aus Kradblatt 4/14
von Ivo Ninnemann

Von Schweden nach Deutschland
804 Kilometer an einem Tag

 

TorsoebrueckeDer Kalender in der Küche unseres Ferienhauses zeigt den 15. Juni, es ist zehn Uhr morgens. Christina, meine Frau, übrigens die beste Ehefrau von allen, liegt noch im Bett und pennt. Ich mache derweil Frühstück, koche Kaffee, lasse unsere Schäferhündin Charlize nach draußen. Der Himmel ist leicht bewölkt, scheint ’n schöner Tag zu werden. 

Auch die Tage davor zeichneten sich durch herrliches Motorradwetter aus, so dass wir ein paar schöne Touren unternehmen konnten. Immer wieder gern genommen, Mariestad, am See Vänern gelegen mit einem hübschen Stadtzentrum, inklusiv kostenfreiem, extra angelegtem Motorradplatz, einem kleinen Shopping Center sowie einer Fußgängerzone in der man einige nette Cafés findet, die zum Verweilen einladen. Man kann aber auch zum Gästehafen fahren, auch dort gibt es kostenlose Parkplätze. Hier findet man ein Geschäft für Bootszubehör, diverse kleine Restaurants, eine Eisbude, und einen Kiosk. Gegenüber dem Gästehafen ist ein sogenanntes Vandrarhem, in dem preiswert übernachtet werden kann, Frühstück ist meistens inklu. Fährt man weiter in nördlicher Richtung auf der E 20 kommt man an den Abzweig Torsö.

Oldtimertreffen-in-HaijstorpMan sollte sich die Zeit nehmen und dort abbiegen. Allein der Ausblick von der Torsöbron ist schon beeindruckend. Fährt man weiter auf der Hauptstraße, kommt man irgendwann am anderen Ende der Insel an. Dort ist ein größerer Parkplatz für Autos und Motorräder. Vom Parkplatz sind es nur wenige Schritte zur kleinen Fähre über den Brommösund. Die Insel darf aber mit Motorfahrzeugen nicht befahren werden.
Wir waren eigentlich nur wegen „Eric“ in Mariestad. Gemeint ist der originalgetreue Nachbau des 1856 auf dem Vättersee gesunkenen Schaufelraddampfers Eric Nordevall. Der Nachbau wurde auf einer kleinen Werft in Forsvik in Handarbeit hergestellt. Die Dampfmaschine stammt aus Motala und wurde dort nach historischen Zeichnungen neu gebaut. Die Endmontage des Holzschiffes wurde in Forsvik durchgeführt und am 6. Mai 2012 fand die erste, in Etappen aufgeteilte Fahrt nach Göteborg statt. Für 550 Kronen pro Etappe hätte man auf dem Ding mitfahren können.

Viele Schweden haben ein Faible für alte Autos. Und weil sie diese gerne zur Schau stellen, finden häufig Oldtimertreffen statt. Zumindest in der Sommerzeit. Diese Zusammenkünfte sind auch gleichzeitig Motorradtreffen, weil viele Besucher eben mit dem Motorrad kommen. Zwei waren ganz in der Nähe unseres Hauses, eines am Göta Kanal in Hajstorp und eines in Forsvik an Europas ältester Schleuse, eine von 58 Schleusen, teilweise noch von Hand betätigt, einige sind mehrstufig. Die berühmteste ist die 7 stufige Schleusentreppe von Mem in der Nähe von Söderköping, wo der Göta Kanal beginnt. Die Gesamtlänge beträgt 190 km, wovon 87 km von Hand gegraben wurden. 58000 Soldaten mussten dafür herhalten, viele haben die Strapazen nicht überlebt. Auch dem Herrn Baltzar van Platen, der Chef vom Ganzen war es nicht vergönnt, der Einweihungsparty des Kanals beizuwohnen. Er starb auch vorher.

Doch nun ist der Urlaub nun mal zu Ende und die Heimreise steht an. Für Tini heute am Abend, ich werde morgen am Tage fahren. Nachdem alles zusammengepackt und in unserem Opel Astra Cabrio verstaut ist startet Christina mit offenem Verdeck bei Sonnenschein. Später hat sie mir gesagt, sie hätte die Bude kurz hinter Töreboda schon dicht gemacht.

Eric-Nordevall-Schleuse-ForsvikAm anderen Morgen dann der Schock! Es schüttet wie aus Eimern. Gut, es ist erst 7 Uhr am Morgen, aber ich habe auch 804 km Strecke vor mir, und die auf meiner Suzuki GSF 1250. Also erst mal in Ruhe frühstücken, derweil regnet es munter weiter. Um 9 Uhr rufe ich meine Frau an und sage ihr, dass ich wahrscheinlich nicht fahren kann, sie antwortet: „In Deutschland regnet es auch.“ Na, das kann ja heiter werden. Ich stelle mich also auf eine gemütliche Regenfahrt ein und bereite alles für die Abreise vor, am Haus Strom und Wasser abstellen, wer weiß, wann der Nächste kommt. Petrus hat dann aber doch Mitleid mit mir und stellt das Wasser von oben ab und so kann ich erst mal ganz entspannt losfahren. Zeitweise scheint sogar die Sonne. In Töreboda halte ich kurz an und werfe noch einen Brief in den Postkasten und einen besoffenen Schweden von meiner Maschine (Det är min motorcycle! Lall lall) Ich erobere die Suzuki nach einer kurzen aggressiven Verhandlung zurück und kann weiterfahren.

