aus bma 4/11 – Reisebericht

Text & Fotos: Wolfgang Fromm

Biker-RastOn the road again… summe ich in meinen Helm und schwinge mich mit einer Gruppe Bikern von Kurve zu Kurve. Der alte Ohrwurm passt zur Situation, bei einer Tour die Feinmotorik des Motorradfahrens aufzupolieren. Dazu gemachte Erfahrungen austauschen, natürlich auch Geschichten erzählen.

Eine Motorradfahrergruppe hat sich für eine viertägige Tour im Sauerland zusammengefunden. Es ist ein „Touren & Event” Angebot von Honda Deutschland. Für Einsteiger, Wiedereinsteiger, aber auch für Fortgeschrittene, für jeden ist etwas dabei. Unter dem Titel „Honda-Allrounder-Touren” in Verbindung mit einem Dualen-Perfektions-Training wur­de das Konzept von Winni Scheibe ausgearbeitet. Seit Anfang der 1980er Jahre befasst sich der Motorradjournalist und engagierte Sicherheitsexperte mit diesem Thema.

Stressfrei Motorradfahren heißt sicher Motorrad fahren! Wenn Surfen in Kurven, hektisches Überholen und panisches Abbremsen die Hände in den Handschuhen feucht werden lassen, dann wird es Zeit, sich ein paar Gedanken zu machen. Ist es die mangelnde Fahrpraxis, haben sich mit der Zeit Fahrfehler eingeschlichen oder sitzt man stocksteif und zu verkrampft auf der Maschine? Ein Perfektionstraining wird die Routine auf Vordermann bringen. „In Sachen Zweiradsicherheit ist immer noch Vieles zu verbessern”, be­tont der ausgebildete DVR-Instruktor.

Tour-SababurgIm Laufe der Zeit geht beim Motorradfahren vieles in Fleisch und Blut über. Handlungsabläufe erfolgen unterbewusst. In einer Notsituation kann allerdings das sicher geglaubte Können versagen. Man erschrickt und alle Reaktionen sind geblockt oder man überreagiert und verliert die Kontrolle über das Motorrad. Ziel des Dualen-Perfektions-Trainings ist es daher, diese längst gewohnten und automatischen Abläufe des Motorradfahrens bewusst wahrnehmbar und spürbar zu machen. Ein Teil der Übungen wird auf Übungsplätzen trainiert.

Während der beiden Tourtage durchs Sauerland und Nordhessen sind beim Biken und Erleben weitere Perfektionsübungen eingebaut. Kerstin freut sich: „Gut, dass es mal nass ist!” – Dieser Satz ist für Motorradfahrer eher ungewöhnlich. Doch wenn man unter An­leitung auf einem Übungsplatz mit seinem Motorrad Vollbremsungen übt, ist der nasse Asphalt eine willkommene Bereicherung. Dank ABS eine gefahrlose, aber wichtige Erfahrung! Kerstin, die einzige Frau unter den Teilnehmern, begrüßt den kleinen Schauer eben damit, dass sie nun auf dem abgesperrten Platz auf nassem Asphalt die Bremsen mal voll ausprobieren kann. Oder besser gesagt, sich alle Teilnehmer unter diesen Bedingungen an die wirkliche Bremsleistung ihrer Motorräder heran tasten können. Denn noch immer sitzt die Angst vor nasser Fahrbahn tief in der Motorradseele. Winni als Instruktor lässt jeden Teilnehmer einzeln fahren und bremsen, die anderen schauen zu, nicht immer kommentarlos. Tatsächlich gelingt es allen, in den ABS-Regelbereich hinein zu bremsen. Diese Erfahrung schafft Vertrauen zwischen Mensch und Maschine.

Als nächstes wird das Ausweichen um stehende Hindernisse geübt und der Lenkimpuls um Pylone „erfahren”. Auch das deutliche Spüren des Aufstellmoments eines Motorrades beim Bremsen in Schräglage gehört zum Trainingsprogramm. Es sind die sogenannten „Grundfahrübungen”, die sich sinnvollerweise nur auf einem abgeschlossenen Trainingsgelände sicher durchführen lassen.

