aus bma 6/12
Text: Matthias Sulowski
Bilder: Jörg Kruckenberg, Matthias Sulowski, Bernd Alvermann
Wenn man beruflich gebunden ist, oder selbstständig sein Geld verdienen muss, bleibt einem manchmal nur eine Woche um ein Motorrad-Abenteuer zu erleben. Also beim Bier abends mit den Kumpels, jeder wieder große Klappe und Reiseziele vor Augen, die eigentlich nicht erreichbar sind. Und immer auch die tollen Berichte in den Zeitschriften, von all denen, die über Wochen mit dem Motorrad, ein Abenteuer nach dem anderen erleben.
Na gut, nach der ersten geglückten Tour über eine Woche durch die Masuren, natürlich Offroad, sollte es jetzt in die Berge gehen. Die Karpaten wären geil, Transsylvanien kennt jeder, aber keiner war da, runterfahren dauert zu lange, also schicken wir die Mopeds in Kisten hin, schnell waren wir uns einig. Also ein Ziel steht, jetzt hab ich wieder für die Planung ein Jahr Zeit, ein Jahr, für eine Woche Urlaub.
Nun erzähl mal jemandem, dass du im Urlaub nach Rumänien fährst, ein Stirnrunzeln ist da vorprogrammiert. Alle möglichen Informationen über Rumänien werden aufgesaugt, Siebenbürgen war durch Deutsche besiedelt worden. Möglicherweise gibt es Deutschsprachige in diesem Gebiet? Mit unseren Fremdsprachen-Kenntnissen genau richtig. Reisezeit ist wieder Ende Mai, da ist meist schönes Wetter und nicht zu warm und viel weniger Mücken.
Nachdem der Flug klar war, wurde eine Spedition gesucht. Was für ein Drama, eine Spedition nach Rumänien zu finden, keiner will da hin, wir umso mehr. Dann doch der Treffer: Die Carpatian-Transport-Line fährt die Mopeds runter. Bei der Zusatzversicherung biss ich mir fast die Zähne aus. Nachdem ich bei den Versicherungen nett nach einer Transportversicherung gefragt hatte, kam die Frage nach dem Ziel des Transports und als ich Rumänien-Transsylvanien erwähnte, wurde einfach aufgelegt, wohl kein Interesse.
Dann bauten wir die Kisten in denen alles Platz hat, 2,40 m x 1,20 m wäre das Idealmaß, dann auch noch 1,60 m hoch und alles passt. Na ja, die KTM Adventure braucht einen abnehmbaren Deckel, die beiden BMW F 800 GS passen so.
Jetzt brauche ich noch eine Lieferadresse. Über das Internet lerne ich Sabin kennen. Er organisiert die Enduromania und hat ein Hotel in Sibiu. Leider kann er die Kisten nicht abladen, ihm fehlt ein Stapler. Also habe ich bei BMW in München nachgefragt, die haben mir eine E-Mail Adresse von BMW in Sibiu zukommen lassen. Ich schreibe den Mann an, lasse alles von einer Freundin ins Englische übersetzten, ich kann ja keine Fremdsprachen, bei Sabin ging das auch. Dann die Antwort in gestochenem Deutsch von BMW aus Rumänien. Klar können sie ihre Maschinen zu uns liefern lassen, wir lagern diese ein und einen Stapler haben wir auch. So fertig, das kannste abhaken, endlich Flug, Spedition, und BMW lagert ein, besser geht es nicht.
Die Vorbereitungen brauchten einige Monate, die Tour muss ja auch zuhause grob geplant werden. Dracula ist wichtig, dann die Berge, ein Stausee, die Walachei und Zelten muss auch sein. Eine Pension, am besten klein und privat wäre auch super, dann die Kontakte mit Adressen suchen. Sabin musste auch mit rein, Sabin organisiert jetzt eine Tagestour für uns, 25 Euro soll der Spaß kosten. Mittlerweile hab ich auch eine E-Mail-Adresse in Deutschland, seine Freundin stellt sich als Super-Dolmetscher heraus. Sie organisiert sogar die Zimmer zur Übernachtung am Ende der Tagestour.
Jetzt ist alles organisiert, es geht bald los, sogar die Frage der Transportversicherung konnte gelöst werden. Dann der Anruf von BMW aus Rumänien: Sollen wir ihre Fahrzeuge montieren oder diese auf Transportschäden überprüfen? Was für ein Service, ist meine Antwort, das gehört sich so, kam zurück. Dann bekommen wir auch noch eine Notfall-Telefonnummer, falls etwas passiert oder wir einen technischen Defekt haben, rufen Sie an.
Jetzt geht es los, die Kisten sind schon unterwegs, und wir fliegen hinterher. Am Donnerstag geht es los, wir drei stellen uns immer die gleiche Frage: Sind die Kisten bei BMW angekommen und sind unsere Mopeds noch drinnen? Dann, den Abend vor dem Abflug, kommt die erlösende E-Mail von BMW aus Rumänien. Original Text: Hallo Hr. Sulowski, die Motorräder sind da und warten darauf, eingesetzt zu werden.
Der Flug ab Hamburg über Wien verläuft super, wir kommen pünktlich um 15:30 Uhr in Sibiu / Hermannstadt an. Dann bei BMW der erste Eindruck von Rumänien, die Kisten stehen warm und trocken in der Halle.
Nachdem wir die Mopeds ausgepackt haben geht es nach einer kleinen Runde durch die Stadt, zu unserem ersten Ziel, eine Pension in der Nähe des Flughafens. Nachdem wir auf den Hof gefahren sind, kommt der Wirt mit drei Bier zur Begrüßung, superfreundlich, und er spricht auch noch perfektes Deutsch, der Urlaub hat soeben begonnen.
Nach der ersten Nacht haben wir uns Richtung Schäßburg, dem Geburtshaus von Graf Dracula aufgemacht. Es geht nur auf Nebenstrecken voran, ohne Enduro hast du hier keine Chance, nur Schotterpisten oder Asphaltstraßen mit riesigen Schlaglöchern.
Der Eindruck von den Menschen, die hier auf Feldern arbeiten und mit Pferdefuhrwerken unterwegs sind, ist überwältigend. Nach knapp 200 km suchten wir ein Platz zum Zelten, in der Umgebung von Brașov fanden wir ein schönes Stück Wiese, weit ab von bewohntem Gebiet. Nachdem unser Lager eingerichtet war, wurde der Fremdenführer rausgeholt. Im Original liest Jörg den Satz vor: vor wildem Zelten in der Nähe von Brașov wird gewarnt, die Bären-Population ist hier am größten. Nachdem wir alle den Schock verarbeitet haben, wurde min. 3 m³ Holz für ein Lagerfeuer, das mindestens über Nacht brennt, herangeschafft und eine Wache eingerichtet. Am nächsten Tag fuhren wir Richtung Bran, hier ist der bekannte Film von Dracula gedreht worden. Leider ist alles auf Tourismus aufgebaut, eigentlich gibt es nur Kitsch zu kaufen. Nach dem Mittagessen machten wir uns auf, den ersten Berg zu erklimmen, wir wurden dann leider kurz vor dem Aufstieg in Sinaia durch eine riesen Regenwolke überrascht. Also kurzfristig umplanen, mit dem Einzug in ein Hotel.
Dann wurden wir mit einem super Sonnentag verwöhnt, wir fuhren auf Schotterpisten in Serpentinen den Berg von „Fagaras“ Gebirge hinauf. Auf halber Höhe angekommen, wurden wir mit einer Aussicht belohnt, die alles in den Schatten stellt. Ein Stausee mit superglatter Oberfläche in der sich der schneebedeckte Berg und die seitlichen Bergwälder spiegeln, das kannte ich nur von einer Fototapete. Hier sind die Mülltonnen eingezäunt, damit die Bären nicht zu viel Schaden anrichten. Später wurden wir leider durch eine Schranke an der Weiterfahrt gehindert, der Pass weiter hoch war gesperrt.
Da wir die Nebenstrecken bevorzugen, habe ich eine Route abseits der großen Straßen geplant. Wieder geht es durch kleine Dörfer ohne fließend Wasser und Gebiete abseits der Städte. Die Straßen weichen immer mehr von der Navigation ab. Teilweise ist der Weg, den wir fahren, gar nicht im Navi vorhanden.
Dann die Katastrophe, eine Brücke ist abgerissen und eine neue noch nicht fertig. Eigentlich kein Problem, wir hatten uns an die vielen Wasserdurchfahren ja schon gewöhnt. Leider bestand der Weg ab der Brücke nur noch aus nassem klebrigen Lehm. Ich glaube 500 Meter haben wir geschafft, dann war bei der KTM Schluss, der Lehm hatte sich zwischen vorderem Kotklügel und Reifen so festgesetzt, dass sich nichts mehr drehte. Irgendwann lag sie dann auf der Seite.
Mittlerweile haben sich viele Dorfbewohner unser Schauspiel mit angesehen, wir wurden damit ungewollt zur Attraktion des Nachmittags. Wir wurden eindringlich gewarnt, weiter zu fahren, es sei eine Sackgasse. Also zurück, die beiden BMW schafften es ohne Schaden, bei der KTM ging nichts mehr. Wir kamen nicht drum herum den Kotflügel vorne zu demontieren und zu reinigen, jetzt steht es 1 zu 0 für BMW, nach 3 Stunden und 500 Metern. Jörg hatte die Schnauze voll, die Kinder im Dorf kamen in Massen und haben mitgeholfen, sogar mit geschraubt, was für ein Highlight, für uns und die Kinder.
Am nächsten Morgen hatte keiner Bock auf Offroad, es wurde einstimmig Straße befohlen. Wir suchten uns zuerst einen Hochdruckreiniger und ließen den Lehm entfernen und machten uns auf gut ausgebauten Straßen, auf zum zweiten Bergpass. Es sollte die DN7C sein, die Straße geht bis auf 2000 m hoch und Richtung Sibiu. Die wurde durch Zwangsarbeiter in der vergangenen Diktatur gebaut.
Der Weg zum Berg hoch war super ausgebaut, am Anfang war er durch Schlaglöcher geprägt, aber der überwiegende Teil war super. Jetzt konnten wir Kurven fahren. Aufpassen muss man nur auf die Felsbrocken, die mitten auf der Straße liegen. Die DN7C ist die einzige Straße, die in diesem Gebiet über den Fagaras Berg führt. Nach zwei Stunden wurde uns klar, warum wir kein einziges Fahrzeug sahen, der Pass ist gesperrt.
Egal, wir fuhren trotzdem am Schild vorbei und immer höher. Wieder wurden wir mit einer Aussicht belohnt, die unbegreiflich ist. Seit 1400 Metern sind wir über der Baumgrenze, dann, bei 1905 Metern, war Schluss. Wir stehen im Schnee, teilweise bis drei Meter hoch. Das Wetter in den Bergen ist unberechenbar, kaum sind wir bei Sonnenschein angekommen, schlug das Wetter um, Gewitter mit Donner und Blitz, jetzt aber weg hier.
Da jetzt wieder zwei Stunden Fahrt zurück bis zur nächsten Kreuzung anstehen, genießen wir die Fahrt. Auch wenn es der gleiche Weg ist, es fährt sich bergab irgendwie anders. Am „Lacul Vidaru, ein riesen Stausee, steht ein 3-Sterne Hotel, in das wir einkehrten, neu und perfekt gelegen. Die Grundstücke hier werden in 10 – 20 Jahren unbezahlbar sein.
Jetzt wollen wir nach Sibil. Den Ort kenne ich aus einem Film, den ich bei den Vorbereitungen gesehen hatte. Dort gibt es eine Frau, die eine Pension mit Hausmannskost betreibt. Der Weg dahin, geht über die Hauptverbindungstraße DN7A eine parallele Straße zur unserem Bergpass, nur unterhalb von 500 Metern und somit ohne Schnee. Aber die Fahrweise der Rumänen ist gewöhnungsbedürftig, einmal nicht 100 % Aufmerksamkeit und du bist weg. Polizei mit Blaulicht wird von 40-Tonnern überholt, auch bei Gegenverkehr wird überholt. Was waren wir froh, diese Straße bald wieder gesund verlassen zu können.
In den Bergen bei Sibil fanden wir sogar die Pension aus dem Film. Am Nachmittag kam dann wieder Regen, man kann die Uhr danach stellen. Wir zogen wieder die Regenkombis an und wollten uns auf den Weg in Richtung einer Seilbahn in den Bergen machen. Uns kamen unterwegs KTM entgegen, das war bestimmt Sabin mit einer geführten Tour.
Als wir später im Regen wie im Amazonas auf Feldwegen nicht weiter konnten, machten wir uns auf den Rückweg. Dabei habe ich versucht, auf ausgebauten Straßen zu bleiben und wurde durch Sibiu/ Hermannstadt geleitet. Da waren wir uns schnell einig, wieder bei Roman in seiner Pension „Villa Santa Maria“ zu übernachten. Als wir auf den Hof fuhren, wurden wir wieder mit Bier begrüßt, da war wieder alles gut, auch Bernd lachte wieder.
Am Abend haben wir die letzte Tour abgesprochen, Sabin können wir vergessen, Offroad brauchen und wollten wir nicht mehr. Es soll lieber noch mal auf den gesperrten Bergpass gehen, nur von der anderen Seite und ohne Gepäck. Roman hatte uns einen Platz für unsere Koffer in seiner Pension zugeteilt, dann ging es los. Jetzt ohne Gepäck zu fahren war ungewohnt, am Bergpass in den Kurven aber lobenswert. Wir fuhren bis zu Absperrung des Passes mit Gegenverkehr, dann waren wir die letzten 15 Kilometer alleine.
Wieder wurden wir mit Sonnenschein belohnt, Bärenkot und Felssteine waren die einzigen Hindernisse auf dem Pass. Der Rückweg ging wieder durch Siebenbürgen Richtung Sibiu, durch Dörfer die abseits ausgebauter Straßen liegen. Hier wurden wir durch die winkenden Kinder und Erwachsene auf Feldern begrüßt. Toll was für ein gastfreundliches Land, alle Warnungen von unseren Bekannten können wir nicht bestätigen, gerne würden wir alle drei das Land wiedersehen.
Am letzten Tag haben wir bei BMW „Contepo Cars” in Sibiu die Motorräder verpackt und uns für die Einlagerung bedankt. Dann traten wir mit einer anderen Meinung über Rumänien, den Rückflug Richtung Deutschland an. Die Kisten mit unseren Mopeds werden uns hoffentlich bald nachfolgen.
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