aus bma 9/10 – Fahrbericht

von Marcus Lacroix

Royal Enfield Bullet 500 de Luxe EFI„Mensch Junge, die hast Du aber schön restauriert – die sieht ja aus wie neu!” klopft mir ein Herr im Alter meines Vaters auf die Schulter und nickt anerkennend dabei. „Nee, nee – tut mir leid. Mit den Federn kann ich mich nicht schmücken. Die Maschine ist nagelneu!” erwiedere ich und schon ist man im Gespräch.

Es geht um die Royal Enfield Bullet 500 de Luxe EFI, die mir der Bremer Royal Enfield Vertragshändler Lübkemann & Benthe (www.royalenfield-bremen.de, Telefon 0421/413747) für ein paar Tage anvertraute. Dessen Werbung ist sicher einigen schon aufgefallen „Keinen Bock mehr auf Leistungswahn?” oder „Keine Lust auf Plastik?” fragt er provokativ und ja, ich gebe es zu, mich spricht die Werbung an. Die Raketen-Mopeds von heute mit 150 und mehr Pferdestärken sind technisch sicherlich interessant, aber ich fühle mich damit überfordert. Mein Fahrspaß steigt nicht proportional zur Motorleistung! Ob eine Royal Enfield hier allerdings als Balsam für die Bikerseele taugt, muss erst mal bewiesen werden.

Technisch ist es ein ziemlicher Anachronismus, was Heiko Lübkemann mir da überreicht. Ein 500er Einzylinder in einem 08/15-Fahrwerk. Spaddelige dünne Reifen vorne und hinten, deren Breite zusammengerechnet gerade mal an einen modernen Sportler-Hinterradreifen heranreicht. Das Cockpit glänzt vor allem mit dem Nichtvorhandensein von Informationen. Ok, Geschwindigkeits­messer, Gesamtkilometerzähler und ein paar Kontrollfunzelchen sind vorhanden. Das ist „Roooomantik”, würde Peter Ludolf sicher ausrufen und liegt damit gar nicht mal falsch. Wer in den 80er Jahren Motorrad fuhr, wird sich durch die Bullet an eine Yamaha SR 500 erinnert fühlen, ältere Semester denken wohl eher an eine BMW R26, NSU Max oder Horex Regina. Denen fehlt allerdings allen etwas Entscheidendes – dazu aber gleich mehr.

Royal Enfield Bullet 500 de Luxe EFIRoyal Enfield ist die älteste noch heute produzierende Motorradmarke der Welt. 1901, damals noch in England, wurde die erste Royal Enfield gebaut. „Enfield – made like a gun” lässt die technische Herkunft der Firma erahnen, Enfield selbst ist ein Ort in Middlesex, nahe London. 1931 kommt die erste Maschine mit dem Namen Bullet auf den Markt. 1955 wird das erste Werk in Indien eröffnet und 1970 stellt Royal Enfield in England die Produktion ein. Europa geht bekanntlich einen anderen Weg, doch in Indien sind robuste Motorräder weiterhin als Transportmittel gefragt. 1999 laufen laut Wikipedia rund 35.000 Bullets vom Band und nach zwischenzeitlichen Namensquerelen wird aus Enfield India wieder Royal Enfield.

Nach diesem sehr kurzen geschicht­lichen Rückblick auf eine durch­aus lesenswerte Firmenhistorie, wenden wir uns wieder der „könig­lichen Kugel” zu und starten den aufrecht im Wind stehenden Einzylinder. Dies ge­schieht wahlweise per Knopfdruck und Elektro-Starter oder stilecht über einen Kickstarter. Beide Möglichkeiten funktionieren einwandfrei und vor der Eisdiele (oder für’s Ego) ist der Kickstarter natürlich vorzuziehen. Egal ob kalt oder warm – auf den zweiten Tritt lief das Teil. Der E-Starter ist es übrigens, der den Eingangs genannten Bikes fehlt.

Royal Enfield Bullet 500 de Luxe EFIDie Kupplung ist auffällig leichtgängig und mit recht langem Schaltweg rastet der erste Gang ein. Im Bremer Stadtverkehr lässt sich Bullet sehr angenehm durch die Reihen zirkeln. 28 PS sind dort mehr als ausreichend, der breite Lenker liegt angenehm gekröpft in der Hand und die große Schwungmasse des Motors ermöglicht auch niedertouriges dahinrollen. An der Ampel hat man zwar häufiger das Gefühl, dass der Motor jeden Moment abstirbt – wie von modernen Einzylindern bei zu niedrigem Standgas gewohnt – doch es passiert nicht. Nicht ein einziges Mal! Die Einspritzanlage macht ihren Job tadellos.

