aus Kradblatt 6/14
Text & Fotos: www.winni-scheibe.com

 

Elektromotorrad-Rennsport, ein Rückblick auf das Münch-Team

 

Muench-Racing-TeamMan hört und riecht nichts und bis man merkt, dass es was zu sehen gibt, ist es bereits zu spät. Mit einem „Surren“ sind die Flitzer längst hinter der nächsten Kurve verschwunden. Die Rede ist von Elektro-Bike-Rennen.

Oschersleben ist für feinen Rennsport bekannt. Die Aktionen lassen sich in der übersichtlichen Motorsport-Arena gut verfolgen, der kernige Racing­sound ungetrübt genießen. Am zweiten August-Wochenende standen bei der 15. German-Speedweek 2012 hochkarätige Rennen mit der FIM 8-Stunden Endu­rance-Weltmeisterschaft und Side­car-WM im Kalender. Dazu gab es Läufe zur 4-Stunden Classic-Endurance, Classic-Superbike, SuperMono, SuperDuke Battle und ICGP. Neben der Piste ein buntes Rahmenprogramm mit fetzigen Rock-Konzerten.

Ein neues Kapitel im Motorsport schlagen die FIM e-Power International Championship und der TTXGP European Championship auf. Hier fahren fast lautlos und ohne Abgase Elektro-Racer um die Wette. Favorit in beiden Meisterschaften ist das Münch Racing Team aus Kassel-Lohfelden. Das Heimspiel sollte zum Höhepunkt der Saison werden und Münch-Rennstallbesitzer Thomas Petsch verrät: „Neben Matthias Himmelmann und Katja Poensgen pilotierte unser Cheftechniker Thomas Schuricht das dritte E-Bike. Um das Event entsprechend zu würdigen, hatten wir aus dem Kreis unserer Sponsoren rund 150 Ehrengäste eingeladen.“
Fast wäre das Fest zur funkenden Stromer-Megaparty geworden. Das Sprint­rennen am Samstag gewann Matthias Himmelmann vor Team-Kollegin Katja Poensgen. Thomas Schuricht wurde von Ho Chi-Fung vom chinesischen Zong­shen Racing Team auf dem letzten Meter überholt und musste sich mit dem vierten Platz zufrieden geben.

StartTrotzdem, mit Sekt, Blaskapelle und gebührendem Applaus feierte man den Erfolg ausgelassen wie einen dreifachen Sieg. Obendrein hatte Matthias Himmelmann eine beachtliche Rundenzeit von 1:38,5 Minuten auf den Asphalt gebrannt. Wer mit einem Supersport-Bike so eine Zeit schafft, ist in Oschersleben richtig schnell. Ein toller Wert für das E-Bike und ein weiterer Grund, sich beim Münch-Team einen kräftigen Schluck zu gönnen.

Sonntag war das zweite e-Power-Rennen angesagt. Alles sah nach einem Hattrick aus. Himmelmann und Poensgen lagen bis zur Halbzeit klar in Führung, Schuricht kämpfte im Mittelfeld. Doch dann passierte das Unfassbare, alle drei Münch-E-Bikes bekamen Probleme mit dem Energiemanagement. Schuricht wurde Fünfter, Himmelmann Sechster und Poensgen verbuchte einen Ausfall. So geräuschlos die Positionskämpfe eben noch in der Motorsport-Arena stattfanden, so ruhig blieb es anschließend in der Münch-Box und Thomas Petsch resümierte: „Ein herber Rückschlag, dabei lief es anfangs so gut. Aber auch solche Erfahrungen gehören zum Rennsport und schließlich handelt es sich bei unseren E-Bikes um reinrassige Prototypen.“
Bisher galt immer, ob im Rennsport oder auf der Straße, ein Motorrad muss rauchen, stinken und Krach machen. Salonfähig ausgedrückt: Ohne echten Sound kommt kein Spaß auf, die Emotionen bleiben auf der Strecke. So jedenfalls die weit verbreitete Meinung, schließlich sind beim Verbrennungsmotor die Geräusche eine technische Angelegenheit. Viele Maschinen lassen sich schon von Weitem an ihrem Klang erkennen. Denkt man nur an die Harleys, Ducatis oder eine klassische Münch-4 TTS 1200 „Mammut“. Bei der Münch TTE-2 mit Elektromotor ist dagegen nur ein Surren zu hören, so, als ob man sich mit einem Fön die Haare trocknet.

