aus Kradblatt 10/23 von Michael Müller
Honda Vertragshändler aus Freudenstatt im Schwarzwald, www.mk-mueller-net.de
Die Geschichte einer Freundschaft
Alter ist wichtig? Eigentlich nicht! Das gilt für Menschen aber auch für Motorräder. Michael Müller erzählt von einer langjährigen Freundschaft.
Michael und Jutta waren auf ihren 50 ccm Mopeds (Zündapp KS 50 und Yamaha Chappy) auf dem Weg vom Schwarzwald nach England und gerade beim Einfahren auf die Fähre von Calais nach Dover, als neben ihnen eine alte, staubige und klapprige Yamaha XS 650 auftauchte und mit ihnen die Rampe hoch fuhr.
Am Lenker ein langhaariger Mann und hinten als Passagier eine Frau, beide in den typisch öligen, alten Belstaff Jacken und Jeans, von denen man nur noch erahnen konnte, dass diese mal blau waren. Beladen mit Gepäck wie ein Kamel aus den Karl May Büchern mit Kara Ben Nemsi, als der durch die Wüste pilgerte. Die schienen eine lange Tour hinter sich gehabt zu haben und natürlich grüßten die Biker und die Mopedfahrer sich freundlich.
Auf der Fähre traf man sich zufällig in der Kantine beim English-Breakfast, quatschte über das Woher und Wohin und beide Seiten waren erstaunt über die anderen.
Michael (Müller) und Jutta erfuhren, dass das Paar auf der Rückreise von einer sechswöchigen Tour nach Griechenland war und Sam und Stew (Sandra und Steward) hörten, dass die zwei aus dem Schwarzwald kommen und mit ihren 50er Mopeds auf dem Weg Richtung Schottland waren. Man tauschte auf Bierdeckeln Adressen aus und versprach, sich irgendwo und irgendwann mal wieder zu sehen. Handy, Whatsapp, Facebook oder Instagram waren damals Features aus Raumschiff Enterprise und man verschickte noch Postkarten oder Briefe. Das war 1980.
Man schrieb sich immer mal wieder und traf sich dann nach einigen Jahren das erste Mal wieder und danach etwas öfter.
1989 war es dann soweit: Sam und Stew brachen nach neunjähriger Planung und dem finden eines geeigneten Motorrades, einer 1988er BMW R 100 GS, zu ihrer Weltreise auf, die irgendwie nie enden wollte bzw. will.
Im November 1989 besuchten sie ihre Freunde, die Müllers, in Freudenstadt und konnten sich nochmal richtig aufwärmen, da es zu dieser späten Jahreszeit schon fast schneite. Ihre einjährige Reise führte sie dann über Europa und Asien bis nach Australien.
Dort, nach ca 20.000 km angekommen, vergaßen sie im rechten Moment zu bremsen und so fuhren sie nochmal 10 weitere Monate einfach weiter durch ganz Australien und erkundeten den roten Kontinent.
Australien und die Eindrücke dort blieben so sehr in den Köpfen der zwei Reisenden hängen dass sie sich nach ihrer Rückkehr nach England entschlossen, dorthin auszuwandern.
Nach der Geburt ihrer zwei Töchter Sairha und Lacey war es dann soweit, die Familie und ein vollgepackter Container verließen England und sie machten sich auf den Weg nach Australien. Sie bauten sich dort eine neue Existenz auf, Sandra als Doktor der Chemie an der Universität und Steward restaurierte Häuser, Boote und Motorräder und bereiste weiterhin den roten Kontinent.
2015 erwachte die nie vergessene Reiselust und der Wunsch, die „begonnene“ Reise einfach dort fortzusetzen, wo man sie letztes Mal unterbrochen hatte.
Und da „Fritz“, die treue alte BMW, noch immer im Besitz der beiden war – mittlerweile zwar etwas angestaubt, verbeult und mit einigen Kampfspuren versehen – entstand sehr bald die Idee, die nächste Tour wieder mit ihm zu machen. Fritz hatte sich ja bewährt und war recht einfach auch mal neben der Straße bei Bedarf zu reparieren. Also wurde die Garage aufgemacht und Fritz, der mittlerweile fast im Ruhestand war, herausgeholt. Liebevoll getätschelt und mit einem „Fritz, we keep going!“ in die Werkstatt geschoben
Fritz erhielt einen kompletten Service und einige neue Teile und Verbesserungen wie eine bessere und kräftigere Bremse vorne, ein modifizierter Gepäckträger und Taschen über dem Tank wurden angebracht. Im Outback getestet, wurde er dann auch gleich wieder zerlegt und zusammen mit dem Gepäck in einer große Holzkiste verpackt für die PanAm-Tour nach Alaska verschickt.
Von dort ging es durch die USA und viele weitere Länder bis runter nach Argentinien, von wo Fritz Mitte 2016 nach Großbritannien verschickt wurde. Von dort ging es dann weiter nach Europa, natürlich mit einem Zwischenstopp bei den Müllers in Freudenstadt.
Ein wunderbares Wiedersehen und Fritz, Sam, Stew und die Müllers machten Fotos genau an der gleichen Stelle, wie 27 Jahre davor. Ein netter Gag, dort noch nicht wissend, dass die gleichen Darsteller im August 2023 diese Fotosession wiederholen würden. Nun alle etwas älter, vielleicht etwas müder aber noch immer herzlich verbunden.
Steward, ist inzwischen 72 Jahre alt, Langstreckenläufer, Sandra, 62, Langstreckenschwimmerin, Michael knapp 61, Couch-Potato und Carmen, 58, die damals beim ersten Treffen 1980 zwar noch nicht dabei war (aber kurz danach), sowie Fritz, nun auch schon stolze 35 Jahre alt.
Aber zwischen den letzten Bildern lag noch die Tour von Europa zurück nach Australien. Dieses Mal ging es über die Türkei, Iran und Pakistan nach Indien wo Sam und Stew dann weitere Biker in Pune trafen, die die Müllers ein Jahr vorher auf ihrer Indien Tour kennen gelernt hatten und die sie zur Familie zählten.
Es war ein herrliches Treffen und die Müllers erhielten unzählige Whatsapp und Messanger Nachrichten und Videos von ihren Biker-Freunden aus Australien und Indien.
Es gäbe da noch viel mehr zu erzählen, zum Beispiel von Candida, einer Bikerin aus Bangalore (Indien), die Sam und Stew dort traf und sie einige Zeit später mit ihrem Motorrad von Indien aus in Australien besuchte. Candida schaute später auf ihrer Europatour dann auch bei den Müllers in Deutschland vorbei. Die Welt wird durch solche Freundschaften einfach etwas kleiner und schöner.
In Indien war aber dann leider Endstation, da die Kriegswirren um Myamar und in den Grenzregionen ein Weiterkommen nach Indonesien unmöglich machten und so wurde Fritz wieder per Boot auf die Heimfahrt nach Australien geschickt. Sam und Stew folgten per Flugzeug und die Reise war beendet.
Aber die Geschichte war noch nicht zu Ende, da Sam und Stew ein paar Flecken der Erde noch nicht besucht hatten und so standen Japan, Russland und die Mongolei auf der Wunschliste. Leider wurde dieser Plan dann durch einen kleinen Virus namens Covid vereitelt und man musste zwei Jahre froh sein, wenigstens im Outback ein paar Tage zu reisen. Dem Virus war es dort nämlich zu heiß.
Endlich war die Krise beendet, da rückte Putin in der Ukraine ein und verärgerte den Rest der Welt und so wurde der Plan mit Russland dann auch leider begraben.
Also Plan B. Die zwei holten sich eine Weltkarte raus und schauten, wohin man denn sonst noch könne und siehe da, das Nordkap und Südafrika wären ja auch noch eine Option: von Kap zu Kap.
Fritz wurde wieder hergerichtet, schön gemacht, zerlegt und eingepackt und im Mai 2023 nach England verschifft.
Von dort ging es los nach Skandinavien und der erste Punkt, das Nordkap besucht. Für ein Honda MK Müller T-Shirt Bild war es dort aber zu lausig kalt und wurde deshalb in der Unterkunft gemacht. Das T-Shirt von den Müllers reist auch schon seit Jahren mit ihnen und immer wieder kommen schöne Bilder davon in den Schwarzwald.
Nach Skandinavien ging es langsam über Schweden Dänemark und Holland wieder runter in den Süden, mit dem obligatorischen Zwischenstopp und einigen Tagen Pause bei den Müllers.
Es mussten ja die Fotos von Fritz, Sam, Stew, Carmen und Michael gemacht werden. In der Zwischenzeit liegen nun 34 Jahre dazwischen.
Es war wieder ein toller Spaß und nach ein paar Tagen und rechtzeitig vor dem großen Regen setzten die zwei Globetrotter ihre Fahrt fort und sind nun auf dem Weg nach Südafrika.
Sie haben versprochen zum 50-jährigen Jubiläum dieser Biker-Freundschaft wieder zu kommen oder die Müllers besuchen sie dann in Australien. Alle freuen sich schon darauf.
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