Schloss-in-Bad-ArolsenDas Basishotel für die viertägige Veranstaltung ist der Sauerländer Hof in Willingen. Gleich zu Beginn werden erste Erfahrungen ausgetauscht und Erwartungen für die kommenden Tage ausgesprochen. Mit Horst und Heinz sind zwei „Wiederholungstäter” erschienen, die gern die Gelegenheit nutzen wollen, sich im Kreis Gleichgesinnter fit zu machen. Andreas hat sich eine 1000er Honda CBF gekauft und möchte im Alter von 41 Jahren die neue Motorradwelt erleben. Mit seiner Ankunft hat er seine ersten 1000 Kilometer erfolgreich zurückgelegt. Ker­stin gesteht uns, dass sie das Motorrad ihres Vaters nicht verkaufen wollte, dann eben den Führerschein machte und nun begeistert die ersten 2000 Kilometer abgespult hat. Ferdinand hat sich eine Honda Deauville gekauft und fährt jetzt im Ruhestand regelmäßig seine Touren. Und Matthias hat etwa 20.000 Kilometer in seinem Leben zurückgelegt und möchte an seiner Kurventechnik weiter feilen.

Schloss-Waldeck-am-EderseeFür die beiden Tourtage sind die Teilnehmer in zwei Gruppen aufgeteilt. In ruhiger Fahrweise verlassen wir das „Upland” und steuern auf kleinen ausgesuchten Straßen als erstes Ziel die Kugelsburg bei Volkmarsen an. Hier im Fürstentum Waldeck ist die Welt noch in Ordnung. Die schmalen Nebenstraßen herrlich kurvig und die Landwirtschaft vom Frühjahr bis spät im Herbst im vollen Schwung. Die ersten Punkte der Tagesordnung, wie „locker sitzen”, „Blickführung” und „Fahrbahn lesen”, können erfolgreich abgearbeitet werden. Lehmspuren, gelegt von groben Treckerreifen und Ölflecken sind auf den kleinen Dorfstraßen keine Seltenheit. Kleine Tipps am Rande und Kaffee mit Kuchen lassen die Seele wieder in den Sollbereich pendeln. Und spätestens mit Einfahren in den Naturpark Reinhardswald heißt Blickführung auch aufmerksam den Waldsaum rechts und links beobachten. Denn hier gibt’s reichlich Wild. Besondere Beachtung gilt dem Schwarzwild. Die marschieren auch am helllichten Tag durch die Gegend und sind für Motorradfahrer schon ein Hartziel.

Die Mittagsrast auf der Sababurg an weißgedeckter Tafel mit Blick über die Eichenwälder wirkt erhaben, die erlesene Speisekarte und die frisch zubereiteten Gerichte sind für Genießer gerade recht. Hier ist der Sage nach Dornröschen wachgeküsst worden. Die Dornenhecken gibt es nicht mehr. Aber ein gepflegter Rosengarten ist immer noch zu bewundern. Die Weiterfahrt durch den Reinhardswald ist für Naturliebhaber ein Genuss. Die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h erscheint in Anbetracht des von Wildschweinen umgebrochenen Waldbodens als sinnvoll, bietet das beschauliche Tempo doch gleichzeitig den Vorteil, Verfall und Verjüngung des bis zu 600 Jahre alten Eichenbestandes zu betrachten.

ABS-BremsuebungDie geplante Route führt nun Richtung Edersee. Direkt am Fuß der Sperrmauer erwartet uns e-on Pressesprecher Jürgen Schwarz. Der Energie-Gigant produziert hier mit der Wasserkraft des Stausees Strom. Zwar ist das Betriebsgelände ab­gesperrt, doch für uns stehen heute die Tore offen. Eine kleine Führung überrascht mit der Erkenntnis, dass Turbinenräder heute zwar effektiver laufen, aber die alte Technik aus der Zeit vorm ersten Weltkrieg immer noch funktionieren würde. So befindet sich immer noch ein alter Generator in der Halle, der in den neunziger Jahren vom Netz genommen wurde, aber jederzeit wieder in Betrieb gehen könnte. Wieder auf der Straße, rollen wir mit gemäßigter Geschwindigkeit auf der gut ausgebauten, kurvenreichen Uferstraße des Edersees Richtung Waldeck. Diese Strecke ist ideal, um sich mit den Themen „Lenkimpuls” und „Kurventechnik” besser vertraut zu machen. Eine Ge­schwin­digkeitsbegrenzung auf 50 km/h ist eine ernsthafte Ansage und wird auch regelmäßig überwacht. Aber die Technik des Kurvenfahrens lässt sich zweifelsfrei auch bei dieser Geschwindigkeit üben. Zum Schloss Waldeck dürfen wir bis in den Schlosshof hinauf fahren. Letzte Kaffeepause vor der Heimfahrt, mit herrlichem Blick auf den Edersee.

Der zweite Tourtag ist dem „Land der 1000 Berge” und speziell für uns dem „Land der 1000 Kurven” gewidmet. Das Hochsauerland hat es in sich. Auch wenn es zwischendurch immer wieder mal beschauliche Ab­schnitte vorbei an Wiesen und Feldern gibt. Und wie bestellt flitzen gleich zur Morgenstunde mehrere Hasen vor uns über die Fahrbahn. Angewandtes Thema „peripheres Sehen” und „Bremsen”!

EderberglandKurze Kaffeepause im Informationszentrum des Naturparks Kellerwald mit kleiner Diskussionsrunde: Wie begegne ich dem Wild oder Tieren auf der Straße? Eine einfache Antwort gibt es nicht, da zwischen Hase und Hirsch ein Gewichtsunterschied von fast 400 Kilogramm und ein Höhenunterschied von rund zwei Metern besteht. Grundsätzlich besteht das Anpassen der Fahrweise auch darin, zu wissen, welches Wild wann und wo zu welchen Zeiten über die Straße wechselt. In Nordhessen mit seinen weiten Wäldern sind Rehe und Wildschweine der häufigste Unfallgegner. Die Schwarzkittel sind überwiegend nachts auf Wanderschaft, das Reh vorwiegend in den erweiterten Morgen- und Abendstunden auf der Suche nach Nahrung. Juli und Anfang August sind die Monate, in denen das Rehwild treibt, das heißt, sich den Liebesspielen ganztägig hingibt. Und wie so, oft nicht nur auf freier Wildbahn, werden Verstand und Aufmerksamkeit dieser einen kleinen Tätigkeit zu 100 % untergeordnet. Grundsätzlich gilt, vor dem Zu­sammenprall die Geschwindigkeit so weit wie möglich herab bremsen, aber nicht ausweichen. Nachts immer die Ge­schwindigkeit herabsetzen und abblenden, denn oft kommen die geblendeten Tiere in ihrer Panik nicht aus dem Lichtkegel heraus. Und daran denken, in der Dunkelheit lauern die Verwandten, besonders Wildschweine sind selten allein unterwegs. Hupen kann nutzen, doch darüber streiten die Gelehrten.

Wer reist, soll auch rasten. In der „Bikerpension Arnold” in Dodenau im Ederbergland werden schon die Pfannen in Betrieb genommen. Für kleines Geld gibt es wirklich große Portionen. Bei schönem Wetter und in der Motorradsaison herrscht im Biergarten Hochbetrieb. In der Woche ist weniger los, macht auch nichts, die Schnitzel schmecken so oder so ganz lecker. Auf zur Sackpfeife und weiter geht es über Bad Laasphe, Richtung Erndtebrück. Von hier aus ist die Fahrt nach Willingen über verkehrsarme Nebenstrecken ein Genuss für Kurvenliebhaber. Leider hat Väterchen Frost ganze Arbeit geleistet. Kilometer für Kilometer wird die Fahrt auf das Thema „Fahrbahnlesen” reduziert. Straßen­­aufbrüche so tief wie der Grand Canyon wechseln mit komplett verschwundenen Teerdecken, teilweise erschreckend. Zum Üben jedoch hervorragend geeignet und das „Zielfahren” bekommt echte Bedeutung. Die Löcher im Asphalt werden mal links, mal rechts umfahren. Wenn hier der Tourismus boomen soll, ist noch viel Arbeit zu leisten.

Am Abend sind Gespräche über Mo­tor­radtechnik angesagt. Erstaunlich, wie der Biker von heute sich auf seine Werkstatt verlässt. Vielleicht ist das der Unterschied zwischen Biker und Motorradfahrer? Aber auch heute gibt es noch den Hang zum Selbermachen – vereinzelt. Völlig aus der Rolle fällt, wer sich prinzipiell auf seine Werkstatt beruft, wenn es um Reifendruck, Kettenspannung oder Profiltiefe der Reifen geht. Hier kann die persönliche Verantwortung nicht abgegeben werden. Schön, darüber gesprochen zu haben.

Der vierte und letzte Tag führt uns über Brilon hinaus nach Rüthen auf einen ADAC-Übungsplatz. Ganz gezielt werden zum Abschluss aus verschiedenen Geschwindigkeitsbereichen das Ausweichen mit bewusst eingesetztem Lenkimpuls und die Vollbremsung bis in den ABS-Regelbereich verfeinert.

Die Ausschreibung ist eindeutig, die Erwartungen allerdings vielfältig. Und so interessiert, wie die Tour mit dem „Dualen-Perfektions-Training” angekommen ist. „Wir haben mehr erlebt und erfahren als erwartet”, so die Antworten.

HONDA-Tourenprogramm 2011: „Komm, fahr mit uns” suchen und buchen:
www.honda.de (Motorräder – Honda Erleben – Touren&Events)