Katja PoensgenIn der E-Münch stecken die Gene der legendären Münch Mammut
Motorradfans kennen die „Mammut“ des hessischen Motorrad-Konstrukteurs Friedel Münch als das stärkste, schnellste und teuerste Motorrad, das es einst zu kaufen gab. Von 1966 bis 1980 wurden nur 478 dieser Boliden gebaut. Bis Ende der 1990er Jahre war es recht still um das weltweit erste Big-Bike. Dann lernte Friedel Münch den Würzburger Unternehmer und Münch-Fan Thomas Petsch kennen. Schon bald schmiedeten die beiden Enthusiasten Pläne für ein neues Motorrad. Nach gut zweieinhalb Jahren Entwicklungszeit stand die Münch Mammut 2000 als schwerstes, stärkstes, schnellstes, aber auch mit 86.000 Euro teuerstes Big-Bike, auf den Rädern. Die Sensation war perfekt, das weltweite Interesse beachtlich. Für einen wirtschaftlichen Erfolg hätte Bauherr Petsch sein 260 PS starkes Power-Bike jedoch zum doppelten Preis verkaufen müssen. Nur 15 dieser Asphalt-Brenner wurden gebaut, dann zog der Würzburger Unternehmer Anfang 2004 die Notbremse und stellte die Fertigung ein.

Kurzer Ortswechsel. Ende 2008 bauten die Kasseler Motorradfreunde und Elektroexperten Marko Werner, Thomas Schuricht und Thomas Schönfelder in das Fahrwerk einer Laverda 650 Formula einen 62 PS starken E-Motor und 1300 miteinander verdrahtete 4,2 Volt Akkus ein. Ziel der Herausforderung war die Teilnahme beim ersten CO2-freien TTXGP im Rahmen der TT-Rennwoche auf der Isle of Man. Mit dem zweiten Platz konnte Isle of Man-Spezialist Schönfelder im Sommer 2009 alle Erwartungen übertreffen. Von diesem sensationellen Erfolg hörte der ehemalige Münch Mammut 2000 Hersteller Thomas Petsch, der sich inzwischen auf Solar-Technologie spezialisiert hatte, über einen Insider. Motorrad-Fan Petsch lud die Kasseler Stromer zu sich nach Würzburg ein. Man erkannte viele gemeinsame Schnittstellen und gründete Anfang 2010 die Münch Racing GmbH.

Zongshen-RacingE-Motoräder – Mobilität der Zukunft
Einen kleinen Einblick in die technische Pionierarbeit verrät Münch-Cheftechniker Thomas Schuricht: „Mit der Münch TTE-2 haben wir Neuland betreten. Es gibt nichts Vergleichbares, auch hinsichtlich der Elektro-Technologie liegen keine Erfahrungswerte vor. Die Positionierung des E-Motors und der Batterien machte es sogar erforderlich, dass wir einen eigenen Gitterrohrrahmen konstruieren mussten. Bei den Fahrwerkskomponenten kommt für uns nur hochwertiges Zubehör in Frage. Die Gabel und das TTX36-Federbein stammen von Öhlins, die Bremsanlage von Brembo, die Felgen liefert PVM und fast alle Kunststoffteile sind aus Carbon gefertigt. Zu der größten Herausforderung gehört aber die Entwicklung der elektronischen Steuerung des sich im Fahrbetrieb ständig verändernden Strombedarfes für den E-Antrieb. Vereinfacht muss man sich das so vorstellen. Auf den Geraden wird Volllast abgerufen, beim Abbremsen ist kein Strombedarf erforderlich. Je nach Situation oder Kurve ist zunächst wenig, aber anschließend beim Beschleunigen wieder maximaler Energiebedarf erforderlich. Was man von einem Verbrennungsmotor mit Gasauf-Gaszu her kennt, sind bei den E-Bikes die Spannungsschwankungen, die sich aus den jeweiligen Fahrsituationen ergeben. Für die Akkus bedeuten diese permanenten Wechsel von Null bis volle Leistung Dauerstress. Ein weiteres Entwicklungsfeld ist die optimale Kühlung. Bei den Akkus sollte die Temperatur von 45 °C nicht überschritten werden, der Motor kann bis 130 °C erreichen.“

Der TTE-2 Racer bezieht seinen Strom aus Lithium-Polymer-Akkus. Dieser Batterie-Pack ist etwa 90 kg schwer und kostet gut 12.000 Euro. Für den Vortrieb sorgt ein speziell für Münch entwickelter 100 kW / 350 Volt bürstenloser Wittenstein-Drehstrom-Elektromotor. Das Ag­gre­gat wiegt 25 kg, hat einen Durchmesser von 20 cm und ist 30 cm breit. Durch das enorme Leistungsband bis 12.000/min, das volle Drehmoment von 170 Nm gibt der Motor ab dem Stand ab, sind ein Schaltgetriebe sowie eine Kupplung nicht erforderlich. Lediglich die Endübersetzung über eine O-Ring-Kette wird entsprechend der jeweiligen Rennstrecke angepasst.

Arbeit-Mavizen-AkkuStrom im Vormarsch
Mitte 2010 kam Matthias Himmelmann in das Team und übernahm gleichzeitig die Nachfolge von Thomas Schönfelder. „Drauf setzten, Strom geben, losfahren. Klingt einfach, es gehört aber Köpfchen dazu“, Matthias Himmelmann lacht und erzählt weiter: „Da übliches Kuppeln und Schalten entfällt, ist zunächst eine Eingewöhnung erforderlich. Fußbremse und Fußschalthebel gibt es nicht, die Fußspitzen haben Urlaub. Wird beim normalen Bike mit dem Gasgriff Gas gegeben, wird beim E-Racer über einen Potentiometer-Drehgriff rechts am Lenker der Strombedarf gesteuert. Die Vorderradbremse sitzt wie gewohnt ebenfalls rechts am Lenker und über dem sonst üblichen Kupplungshebel links am Lenker wird die Hinterradbremse betätigt. Ähnlich wie ein Zweitakter, verfügt der E-Motor über kaum eine Bremswirkung. Auf die Energierückgewinnung, die einer Bremse gleichkommt, wird zum Schonen der Akkus bei uns im Rennsport verzichtet. Leichtes Verzögern wird über die Hinterradbremse geregelt, die Hauptarbeit übernimmt jedoch die Vorderradbremse. Hat man sich an diese Bedienung gewöhnt, lässt es sich viel besser auf das Fahren und das Renngeschehen konzentrieren. Dafür muss ich jedoch den Stromverbrauch sowie die Motor- und Batterie-Temperatur gut im Auge behalten. Eine Überhitzung ist das Schlimmste, was der Antriebseinheit passieren kann. Es kann zum Leistungsverlust oder sogar zum Ausfall führen. Am schnellsten bin ich mit meinem neuen zum E-Bike eingespielten runden und weichen Fahrstil. Fahrleistungen und Handling lassen sich am besten mit einem 600er Supersportler vergleichen. In der aktuellen Ausführung bringt unsere TTE-2 223 kg auf die Waage, die Spitze liegt bei über 240 Sachen. Als bekennender Motorsportler ist es für mich von Rennen zu Rennen eine spannende Angelegenheit, die Weiterentwicklung der Technologie in der jungen E-Bike-Klasse aktiv mitzugestalten. So wird zum Beispiel auch der gesamte Strom, den wir bei den Rennaktivitäten benötigen, durch eine mobile Windradanlage der Firma Windreich mit einer Speicherkapazität von 50 kWh, selbst erzeugt. Unsere Generation hat die Verantwortung und die Aufgabe neue Wege zu entwickeln.“

Muench-GalerieIm Rennbetrieb kommt die TTE-2 nach circa vier Stunden Ladezeit 80 km weit. Bei ziviler Fahrweise im Straßenverkehr schafft das E-Bike rund 200 km. In Anbetracht der rasanten Entwicklung der E-Mobilität lässt sich erahnen, dass schon bald die Elektromotoren effizienter und die Batterien leichter werden, mit merklich kürzeren Ladezeiten sowie erheblich höheren Speicherkapazitäten, wodurch sich die Reichweite wesentlich verlängert. Für die Stromversorgung entstehen ganz neue Geschäftsmodelle. Beispielsweise bieten die E-Mobil-Hersteller die Fahrzeuge im Paket mit Solartechnologie auf Carports oder kleine Wind­rad­anlagen für den eigenen Garten an. So kann jeder seinen Grünen Strom selbst produzieren und die Überkapazität im Haus nutzen oder gegen Vergütung in das Netz einspeisen.

Spannende Rennen von 2010 – 2012
Ähnlich wie auch in anderen Sportarten gibt es für die E-Bikes ab 2010 gleich zwei Meisterschaften. In der FIM ePower Internationale Championship sicherte sich das Münch Racing Team bereits in der ersten Saison in 2010 den Konstrukteurstitel, in der Fahrerwertung landete Matthias Himmelmann auf dem dritten Platz. Im TTXGP eGrandprix schrieb sich der Münch-Racer als erster E-Bike Weltmeister ins Geschichtsbuch ein. Im vergangenen Jahr dann der Doppelerfolg, das Münch Racing Team und Matthias Himmelmann konnten sich in beiden Meisterschaften als Champion feiern lassen. In der Saison 2012 ging es um die Titelverteidigung. Verstärkung bekam das Team durch die Ex-250 GP-Pilotin Katja Poensgen. Ein genialer Schachzug von Team-Manager Thomas Petsch. Die letzten gemeinsamen Rennen zu beiden Meisterschaften gingen am zweiten September Wochenende in Le Mans, Frankreich, über die Bühne. Fast scheint es so, als ob die Kasseler Stromer die Titel abonniert hätten. Matthias Himmelmann wurde erneut Champion der FIM-Wertung und Katja Poensgen Vizeweltmeisterin. In der TTXGP-Wertung, die für das Münch-Team nur Matthias Himmelmann bestreitet, durfte sich der „Stier von Lohfelden“ als Europameister feiern lassen. Abgerundet wurde die Erfolgs­serie mit dem erneuten Gewinn der Konstrukteursweltmeisterschaft.

Am Ende der Saison 2012 zog sich das Team aus dem E-Rennsport zurück; O-Ton: „In der Saison 2013/14 der TTXGP und der FIM, wird das MÜNCH Racing Team nicht starten und zieht sich somit vorerst komplett aus dem aktiven Rennsport zurück. In den letzten Jahren haben wir mit dem Zusammenhalt im Team, kontinuierlichen Entwicklungen nicht nur Weltmeister- und Europameistertitel gewonnen, wir haben auch einen Grundstein für faszinierende Elektromobilität und Technologieführerschaft im Standort Deutschland gelegt. Mit herausragenden sportlichen Erfolgen haben wir uns in die Geschichtsbücher für zukünftige Entwicklungen der Elektromobilität eingetragen und wieder bewiesen, dass MÜNCH für Visionen und Superlative steht. Das komplette MÜNCH Racing Team bedankt sich bei allen Fans, Unterstützern und Sponsoren für die grenzenlose Leidenschaft und Herzblut, ohne euch wären diese Erfolge nicht möglich gewesen.“
Kontakt: Münch Racing GmbH, Waldauer Weg 80B, D-34253 Lohfelden, www.muench-racing.com.

 

Friedel-Muench-mit-Sohn-ReinerFriedel Münch ist tot 🙁

Friedel Münch, der am 6. Februar 1927 geboren wurde und der vor allem durch seine außergewöhnlichen Mammut-Motorräder bekannt wurde, ist am 27. April 2014 im Alter von 87 Jahren gestorben.

Seine legendäre Münch-4 war 1966 das stärkste Serienmotorrad der Welt. Bereits 1991 erlitt Friedel Münch einen Schlaganfall, widmete sich aber dennoch der Konstruktion der Münch 2000 und eröffnete ein Motorradmuseum.

Das Bild zeigt ihn mit seinem Sohn Rainer und der Titan 2000 Ende der 1980er Jahre.