Ja, richtig gelesen: Einspritzanlage! Von Keihin aus Japan. Das erklärt auch das Kürzel EFI in der Typenbezeichnung sowie die Lambasonde im Krümmer. Mit Einspritzung schafft es die Enfield über die Euro 3 Zulassungs­hürde. Auf dem ersten Blick ist es dem Herrn am Bikertreff natürlich nicht aufgefallen. Ebensowenig wie der E-Starter. Sei’s drum – die Bullet ist halt kein 100%iger Oldtimer – dafür aber einer mit Werksgarantie und zuverlässiger Ersatzteilversorgung.

Inzwischen haben wir Bremen hinter uns gelassen und cruisen durch die Wildeshauser Geest – die Kradblatt-Hausstrecke lässt grüßen. Was hier abgeht, zaubert einem ein richtig fettes Grinsen in’s Gesicht. Die 500er Bullet rumpelt, schnorchelt, röhrt und pröttelt, das es eine wahre Pracht ist. Der Langhuber macht seinem Namen alle Ehre und ICH fahre das Motorrad – nicht das Motorrad mit mir. Irgendwie ist es wie in einer Zeitmaschine. Damals, in den 80ern, als ich auch „nur” 27 PS in meiner 400er Honda hatte, fuhr es sich stressfreier als mit Vielem, was mir danach unter den Popo kam.

Royal Enfield Bullet 500 de Luxe EFI LambdasondeDer klassische Enfield-Tacho zeigt zwischen 80 und maximal – wenn es mal an einem Laster oder Wohnmobil vorbei geht – 110 km/h an. Laut Papieren sollen auch 130 km/h drin sein, aber das möchte man dem Motor gar nicht antun. Am wohlsten fühlt er sich bis knapp unter 100 km/h und das reicht allemal. Mit den schmalen Reifen lässt sich die Enfield leicht und zielgenau durch die Kurven scheuchen und im Gegensatz zu einem Chopper, der motormäßig ja auch nervenberuhigend wirkt, kratzt dabei nichts am Boden. Auch bei focierter Gangart setzte kein Teil auf.

Das Fahrwerk selbst ist von der Abstimmung her eher an eine Indische Kleinfamilie angepasst. Grobe Schläge federt es gut weg, feinfühliges Ansprechen ist ihm aber nicht bekannt. Macht aber nichts – fährt sich trotzdem gut. Die 178 kg Zuladung wird in Mitteleuropa indes kaum jemand nutzen. Leer wiegt die Bullet erträgliche 187 kg. Was nach Metall aussieht, ist hier auch Metall. Allein am massiven Alu-Öleinfüllstutzen könnte man gefühlte 100 Gramm abdrehen.

Ähnlich zwiespälitg wie das Fahrwerk präsentiert sich die Bremsanlage. Während die vordere Scheibe gute Arbeit leistet, sich bei geringer Handkraft ordentlich dosieren lässt und nie tückisch wirkt, kann man die hintere Trommel getrost vergessen. Mit dem massiven Bremspedal ließe sich zwar auch ein Kleintransporter bestücken, die Bremsleistung ist aber eher marginal. Vertrauen flößen einem hingegen schnell die Reifen ein. Die 19 Zoll Avon-Paarung bot auf trockener wie nasser Straße immer ausreichend Grip, nachdem man sich an die schmale Optik gewöhnt hatte.

Royal Enfield Bullet 500 de Luxe EFIDie Sitzposition auf der Enfield ist ebenfalls „klassisch” – manche sprechen auch dabei auch von einer „Kackstuhlhaltung”. Wer (z.B.) den bma auf dem Klo liest, weiß was gemeint ist. Auf längeren Etappen wandern die Füße deshalb zwischendurch zur Entlastung des Rückens immer wieder mal auf die hinteren Rasten – ganz wie früher. Zumindest wenn kein Sozius dabei ist, der auf der Enfield im übrigen recht bequem untergebracht ist.

Der Spritverbrauch lag im gemischten Einsatz mit 4 Litern auf 100 km im akzeptablen Bereich. Bei Sonntagsnachmittagbummeltempo wird er eher noch etwas sinken. Den Ölstand kontrolliert man über ein Schauglas. Das Bordwerkzeug versteckt sich hinter einem der abschließbaren Seitendeckel.

Mein Fazit: Die Firma Wheel of India (www.wheelofindia.de) bietet Reisen auf der Royal Enfield Bullet in Indien an. 2008 fuhr man mit einer Reisegruppe sogar auf dem Landweg von Norddeutschland nach Indien und mit einer zweiten Gruppe retour. Nachdem ich die Enfield kennengelernt habe, kann ich mir kaum ein besseres Fahrzeug für so eine Reise vorstellen! Einfache Technik für stressfreies Reisen. Möchte man die Enfield mit einem Wort beschreiben dann ist es dieses: Authentisch! