Rund um die Ostsee
Für unseren Sommerurlaub hatten wir eine Motorrad-Reise rund um die Ostsee geplant und der Besuch St. Petersburgs sollte der Höhepunkt dieser Unternehmung werden.

aus bma 5/09

von Fritz Inhülsen & Sabine Bäuerle

Rund um die Ostsee

Für unseren Sommerurlaub hatten Sabine und ich eine Reise rund um die Ostsee geplant und der Besuch St. Petersburgs  sollte der Höhepunkt dieser Unternehmung werden.
Reichte es für unsere bisherigen Touren immer, Straßenkarten und Geld dabei zu haben, musste diesmal etwas mehr vorbereitet werden. Wir brauchten gültige Visa und auch eine Unterkunft in Petersburg musste gebucht sein (www.swiss-star.ru) Dieses ist aber Dank Internet zügig zu erledigen.
Am 12. August starteten wir und fuhren zügig über die A1 und A20 in Richtung Stettin. Dort am Grenzübergang trafen wir uns mit unserem Berliner Freund Norbert, der uns für einige Tage begleiten wollte.  Am Abend fanden wir eine nette Unterkunft in der Nähe von Chojnice (Konitz) und bei Abendsonne und kühlem Bier erholten wir uns von dieser 800km-Tagesetappe.
Polen wollten wir zügig durchfahren, aber ein Besuch des ehemaligen Führerhauptquartiers „Wolfschanze“ in Ketrzyn (Rastenburg) sollte schon dabei sein. Leider war inzwischen das Wetter so schlecht geworden, dass wir eine Zwischenübernachtung in Bartoszyce (Bartenstein) einlegen mussten und deswegen erst am nächsten Morgen nach Rastenburg weiterfahren konnten. Aber der Regen begleitete uns weiter und so fiel auch der Besuch der „Wolfschanze“ recht kurz aus. Völlig durchnässt (trotz Gore-Tex) erreichten wir am Abend die polnisch-littauische Grenze, wo wir auf einem Autohof ein Quartier fanden.

Am nächsten Morgen kam zögernd die Sonne durch, die Straßen trockneten ab und zügig ging es durch Litauen Richtung Riga. Die Fahrerei in den baltischen Staaten, und das kann man pauschal für alle drei sagen, ist ein Hochgenuss. Wenig Verkehr auf tadellos ausgebauten Straßen. Der EU sei dank, für die großzügigen Subventionen. In Riga verpassten wir die Umgehungsstraße, quälten uns durch den Feierabendverkehr, fanden aber schließlich die Küstenstraße (A1) wieder und bald auch einen herrlich gelegenen Campingplatz. Der Blick über die Ostsee war großartig und ein Erlebnis für sich. Wir machten uns diesen Abend besonders schön; denn unser Freund Norbert musste am nächsten Tag zurück. Noch ein gemeinsames Frühstück und dann trennten sich unsere Wege. Wir fuhren weiter durch Lettland, zweigten in Pärum ab in Richtung Rakvere. In dem schönen lettischen Badeort Toila übernachteten wir ein letztes Mal vor der russischen Grenze.

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Rund um die Ostsee

Am nächsten Morgen hatte wir noch ca. 35 km bis zu eben dieser Grenze zu fahren. Sabine und ich waren schon ein wenig beklommen, ob der Dinge, die vor uns lagen. Wir erreichten die Stadt Narva und fuhren vorbei an kilometerlangen LKW-Kolonnen, die alle die Grenze passieren wollten. Tagelange Wartezeiten ohne jede Versorgung und ohne jegliche Sanitäranlagen sind hier der Alltag der LKW-Fahrer. Ein deprimierendes Bild. Wir fuhren bis an den lettischen Grenzübergang und wurden auch zügig abgefertigt. Die Kontrolle war freundlich, aber sehr penibel.

Nachdem auch die Fahrgestellnummern unserer Motorräder kontrolliert worden waren, konnten wir nach circa einer halben Stunde die Kontrollschleuse verlassen. Langsam rollten wir auf die russische Grenze zu. Stopp: 1.Kontrolle. Wir mussten unsere Pässe vorzeigen. Weiterfahren bis zur Hauptkontrolle und dann warten. Unmittelbar vor der Hauptkontrolle: Pässe vorzeigen. Dann hinein in die Hauptkontrolle (Schleusensystem: Schranke vor und hinter dem Fahrzeug). Wieder Pässe vorzeigen, grüne Versicherungskarte vorzeigen und Formulare ausfüllen. Da meine Russischkenntnisse gleich Null sind, mussten wir auf eine Dolmetscherin warten, die uns helfen konnte. Als wir alle Formulare und auch eine Zollerklärung ausgefüllt hatten, ließ sich der Grenzbeamte noch einmal unsere grüne Versicherungskarte zeigen. Diesmal schien sie ihm gar nicht mehr zu gefallen; denn er schickte uns in ein Bürogebäude, wo wir uns eine neue Versicherungskarte ausstellen lassen sollten. Dort stellte man uns zwei neue, russische Versicherungspolicen aus und zwar zum Schnäppchenpreis von 20 Euro pro Versicherung. Mit diesen neuen Versicherungsnachweisen ging es dann wieder zurück zum Kontrollhäuschen, wo wir wieder warten mussten. Aber niemand interessierte sich für unsere Neuerwerbungen. Irgendwann kam dann ein anderer Grenzbeamter, verlangte unsere Zollerklärung, stempelte sie ab und kassierte 10 Euro. Zum guten Schluss verlangte man dann noch eine Vollmacht von Sabine, denn ihr Motorrad ist aus versicherungstechnischen Gründen auf den Namen ihres Mannes zugelassen. Sie muss also einen Nachweis führen, dass sie dieses Motorrad fahren darf. Natürlich hatte sie so etwas nicht dabei. Nach einigem Hin und Her durften wir schließlich passieren, um nach 300 Metern noch einmal unsere Pässe vorzuzeigen. Jetzt endlich, nach über zwei Stunden, hatten wir freie Fahrt. Aber nur für einen knappen Kilometer.

Rund um die Ostsee

Im Grenzort Ivangorod winkte uns eine Polizeistreife rechts heran. Die zeigte sich zunächst sehr interessiert an unseren FJRs 1300ern, verlangten dann aber sehr bestimmt eine Vollmacht von Sabine. Natürlich wussten die Polizisten sehr genau, dass eine solche nicht vorhanden war. Aber mit 30 Euro war auch dieses Problem gelöst und wir durften unsere Fahrt fortsetzen.
Jetzt gingen mir einige Gedanken im Kopf herum. Wie schnell dürfen wir eigentlich fahren? Ich hatte keine Hinweisschilder gesehen. Was passiert, wenn uns die nächste Streife anhält und wieder Geld verlangt? Langsam fuhren wir zur Stadt hinaus. Das war einem estländischen Reisebus offensichtlich zu langsam und er überholte uns. Diesen Bus als Deckung nutzend gelangten wir unbehelligt bis nach Petersburg.
Die Suche nach unserem Quartier (Swiss-Hotel, Fontanka 93) war durchaus schwierig und äußerst stressig; denn der Verkehr in Petersburg sorgt aus vielerlei Gründen für eine absoluten Adrenalinhöchststand. Straßennamen konnte ich nur entziffern, wenn ich anhielt und sie Buchstabe für Buchstabe mit meinem Stadtplan verglich. Ein haltendes Fahrzeug mögen allerdings Petersburger Autofahrer gar nicht gern.
Schließlich standen wir vor unserem „Hotel“, fanden aber nicht den geringsten Hinweis darauf, dass wir hier richtig seien. Weder Hauseingang noch Hausflur ließen erahnen, dass wir hier tatsächlich richtig sind. Deswegen suchte ich zunächst zu Fuß die nähere Umgebung ab, ohne Erfolg. Dann fuhren wir mit den Motorrädern durch mehrere Nebenstraßen. Wir fanden nichts. Dummer weise hatte ich die Telefonnummer des „Hotels“ zu Hause vergessen. Kontaktaufnahme war also unmöglich. Langsam wurde es Abend und wir suchten schon seit fast vier Stunden in der Stadt herum.

Rund um die Ostsee

Ich versuchte, wie schon so oft, einen Passanten mit meinem holperigen Englisch anzusprechen, um nach unserem „Hotel“ zu fragen, traf aber nur auf einen mürrischen Russen, der abwinkte und weiterging. So versuchte ich es erneut beim nächsten Passanten, der auf mich einen freundlichen und frischen Eindruck machte. Als dieser mein Englisch hörte, schlug er vor, uns doch auf deutsch zu unterhalten. Mir fiel ein riesengroßer Stein vom Herzen. Frank, ein in Petersburg lebender Diplomingenieur aus Magdeburg, erfasste unsere Lage und versprach sich solange um uns zu kümmern, bis wir in unserem „Hotel“ seien. Da ich wenigstens die Internet-Adresse unseres „Hotels“ wusste, war es für Frank ein leichtes auch die Telefonnummer herauszufinden und mit dem Hotelbetreiber zu sprechen. Während wir bei unseren Motorrädern warteten, erledigte Frank all dieses im nächst gelegenen Internet-Cafe. Als er zurückkam, sagte er uns, dass wir schon vor Stunden vor unserem „Hotel“ gestanden hätten. Von nun an ging alles sehr schnell. Frank stoppte ein Auto, verhandelte mit dem Fahrer, stieg mit ins Auto ein und lotste uns zur richtigen Adresse: Fontanka 93. Er half uns, unser Gepäck ins Haus zu tragen und verhandelte auch mit dem Wärter eines in der Nähe gelegenen, abgeschlossenen Parkplatzes, so dass auch unsere Motorräder für die nächsten Tage sicher untergestellt waren.

Rund um die Ostsee

Unsere Unterkunft erwies sich als hervorragend und das nicht nur wegen der hervorragenden Wohnqualität, die wir vorfanden, sondern auch wegen der sehr zentralen Lage, die es uns ermöglichte, viele Sehenswürdigkeiten wie z.B. Winterpalais, Admiralität, Generalstabsgebäude, Peter und Paul-Festung, Isaac-Kathedrale und den Newski-Prospekt zu Fuß zu erreichen. Ich will gar nicht erst versuchen diese Liste weiterzuführen oder gar Tips zu geben. Da muss schon jeder Besucher selbst seine Schwerpunkte setzen. Wir jedenfalls sind zwei Tage herumgelaufen und haben die Stadt förmlich in uns aufgesogen. Petersburg ist fantastisch und war für uns ein beeindruckendes Erlebnis. Frank hat uns abends durch typisch russische Kneipen und Restaurants geführt, was unsere Tageserlebnisse harmonisch abrundete. Obwohl ich eigentlich nicht wollte, nun doch noch ein Tip zum Abschluss: Petersburgbesucher, fahrt auf jeden Fall mit dem Tragflächenboot nach Kronstadt und besucht Peterhof, das Schloss Peters des Großen. Wenn ihr das versäumt, wart ihr nicht wirklich in Petersburg.
Der Rest der Fahrt ist schnell erzählt. Von Petersburg fuhren wir zur finnischen Grenze (Vyborg) und hielten uns Richtung Norden. Wir umrundeten  den „Bottnischen Meerbusen“ und passierten bei Haparanda die finnisch-schwedische Grenze. Wir wählten die weitere Route so, dass wir in Schweden zweimal den Polarkreis überfahren mussten. Einmal auf der Strecke nach Pajala und dann südlich von Jokkmokk. So durchquerten wir ganz Schweden, fuhren über die Öresund- und anschließend Stora-Belt-Brücke Richtung Flensburg. Am Sonntag den 27. August waren wir wieder auf heimischen Grund. Unsere Motorräder hatten 6200 km mehr auf dem Zähler und wir viele Erlebnisse und Eindrücke, die nun verarbeitet werden mussten.

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