aus bma 02/05

von Weber/Raudzus

BMW C1Wolfgang und ich hatten wieder einmal unsere BMW C1 gepackt. An diesem Samstagvormittag wollten wir Richtung Schweden. Von Husum über Flensburg, via Aabenraa, einer Hafenstadt am tief eingeschnittenen Fjord, ging es weiter über Haderslev nach Kolding in Dänemark. Wir rollten bei strahlendem Frühsommerwetter durch die hügelige Moränenlandschaft über die Landstraße 170. Die Brücke über den Kleinen Belt auf die Insel Fünen ist Teil der Autobahn E20. Gleich die erste Abfahrt führte uns nach Middelfart. Junge und jung gebliebene zogen zum „Rockplads” wo ein Open Air Konzert stattfinden sollte. Wer die großen Mengen Alkohol im Gepäck nicht verbergen konnte, nutzte den Trampelpfad vom Autobahnparkplatz zum Festplatz, um den strengen Blicken der Ordner am Eingang zu entgehen.
Fünen verwöhnte uns mit dem Duft und dem Anblick von Getreidefeldern, Obstwiesen, weiten mohnbewachsenen Flächen und Blumen- plantagen. Immer dem warmen Wind entgegen durchquerten wir auf der Landstraße 160 die Insel. Fyns Sommerland, Aquarium und Terrarium in Vissenberg schenkten wir diesmal keine Beachtung. Der Weg führte an Odense, der größten Stadt Fünens und der Heimat Hans Christian Andersens und des dänischen Eisenbahnmuseums vorbei bis nach Nyborg.

 

Überall herrschte Gelassenheit und trotz des dichten Verkehrs wirkten (fast) alle Menschen entspannt. Es war eben Wochenende auf dem Lande. Am Hafen pflegten wir mit Sonnenbaden unseren Teint und mit Eiscreme unsere Figur. Die alte Hafen- und Handelsstadt Nyborg war Schauplatz wichtiger geschichtlicher Ereignisse Dänemarks. So wurde hier im 12. Jahrhundert König Erik Klipping vom Adel zu einer Vorform einer Verfassung gezwungen und von 1183 bis 1413 kam hier der Danehof zusammen. In dieser Versammlung der mächtigsten Männer des Landes wurden die Gesetze gemacht. Seit Jahrhunderten war Nyborg ein zentraler Verkehrspunkt am Großen Belt auf dem Handelsweg zwischen Jütland und Seeland. Durch die neue Beltbrücke ist Nyborg nun zu einer Transitstadt geworden.
Der Hafen in NyborgDie Brücke über den Großen Belt war überaus imposant. Vier Fahrspuren, zwei Standspuren und zwei elektrifizierte Eisenbahnschienen verbinden die Insel Seeland mit dem Rest von Dänemark. Auf der 6,6 km langen Westbrücke führen Straße und Eisenbahnschienen nebeneinander bis zur kleinen Insel Sprogø. Von hier verläuft der Bahnverkehr in einem ca. 8 km langen Tunnel. Die Straße wird über die 6,8 km lange Ostbrücke weitergeführt. Diese Hängebrücke hat eine Spannweite von 1.624 m und gehört damit zu den größten der Welt. In 65 m Höhe blies ein kräftiger Südostwind. Doch nur im Bereich der gigantischen Pfeiler, die sich 250 m über die Meeresoberfläche erheben, kam es zu so starken Verwirbelungen, daß wir hier hoch konzentriert fahren mußten. Im übrigen Teil konnten wir die fantastische Aussicht voll genießen und staunen. In seiner vollen Größe läßt es sich am besten vom Aussichtspunkt bei Halsskov bewundern.
Über Kirke Stillinge führte uns unser Weg nach Norden. In Gørlev bogen wir ab nach Westen, um quer durchs Land nach Roskilde zu kommen. Dabei erlebten wir, daß Seeland mehr und mehr von fast industriell betriebener Landwirtschaft geprägt wird. Weite Ackerflächen und größere Viehbestände säumten unseren Weg. Der Campingplatz am Roskilde Fjord bot einen romantischen Sonnenuntergang und einen schönen Blick auf die nächtlich erleuchtete Stadt, die einiges zu bieten hatte: das bekannte Musikfestival, den Dom und das Wikingerschiff – Museum.
Roskilde, von Harald Blauzahn gegründet, war gewissermaßen die erste Hauptstadt Dänemarks. Erst König Erik von Pommern verlegte im 15. Jahrhundert den Regierungssitz nach Kopenhagen.
Ein Frühstück war am nächsten Morgen auf dem ganzen Weg von Roskilde nach Kopenhagen an einem Sonntag nicht zu bekommen. Selbst global operierende Schnellrestaurants am Flughafen von Kopenhagen öffneten erst um 11 Uhr. So bleiben nur ein Kaffee und ein Stück Kuchen im Stehen an einer Tankstelle. Die Øresundquerung hat ähnliche Kapazitäten wie die Große Beltquerung, ist aber in ihrer westlichen Hälfte als Tunnel ausgelegt. Erst ab einer künstlichen Insel führt die Straße über eine Brücke, die auf vielen Stützen steht. In der Mitte ist ein 1.092 m langes 55 m über dem Meer aufgehängtes Teilstück, das es der Schifffahrt erlaubt zu queren. Obgleich die vier Pfeiler mehr als 200 m aus dem Wasser ragten verspürten wir hier kaum störende Verwirbelungen. Von einer Zöllnerin wider Erwarten ignoriert, erreichten wir schwedisches Festland.
Die eisenzeitliche Grabstätte Gavfålt. Der Großraum Malmö ist infrastrukturell und industriell gut erschlossen und dicht besiedelt. Die E 22 führte uns Richtung Nordosten ins Landesinnere. Und schon nach dem Ort Lund waren wir mitten im typischen Schweden. Verkehrsschilder warnen hier vor Elchen und die Zäune am Straßenrand sollen gefährliche Begegnungen verhindern. Die Häuser haben die typisch rotbraune Farbe und die Wälder sind dicht und groß. Kristianstad, unser nächster Stop, wurde 1614 vom dänischen König Christian IV. als Festungsanlage gegen die Schweden gegründet. Damals war Schonen dänisch. Für uns hatte dieses Städtchen noch einen ganz anderen Reiz: die Warenhäuser und Restaurants waren am Sonntagmittag geöffnet und ermöglichten uns eine ausgiebige Mittagspause.
Von nun an benutzten wir kleinere Straßen, die uns weiter nach Nord- osten durch Schonen und Blekinge führten. Hauptsächlich Wälder, durchsetzt mit kristallklaren Seen und Felsen und steinigen Grasflächen bilden einen starken Kontrast zu den relativ weiten dänischen Inseln.
Über Kalmar, eine der ältesten Städte des Landes, ging es auf die Insel Öland. Die Brücke dahin ist eine solide flache, aber über 6 km lange Betonkonstruktion, auf der uns der Wochenendrückreiseverkehr entgegenkam. Unser erster Stop fand nach ca. 7 km auf der Küstenstraße nach Süden statt. Hier fanden wir einen sehr schönen Runsten (Runenstein). Die Fachleute, die die Inschriften entzifferten, sind der Meinung, daß er von einem gebildeten und musisch hochbegabten Wikinger etwa 1000 n. Chr. gestaltet worden war. Noch etwas weiter auf der Küstenstraße in Haga Park fanden wir einen schönen am Meer gelegenen Campingplatz. Der Blick von hier über den Kalmarsund entschädigte uns für das flache Wasser, daß ein ausgiebiges Bad in der Ostsee verhinderte.
Am nächsten Morgen folgten wir der Küstenstraße bis Mörbylanga und wechselten dann auf die 136. Bei Bårly fanden wir eine Burgruine und bei Gettlinge eine Steinsetzung (Gavfålt). Diese eisenzeitliche Grabstätte soll, so sagt die Hinweistafel, besonders in der Abenddämmerung eindrucksvoll sein. Bis dahin wollten wir jedoch nicht warten. Weiter wählten wir die eindruckvolle Strecke quer durch die Stora Alvaret, eine Landschaft zwischen Heide und Steppe, an die Ostküste und dann ganz in den Süden zum „Långe Jan”. Dieser Leuchtturm ist mit 42 m der höchste Schwedens und wurde 1784-85 aus den Steinen der niedergerissenen St. Johannes Kapelle erbaut. Wenn die Tür zum Turm offen ist, lohnt sich der Aufstieg um die Aussicht zu genießen. Auf dem Weg zurück über Färjestaden nach Kalmar erlebten wir weitere landschaftliche Schönheiten und Spuren der verschiedenen Bewohner, Besucher und Besetzer Ölands. Diese Insel ist es unserer Meinung nach wert, ausgiebiger besucht zu werden.
Achtung: ElcheWieder auf dem Festland entschieden wir uns auf unserem Weg nach Südwesten gegen die Fernstraßen und für den direkteren Weg. Durch Orte wie Tvärskog, Påryd, Vissefjärda, Ulvsmåla und so weiter. Hier wo sich Elche und Dachse „gute Nacht sagen” waren wir wieder mitten drin im Schweden, wie man es sich vorstellt: tiefe Wälder, klare Seen, blauer Himmel und einsame zum Teil unbefestigte Straßen. Das hatten wir gesucht! An der Küste, der wir auf Nebenstraßen bis zum Abend nach Åhus folgten, herrschte dann wieder mitteleuropäische Zivilisation vor.
In der Nacht begann es zu regnen, so daß wir das Zelt feucht einpacken mußten. Frühstück gab es in einem Café in der Fußgängerzone. Bei immer besser werdendem Wetter ging es über Brösarp und Kivik zum Nationalpark Stenshuvuds. Hier beeindruckte eine gute Fernsicht über die Ostsee und die parkähnliche Küstenlandschaft von der fast 100 m hohen Erhebung. Seit Menschengedenken ist das „steinerne Haupt” (Stenshuvud) Seezeichen. Einst galt es als Zufluchtsort für Trolle und Riesen, so daß dieser Ort von vielen gemieden wurde. Doch der Weg dahin auf der Straße Nr. 9 war ein Genuß: Hügel und weite geschwungene Kurven durch Wiesen, Hecken, Felder, kleinen Baumgruppen und karge Steinfelder.
Die vielen kleinen und kleinsten Hafenstädtchen auf dem Weg an der Küste nach Süden zeugen von der wichtigsten Erwerbsquelle der Bewohner. In keinem anderen Ostseehafen Schwedens wird mehr Fisch angelandet als in Simrishamn. Etwa 20 km vor Ystad liegt Kåseberga mit den Ales Stenar, einer frühgeschichtlichen Grabstätte, die als Steinsetzung in Form eines Schiffsrumpfes angelegt ist. Der etwa 1 km lange Fußweg führt durch die Wiesen zwischen weidenden Kühen auf die Steilküste hinauf. Die Grabstätte selbst, das weite Land und das offene Meer, das man von hier oben überblickt, ließen unsere Gedanken zurückwandern in die Zeit und wir konnten uns vorstellen, was die Wikinger vor über 1.000 Jahren empfunden haben mögen, als sie hier lebten und von hier aus zu ihren Fahrten aufbrachen.
An Ystad vorbei ging es auf der landschaftlich sehr reizvollen Küstenstraße Nr. 9 bis nach Trelleborg, das für sein mildes, fast subtropisches Klima bekannt ist. Hier lohnt ein Stadtbummel vorbei am Vatentorn, einem Wasserturm, der als Café genutzt wird und der Ruine des Klosters runter zum Hafen, wo ein ständiges Kommen und Gehen der Ostseefähren nach Saßnitz, Rostock und Travemünde herrscht. Auch wir verluden hier unsere BMW’s in die Peter Pan und nahmen schweren Herzens Abschied von einem Land, von dem wir in wenigen Tagen viel gesehen haben. Nach einer geradezu luxuriösen Nacht auf dem bei weitem nicht ausgebuchten Schiff durchquerten wir Schleswig-Holstein diagonal, um zu unserem Ausgangspunkt zurückzukommen.
Der BMW C1 hatte sich wieder als perfektes Fahrzeug für diese Art des Reisens erwiesen. Beide Maschinen waren die 1.500 km problemlos mit einem Durchschnittverbrauch von 3,2 l Super bleifrei pro 100 km gelaufen. Durch einen tieferen Schwerpunkt hat sich der C1 auf losem Untergrund als handlicher erwiesen. Zur Navigation hat sich ein Kompaß auf dem Oberschenkel mit Klettverschluß befestigt bestens bewährt. Vielleicht gönnen wir uns ja mal ein richtiges Navigationssystem! Sollte die nächste Reise über mehr Schotterpisten o. ä. führen, werden wir über andere als die Serienbereifung nachdenken.