In Tibro fahre ich eine Tankstelle an, um Susis Durst zu stillen, Sprit kostet in Schweden um die 1,60 Euro, aber ich brauche ja nur 18 Liter. Das reicht für die nächsten 300 km. Bei E 15 hat man einen etwas höheren Verbrauch.

Mariestad-GaestehafenDa die Möbelgeschäfte in Tibro alle geschlossen haben (Tibro ist Schwedens Möbelzentrum) fahre ich direkt weiter und 16 km später habe ich die Ortschaft Hjo am See Vättern erreicht. Ich wundere mich über die massive Polizeipräsenz, genieße noch mal den wirklich schönen Blick über den See, der die nächsten 65 km zu meiner Linken liegt, bevor ich auf die RV 195 in Richtung Jönköping abbiege. Kurz darauf weiß ich auch, was die „Polis“ dort will. Es kommen mir große Gruppen von Radfahrern entgegen, die von Polizisten begleitet werden, alle auf BMW 1200 RT und keiner von den Jungs vergisst zu grüßen! Das Ganze heißt „Vättern runt“ und findet alljährlich am 16. Juni statt. Ein Radrennen um den ganzen Vätternsee, Startpunkt ist in Motala am Ostufer des Sees, von dort aus geht es über Gränna, wo die berühmten Polkagrisar herkommen, über Husqvarna, die Marke dürfte unter Motorradfahrern hinlänglich bekannt sein, weiter über Jönköping, liegt am Südufer des Vättern, hier geht es dann einmal durch die Stadt um die Fahrt dann am Westufer fortzusetzen. Dort haben die Radler einen Turn von 200 km vor sich bis sie den Ort Askersund am Nordende des Vättern erreichen, dieser ist übrigens Schwedens zweitgrößter See neben dem Vänern, der mit seinen 5558 km schon einem Binnenmeer gleicht. Von Askersund nach Motala, wo sich auch das Ziel befindet, sind es ca. 46 km.

Für mich gilt, auf der Strecke von Hjo nach Jönköping ganz rechts fahren, damit die Entgegenkommenden Autos auch mal an den Radlergruppen vorbeikommen. In Jönköping angekommen biege ich auf die RV 40 ein, welche die Verbindung Göteborg-Jönköping darstellt, die führt auch zur Autobahn E4 in Richtung Helsingborg. Jetzt kann ich endlich der Suzuki die Sporen geben und Meilen machen (Tempolimit 110 km/h!).

Nach zweieinhalb Stunden Fahrt gönne ich mir eine Pause bei „Oscar’s“ in Skillingaryd an der E4. Dort stehen drei BMW GS mit Schweizer Kennzeichen. Ich stelle mich dazu und packe mein Pausenbrot aus. Während ich am Kauen bin, kommen die BMW Treiber aus der Raststätte und wir kommen ins Gespräch. Ich erfahre, dass die Herrschaften zum Nordkap wollen und dass in Richtung Süden mit einzelnen Regenschauern zu rechnen ist. Ich sage den Schweizern, sie sollten ruhig schon mal die Regenkombis überziehen, denn auch in der Gegenrichtung sieht es nicht mehr so gut aus. Sie fahren dennoch ohne weiter. Ich räume meinen Kram auch wieder ein und fahre weiter.

FaehreWenn es nicht schon so spät wäre, könnte ich ja noch am Rastplatz „Laganland“ anhalten. Es gibt dort einen sogenannten Elchshop, ein kleines Automuseum sowie ein Gehege indem sich zwei oder drei Elche langweilen. Entgegen anderer Aussagen von Schwedentouris kriegt man die Tiere in freier Wildbahn nicht so häufig zu sehen. Eine Möglichkeit, Elche zu beobachten, bietet der Elchpark in Ellinge, an der E4 gelegen. Der Eintritt kostet ca. 80 Kronen pro Person, dafür kann man auf angelegten Straßen mit dem eigenen Auto durch den Park fahren. Kamera nicht vergessen! Alternativ bietet sich die Bimmelbahn an, kostet aber extra.

An der Ausfahrt Skanes Fagerhult sieht man ein Flugzeug stehen. Es ist aber nicht mehr flugtauglich, sonder beherbergt einen Bonbonladen in dem man, die in Schweden so beliebten, Lösgodis kaufen kann. Wir hatten dort in der Nähe mal ein Ferienhaus gemietet und waren mal in diesem Flugzeug drin, hat sich nicht gelohnt!
Von dort aus braucht man ungefähr eine Stunde bis Helsingborg, wenn es nicht regnet. Es schüttet jedoch wieder und so muss ich das Tempo drosseln, weil meine Visierbeschichtung nicht mehr standhält und die Sicht beeinträchtigt ist.

