen zur Erde zurück. Immer stärker wird das Grollen und Zischen der drei Krater, je weiter wir uns dem Gipfel in 924 Meter Höhe nähern. Mit zunehmender Dunkelheit wird das Glühen im Schlund des Berges immer besser sichtbar. Deutlich hört man die Lava blubbern. Das muss der Eingang zur Hölle sein.
Die Insel Stromboli der Eolischen Inseln nördlich Siziliens ist das letzte Ziel unserer vierwöchigen Urlaubsreise und gleichzeitig ein weiterer Höhepunkt. Heute Nacht wollen wir hier am Gipfel bleiben. Im Schein des Mondes und einiger Sternschnuppen hoch über der Weite des Meeres schweifen unsere Gedanken bei einer Flasche sizilianischem Wein zurück. Wir, das sind: Thomas (31) mit Honda African Twin, Ulrich (33) mit Honda Varadero, Bübchen (26) mit Suzuki GSX 600 und Jörg (32) eigentlich mit BMW R 100 GS PD, aber dann doch mit R 80 ST.
Dass wir tatsächlich auf Sizilien angekommen sind, hatte ich kurz nach Urlaubsbeginn schon bezweifelt. Aber der Reihe nach: Der Urlaub war lange geplant, die Maschinen gewartet und alle möglichen Vorbereitungen getroffen. Endlich, am 13. Mai, geht es los – nach Niebül, wo die Motorräder auf dem Autoreisezug verladen werden. Um 10 Uhr am nächsten Morgen sind wir in Kornwestheim bei Stuttgart, das Gepäck der Nacht wird verzurrt, und wir fahren auf die Autobahn. Abends wollen wir die 550 Kilometer bis zum Gardasee geschafft haben …
Doch 60 Kilometer weiter ist Feierabend. Seltsam polternde Geräusche aus dem Inneren meines Motors verkünden nichts Gutes, die glänzenden Teilchen im Motoröl ebenfalls nicht. Die Stimmung schlägt schlagartig um. Wir tippen einstimmig auf Kurbelwelle und beschließen, noch 15 Kilometer bis Wendlingen zu fahren, um die dortige BMW-Werkstatt zu suchen. Eine schnelle Reparatur ist dort leider nicht möglich, also wird erst einmal der Rücktransport mit dem ADAC organisiert, was auch tadellos klappt.
Aber wie soll es nun weiter gehen? Den Urlaub abbrechen? Auf keinen Fall, zu groß war die Vorfreude. Zu zweit auf Ulrichs Varadero? Oder die R 80 ST kaufen, die mit Koffern unter den Gebrauchten steht? Mit einem flauen Gefühl im Bauch (verursacht durch einen kurzen Gedanken an mein Girokonto) entschließe ich mich für die letzte Lösung. Eine kurze Probefahrt wird gemacht, alles klar. Die Chefin der Firma Brauneisen meldet das Motorrad auf ihren Namen an, ihre Versicherung wird verständigt und bringt sofort die grüne Versicherungskarte vorbei. Noch das Gepäck umladen und um 12 Uhr sind wir wieder unterwegs.
Als die Alpen sichtbar werden, weicht das flaue Gefühl langsam der Urlaubsstimmung. Wir fahren bei Füssen nach Österreich Richtung Fernpass, …aber wieso stottert der Motor plötzlich? Bei Imst geht er ganz aus. Das komische Gefühl ist wieder da, hinzu kommt ein leichtes Zittern der Hände. Ein Blick auf den Benzinfilter schafft Unklarheit, völlig verdreckt. Campingplatz ansteuern, Benzinfilter und Schwimmerkammern reinigen, Probefahrt. Stotternd fahre ich gefolgt von Bübchen durch den Ort, glücklicherweise kommen wir an einer Werkstatt vorbei. Lange nach Feierabend werden die Vergaser gereinigt, völlig weg ist das Stottern aber nicht. Der Preis ist hoch.
Neben dem Verlust meiner Paris Dakar und dem Ärger mit meiner Neuen werden erniedrigende Sprüche zum Besten gegeben. Kleine Kostprobe: „Warum grüßen BMW-Fahrer sich im Straßenverkehr nicht? Weil sie sich in der Werkstatt treffen.” „Du hast ja eine kranke Moto Guzzi, da hängen ja die Zylinder runter” usw. Mehrere große Flaschen Bier lassen mich den Kummer vergessen; trotzdem wälze ich mich nachts im Schlaf hin und her und träume von Gummikuh am Spieß.
Am nächsten Morgen möchte ich noch den Tank reinigen lassen, aber die Mechaniker haben zu viel zu tun, so dass ich mich, wider dem flauen Gefühl im Bauch, auf den Weg mache. Regelmäßig werden die Schwimmerkammern und der Benzinfilter gereinigt, ab Reschenpass kommt sogar so etwas wie Fahrspaß auf.
Es geht in südliche Richtung den Berg hinab. Deutlich weht der Wind jetzt warm durch das geöffnete Visier ins Gesicht, das mediterrane Klima wird spürbar. Toll, wie sich langsam die Flora und Fauna ändert, es riecht nach Urlaub. Leider ist das Stilfser Joch zum wiederholten Mal wegen Straßenarbeiten gesperrt – schade, nachdem ich die anderen so heiß gemacht habe, ist die Enttäuschung groß. Bei Kehre 33 müssen wir umkehren, erreichen aber trotzdem über wunderschöne Strecken (von Meran die 238 in südliche Richtung nach Fondo, dann die 43 und 421 weiter) abends Riva del Garda.
Hier bleiben wir zwei Nächte, damit ich am nächsten Tag in aller Ruhe den Tank säubern kann. Erst mal alles abbauen und das Benzin in eine Plastikflasche füllen. Huch, das hat aber eine komische Farbe; und die ganzen Rostteilchen, die lustig in der Brühe hin- und herschwappen! Circa ein halber Liter Wasser hat sich Dank abgeklemmter Überlaufleitung am Einfüllstutzen vorbei in den Tank verirrt. Wenigstens ist jetzt die Ursache behoben, die Symptome sind noch behandlungsbedürftig. Seltsamerweise kommen nun noch Leerlaufdrehzahlen bis zu 3000 U/min hinzu. Schön, wenn man bergab fährt und keine Motorbremse hat. Ssttsststotttotterrrnnndd und bremmmmsend nähere ich mich (von fahren kann keine Rede sein) mit den anderen über Piacenza und den Ausläufern der Toskana Genua. Immer schön in der Mitte bleiben, damit die Kumpels einen möglichen Ausfall gleich mitbekommen.
Genua selbst ist meiner Meinung nach das letzte Dreckloch. Die Strecke zum Hafen ist nur wenig bis gar nicht ausgeschildert, an den Straßenrändern türmt sich der Sperrmüll der letzten Jahre. Alleine hätte ich Angst, an einer dunklen Stelle vom Bock gerissen zu werden.
Endlich erreichen wir den Anleger und fahren tief in den Bauch des riesigen Schiffes. Den nächsten Tag verbringen wir an Deck und akkli- matisieren uns. Dies ist nicht nur wegen der Stärke der Sonne wichtig, sondern auch wegen der völlig neuen Biersorten wie Heineken, Moretti oder etwa Sitz Bräu. Abends geht unser Abenteuer weiter, von Deck aus verfolgen wir das Anlegemanöver. Der Verkehrslärm gibt uns einen Vorgeschmack auf die Straßen von Palermo. Sicherheitshalber werfen wir zum wiederholten Mal einen Blick in den Stadtplan. Also, an der Kreuzung erst einmal rechts herum. Sofort reißt uns der Verkehr wie ein riesiger Strom mit all seiner Gewalt mit. Roller überholen uns rechts und links, kommen teilweise auf unserer Spur entgegen. Ampeln, selbst Polizisten und Rettungswagen mit Blaulicht und Martinshorn werden ignoriert. Endlich werden wir am Straßenrand angespült. Ich frage einen Polizisten nach dem Weg, ein Rollerfahrer bekommt dies mit und bietet uns an, vorweg zu fahren. 15 Minuten später sind wir an der Umgehungsstraße, wir wollen ihm als Dank ein paar Lire geben, aber er lehnt ab und ist so schnell verschwunden wie er gekommen ist.
Abends fahren wir noch bis in den Nordwesten Siziliens, da bei Palermo die Strände und das Wasser sehr verschmutzt sind. Bei Scopello finden wir einen schönen Platz und verbringen die nächsten Tage mit Schnorcheln, Wandern und dem wunderbaren sizilianischen Wein. Eine Werkstatt bei Castellammare bekommt meine Vergaser in den Griff, endlich macht das Fahren wieder richtig Spaß.
Weiter geht es Richtung Süden, wir besuchen das schön gelegene Segesta. Umrahmt von grünen Wiesen und Weinbergen schlängelt sich die Straße an Hügeln entlang. Vom antiken Theater in Segesta haben wir einen tollen Blick auf den unter uns liegenden Tempel und über die Landschaft bis zum Golf von Castellammare. Wir fahren weiter und es wird nochmals deutlich wärmer. Die Südküste präsentiert sich mit Zitronen-, Orangen-, Mandel- und Olivenbäumen, langen Sandstränden und flacher Landschaft, aber auch mit Armut. Am Rande einiger Städte stehen aus Müll zusammengezimmerte Baracken, wie man sie sonst nur aus Fernsehberichten kennt.
In Agrigento wollen wir uns das Tal der Tempel ansehen und lassen die Motorräder mitsamt Gepäck vor dem Eingang stehen. Sofort werden wir von einer Deutschen angesprochen, dass wir unbedingt auf unsere Sachen aufpassen müssen. Ulrich entschließt sich, an den Maschinen zu bleiben und berichtet nach unserer Rückkehr, dass diverse Leute Interesse an unseren Motorrädern gezeigt haben. Erst nachdem er sich aus dem Schatten nähernd zu erkennen gegeben hat, verschwanden sie wieder. Dies war aber auch die einzige derartige Erfahrung.
Eindrucksvoll ist das Gelände auf jeden Fall. Besonders nachts, wenn die Tempel stimmungsvoll beleuchtet werden, aber auch tagsüber sind die gut erhaltenen Anlagen sehenswert. Vom größten, dem Tempel des Zeus, ist nur noch ein Teil des Fundaments übrig. Trotzdem erkennt man noch gut, wie gewaltig einer der größten Tempel des Mittelmeerraumes mit einer Grundfläche von 110 x 50 Meter und über 20 Meter hohen Säulen vor 2500 Jahren gewesen sein muss.
Weiter geht die Fahrt an der Südküste entlang, nur noch vereinzelt finden sich grüne Punkte in der ausgetrockneten, bräunlich gelben Landschaft. Die Straßen erinnern an amerikanische Highways. Teilweise geht es kilometerweit geradeaus, nur die flachen Hügel bringen etwas Abwechslung ins Fahren. Kurz vor Ragusa ändert sich erneut die Landschaft. Wir fahren einen Bergrücken hinauf und blicken zurück auf die weite Ebene, die hinter uns liegt. Auf der anderen Seite liegt die Ostküste Siziliens. Hier beginnt eine schöne felsige Gegend, durch die sich die Straße schlängelt. Wieder prägen Zitronen- und Orangenplantagen das Bild rechts und links der Straße.
Vor uns fährt ein Bauer mit seinem Ape, dem typischen dreirädrigen Transportfahrzeug, angetrieben von einem Vespamotor, die Ladefläche ist voller Auberginen.
Wir bleiben auf einem Platz bei Avola, hier wollen wir wieder Abstecher ins Hinterland unternehmen. Auffällig ist, dass die Campingplätze trotz des guten Wetters erst noch auf die Saison vorbereitet werden. Bar und Markt sind oft noch geschlossen und viele Gäste und erst recht Motorradfahrer finden sich nicht ein.
Am nächsten Morgen fahren wir nach Noto. Die Stadt wurde 1693 durch ein Erdbeben völlig zerstört und sofort wieder komplett in barockem Stil aufgebaut. Aber auch hier wird deutlich, dass zuwenig Geld vorhanden ist. Häuserfassaden müssen abgestützt werden, eine Kuppel der Kapelle ist eingestürzt, die barocken Formen müssten dringend renoviert werden. Der Glanz vergangener Zeit ist schon lange verschwunden.
Auf unserem Rückweg beginnt es zu regnen. Die in vielen Orten sehr glatte Straßenoberfläche wird zu Schmierseife; beim Bremsen und Beschleunigen verliert das Hinterrad schnell den Kontakt zum Asphalt. Mangels Gleichgesinnten verbringen wir den Abend damit, Karten zu spielen. Beim „Schwimmen” geht so mancher 1000er über‘n Tisch.
Morgens machen wir uns mit leichtem Kopfdruck auf den Weg zur Cava Grande del Cassibile im Hinterland. Unsere Motorräder stellen wir direkt am Eingang ab, dann geht es 250 Meter in die Tiefe. Grand Canyon-gleich präsentiert sich uns die Schlucht, an deren Grund der Fluss Cassibile mehrere wassergefüllte treppenartig angelegte Steinbecken ausgewaschen hat. Schon vom Parkplatz aus ist der Blick grandios. Unten angekommen haben wir die Schlucht völlig für uns alleine. Nur das Plätschern des Wassers und Vogelgezwitscher ist zu hören. Im klaren Wasser schwimmen Forellen und Kaulquappen, am Grund sieht man Flusskrebse. Wir haben das Gefühl, im Paradies zu sein, so perfekt scheint diese kleine, eigene Welt. Die nächsten Stunden lassen wir die Seele baumeln: im angenehm kühlen Wasser verbringen wir die Zeit damit, Fische zu beobachten und lassen uns ansonsten die Sonne auf den Bauch scheinen. Alles andere ist weit weg.
Abends zurück in Noto wird Thomas von drei sehr gastfreundlichen Carabineri zu einer kostenlosen Autofahrt aufs Polizeirevier mit anschließender Fragestunde eingeladen. Mangels Deutsch- bzw. Italienischkenntnissen beiderseits reden sie aber aneinander vorbei. Es geht wohl darum, dass er mit dem Motorrad circa 10 Meter in eine nicht als solche erkennbare Fußgängerzone gefahren ist. Leider hatte er seine Papiere am Campingplatz vergessen. Igendwie wissen die Polizisten dann aber doch nicht, was sie wollen und schicken ihn wieder weg anstatt ihm ein Quartier für die Nacht anzubieten.
Wir verlassen diesen Ort der Ungastlichkeit wieder in nördliche Richtung. Auf unserem Weg besuchen wir noch Siracusa, wo unter anderem der geniale Achimedes gelebt hat. Bekannt ist die Stadt aber vor allem wegen der heute schön angelegten alten Steinbrüche und dem antiken Theater. Für die Sklaven der damaligen Zeit war es alles andere als ein Vergnügen hier zu schuften, viele Tausende kamen um. Alleine die Arbeiten am bekannten Ohr des Dionysios, welches 60 Meter tief in den Fels gehauen wurde und eine beeindruckende Akustik hat, muss mit damaligen Werkzeugen mehr als unmenschlich gewesen sein.
Weiter Richtung Catania herrscht viel Schwerlastverkehr, Industrie bestimmt das Bild, vor der Küste liegen Öltanker. Kurz vor Catania taucht langsam der höchste Berg Siziliens aus dem Dunst auf. Flach steigen die langen Flanken des Ätna bis auf 3300 Meter Höhe an. Rauchschwaden am Gipfel verkünden seine stetige Aktivität. Bei San Marco finden wir schließlich einen für diese Gegend günstigen Campingplatz – der meistbesuchte Touri-Treff Siziliens, Taormina, treibt die Preise hoch.
Aber der Berg ruft. Magisch zieht er uns in seinen Bann. Wir starten nach dem Frühstück zu einer Tour entgegengesetzt dem Uhrzeigersinn um den Vulkan und haben auch mit dem Wetter Glück. Selten präsentiert sich der Gipfel so klar wie heute. Neben den stetig abziehenden Rauchwolken künden zusätzliche hoch in den Himmel gestoßene Wolken von der Unruhe in seinem Inneren. Am Fuße des Ätna bestimmt Grün das Bild der fruchtbaren Gegend. Am Hang weiter oben wird es kahler, bis nur noch das Braun und Rot der Lava dominiert. Immer wieder durchschneidet die Straße alte Lavaströme, die sich auf mehreren 100 Meter Breite zwischen den bewaldeten Hängen hindurchgewälzt hat. Erst ganz langsam finden Moose, Flechten und irgendwann auch Ginsterbüsche wieder einen Platz auf dem erkalteten Gestein.
An der Südseite entschließen wir uns, auf Nebenstraßen weiter am Hang hinauf zu fahren. Lavaasche bildet eine durchgehende rutschige Schicht (ideal um auch mal um die Kurven zu driften) auf der Straße und deutet auf die immer wieder stärkeren Aktivitäten des Ätna hin. Wir machen auf einer Wiese mit Blick zum mächtigen Gipfel Pause, bevor wir uns der Liftstation nähern. Bis dahin hatten wir die Straße für uns allein, jetzt fahren Busse im Minutentakt an und ab. Die Fahrt mit Lift und Geländewagen für 70 DM sparen wir uns, da wegen der letzten Aktivitäten des Ätna die maximal freigegebene Höhe bei 2700 Metern liegt und wir von zurückkehrenden Reisenden erfahren, dass sie mehr erwartet hätten und eher enttäuscht sind. Trotzdem lohnt ein kurzer Besuch der Liftstation, beein- druckende Bilder der größeren Ausbrüche hängen an den Wänden. Wir verbringen einige Zeit bei den erlo-schenen Kratern um die Liftstation herum. Neben den drei Hauptkratern am Gipfel verteilen sich noch über 200 Nebenkrater an seinen Flanken.
Auf dem Weg hinab zum Campingplatz ist die ca. 60 Kilometer entfernte Küste Kalabriens zum Greifen nah, Schiffe wirken wie Spielzeugboote auf dem Golf von Messina. Das Rifugio Citelli (eine abseits gelegene Herberge in 1741 Meter Höhe) bietet sich für eine Rast an. Wir genießen eine ganze Weile den klaren Blick und können uns am späten Nachmittag nur mit Mühe losreißen. Abends sitzen wir in 20 Kilometer Entfernung am Strand und beobachten das rötliche Leuchten, welches vom Gipfel des Ätna ausgeht. Ab und zu sprühen Funken in den Himmel, der richtige Abschluss für einen tollen Tag.
Natürlich wollen wir auch mal Taormina sehen. Der bis dahin heißeste Tag unserer Reise hält uns bis zum Mittag am Strand, aber dann raffen wir uns auf. Die Straße verläuft anfangs teilweise direkt am Meer entlang und schraubt sich dann im Ort in engen Serpentinen immer höher am Berg hinauf. Die eigentliche Sehenswürdigkeit, das antike Theater, lassen wir aufgrund der Massen, die im Ort unterwegs sind (und das, obwohl erst Vorsaison ist) links liegen. Statt dessen fahren wir weiter den Berg hoch nach Castelmola, welches auf einem einzelnen Fels gebaut wurde. Von hier haben wir einen phantastischen Blick zum Ätna und über das Theater auf das Wasser und die Küste entlang. Schließlich fahren wir auf einem Schotterweg weiter ins Landesinnere, vorbei an einsamen Bauernhöfen. Die Bewohner gucken neugierig und verwundert, aber stets freundlich.
Am Strand abends sehen wir in der Dämmerung deutlich Lava am Hang des Ätna herunter fließen. Und am Morgen des nächsten Tages scheint plötzlich der Gipfel des Ätna zu explodieren. Ein riesiger Pilz aus Staub und Asche erhebt sich hoch in den Himmel und lässt den an sich schon gewaltigen Berg winzig unter sich erscheinen. Fasziniert verfolgen wir diese Urgewalten, dunkel sieht man die Lava-Asche vom Himmel regnen.
Noch immer beeindruckt machen wir uns ins Hinterland auf zur Gola d’Alcantara, als sich die Wolke aufgelöst hat. Der Fluss hat sich im Laufe der Zeit bis zu 20 Meter tief ins Gestein gegraben; circa 300 Meter kann man der Schlucht gegen die Strömung folgen, am Ende stürzt ein Wasserfall hinab. Teilweise müssen wir schwimmen, um die tieferen Passagen hinter uns zu lassen, an einigen Stellen überwinden wir kletternd einige Stromschnellen. Am Eingang zur Schlucht werden Waatstiefel für 15 DM verliehen, ganz schlaue Touris verstauen ihre Videokamera, Handy oder Fotoapparat in dieser Hose vor dem Bauch. Ulkig, wenn an der ersten Stromschnelle das Wasser von oben in die Hose läuft. Am Schluchteneingang kommen wir uns vor wie Zuschauer bei Vorsicht Kamera. So sind wir dann am Wasserfall auch fast alleine, nur zwei Extremsportler mit Neoprenanzug haben es noch bis hierher geschafft. Es empfiehlt sich auf jeden Fall, die Kamera wasserdicht einzupacken.
Auf unserem Rückweg fahren wir nochmals die Nordseite des Ätna entlang. Wir hoffen die Stelle zu finden, die wir in der vorherigen Nacht gesehen haben und an der die Lava den Hang hinunter fließt. Leider befinden wir uns zu weit vom Gipfel weg, außerdem liegt scheinbar ein Bergkamm zwischen uns und diesem Gebiet, so dass wir bald wieder den Rückweg antreten.
Kurz nachdem wir am Campingplatz angekommen sind, wird der Ätna plötzlich wieder aktiv. Mehrere 100 Meter wird die Lava in den Nachthimmel geschleudert. Riesige glühende Brocken können wir trotz der Entfernung mit bloßem Auge erkennen. Sie fliegen seitlich wie in Zeitlupe hoch, kippen dann ab und rollen schließlich den Berg hinunter. Nach einer halben Stunde lässt das Schauspiel langsam nach, dafür wälzt sich jetzt ein Lavastrom langsam den Berg hinab. Wir sind fasziniert! Durch ein Fernglas beobachten wir, wie sich die Lava immer weiter voran schiebt. Nach und nach kommen dunkle Flecken der kühleren Bereiche hinzu, die anfangs immer wieder untergewälzt werden, bis der Fluss irgendwann endgültig erstarrt und zum Stillstand kommt, ohne Schaden angerichtet zu haben.
Am nächsten Tag brechen wir erneut die Zelte ab und fahren quer durchs Land zur Nordküste. Bewusst meiden wir die Hauptverbindungsstraßen, so dass wir durch einsam gelegene Dörfer kommen und kleine Straßen befahren, die sich auch mal einige Kilometer in Schotterwege verwandeln. Die BMW schlägt sich wacker, die Varadero konnte ich, wahrscheinlich der Gussfelgen wegen, hinter mir lassen.
In Milazzo angekommen erkundigen wir uns erst einmal nach den Abfahrzeiten der Fähren zu den Eolischen Inseln. Am Hafen warten schon Leute, die Plätze in bewachten Garagen vermieten wollen, da Fahrzeuge nur teilweise auf die Inseln mitgenommen werden dürfen. 8 DM pro Motorrad und Tag erscheint uns aber als zu teuer. Da es schon spät ist, entscheiden wir uns für einen Campingplatz. Zu einem deutlich günstigeren Preis lassen wir die Motorräder am nächsten Tag auf dem Platz, fahren mit dem Bus in die Stadt und kommen nach zweieinhalb Stunden Überfahrt mit der Schnellfähre auf Stromboli an. Schon von weitem deutet auch hier eine Rauchwolke auf die seit Jahrtausenden regelmäßige vulkanische Aktivität hin. In der Antike wurde die Insel als natürlicher Leuchtturm genutzt.
Die erste Nacht verbringen wir am Strand; auch am nächsten Vormittag genießen wir das völlig klare Wasser. Nur die Hitze, die durch den schwarzen Lavastrand noch verstärkt wird, bringt uns an die Grenze. Kaltes Bier – Fehlanzeige. Alle Getränke werden in Minutenschnelle zum Kochen gebracht. Also machen wir uns mittags auf den Weg zum Vulkan. Für den immer steiler werdenden Aufstieg brauchen wir gute drei Stunden, und kurz vor dem Gipfel müssen wir noch ein Stück klettern. Oben angekommen entschädigt der phantastische Blick und die Aktivität der Krater. Mehrmals in der Stunde werden diese abwechselnd aktiv und schleudern Schwefeldämpfe und glühendes Gestein hoch in die Luft.
Wir sitzen noch eine ganze Weile am Rand oberhalb der Krater und beobachten das Geschehen. Trotz des ständigen Grollens schlafen wir später dank der Anstrengung schnell hinter den als Windschutz aufge- schichteten Mauern ein und werden rechtzeitig zum Sonnenaufgang wieder wach. Vor der Mittagshitze wollen wir wieder unten sein und nochmals den herrlichen Strand genießen.
Abends fahren wir mit der Fähre zurück nach Sizilien, und …puuuh – alle Ängste waren umsonst, die Motorräder stehen noch an ihrem Platz. Man hört ja soooo schlimme Dinge über die Mafia.
Wenige Tage später machen wir uns langsam auf Richtung Festland; in Messina setzen wir mit der Fähre zum Stiefel über. Bis zum Abend fahren wir noch bis Scapri, etwa 200 Kilometer unterhalb Neapels. Wir sind überrascht, wie bergig sich hier die Gegend präsentiert.
Tage später in Neapel finden wir den Bahnhof relativ gut, und am Abend setzt sich erneut der Autoreisezug mit uns in Bewegung. In München genießen wir am nächsten Morgen bei schönem Wetter den Englischen Garten, die Münchner Innenstadt und das Hofbräuhaus. Am Abend heißt es nochmals Motorräder verladen, dann geht es endgültig nach Hause. 30 Urlaubstage sind um. Im Abteil neben uns haben sich fünf Mädels einquartiert. Fünf alleinreisende Frauen? Sind das Women on Wheels? Die sehen aber gar nicht so aus, und so entwickelt sich dann zum Urlaubsende tatsächlich noch eine Runde unter Gleichgesinnten, wie wir es die ganzen vier Wochen nicht erlebt haben, aber das ist ein ganz anderes Thema.
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