Hinter dem Söderasen wird der Regen weniger und ich komme wieder zügiger voran, erreiche schließlich Glumslöv, wo ich nachtanken muss. Ich kann sogar die Regenkombi ausziehen, weil tatsächlich die Sonne scheint und der Himmel nur noch leicht bewölkt ist. Also weiter in Richtung Malmö Kopenhagen. Nach einer Dreiviertelstunde komme ich an der Öresundbrücke an.

Vor die Überquerung der Brücke haben die Schweden eine Mautstation gestellt. Die Gebühr für Motorräder beträgt 200 Kronen, für Autos immerhin 395 Kronen, meine Frau hat mir den Bon gezeigt. Ich mache hinter der Mautstation noch ein paar Fotos bevor ich mich wieder auf die mittlerweile etwas unbequem gewordene Sitzbank der Suzuki setze. Die drei Ducatitreiber, die dort ebenfalls eine Pause machen, gucken mich verächtlich an und donnern wenig später mit mindestens 50 km/h zuviel auf der Uhr an mir vorbei. Auch auf der Brücke ist Tempo 110 angesagt. Auf der dänischen Seite kommt man hinter der Brückenabfahrt in einen ca. 6 km langen Tunnel. Die Durchfahrt ist angenehm, es weht kein Wind und es ist wärmer als draußen.

OeresundbrueckeAus dem Tunnel heraus passiert man als erstes den Flughafen Kastrup bei Kopenhagen. Als nächstes rückt das sogenannte „Bella Center“ ins Blickfeld, obwohl so bella ist das Ding gar nicht. Nach der Abfahrt Tårnby verlässt man die Insel Amager und kommt wieder auf Festland. Wenn man die Zeit hat, kann man noch einen Zwischenstopp in Kopenhagen einlegen. Hier lohnt es sich, einmal den Tivoli aufzusuchen, anschließend einen Bummel über die Strøget zu machen, die sich zwischen dem Radhusplatsen und Kongens Nytorv erstreckt. Die Strøget ist eine Fußgängerzone, die sich über mehrere Abschnitte hinzieht, die alle anders genannt werden. Hier findet sich auf der ganzen Länge ein sehr vielfältiges Warenangebot von der berühmten Smörebrödtorte, die in Schweden übrigens auch häufig gekauft wird, sie heißt dort nur etwas anders, über Schmuck und Uhren der höherwertigen Sorte bis hin zu königlich dänischem Porzellan (Royal Kopenhagen). Am Ende steht links das Hotel Angleterre, Erich Kästner hat es in einer seiner Geschichten als Unterkunft für seine Akteure verwendet. Gegenüber des Hotels liegt Kongens Nytorv und rechts davon findet sich Nyhavn mit seinen gemütlichen kleinen Kneipen und Restaurants. Schön ist es dort, wenn die Jazztage anstehen, dann boxt da der Papst.

SchwedenIch habe leider keine Zeit und ordne mich links ein in Richtung Rödby. An der Raststätte Tappernöje ist eine Zwangspause nötig. Es beginnt erneut zu regnen. Dieser Regen begleitet mich, mal mehr, mal weniger intensiv, dann auch hartnäckig bis nach Rödby, wo ich nach eineinhalb Stunden ankomme. Weil es zwischendurch mal nur tröpfelt, halte ich an der Abfahrt zur Insel Mön noch einmal an und mache ein paar Fotos von den beiden Brücken über den Storströmmen. Merkwürdigerweise hört es an der Fähre Rödby-Puttgarden ganz zu regnen auf. Der Check-in Bereich ist überdacht, schnell noch 380 DKK abgenickelt und auf die Warteposition. Glücklicherweise dauert es nicht allzu lange bis ich an Bord fahren kann. Das Schiff ist auch nicht so voll, die Überfahrt ist ganz angenehm. Eine Dreiviertelstunde später erreicht die Fähre Fehmarn. Ich fahre von Bord und… richtig! Es gießt wieder wie aus Eimern. Und zwar nicht nur kurz, sondern bis Lübeck. Ich merke schon, meine Stiefel von Probiker (oh, darf ich den Namen überhaupt schreiben, oder ist das Schleichwerbung?) sind nicht ganz dicht. Hinter Lübeck wechsle ich auf die A 20 und fahre bis zur Abfahrt Groß Sarau, biege ab auf die B 207.

Über Ratzeburg, Mölln Schwarzenbek und Dassendorf erreiche ich nach zwölf Stunden Fahrt Kröppelshagen wo meine Frau schon auf mich wartet. Von 804 km Gesamtsrecke hatte ich 350 km Regen. Ich hoffe auf besseres Wetter im August, wenn ich wieder nach Schweden zum Rasenmähen fahre. Das eingangs erwähnte Ferienhaus ist nämlich unser eigenes!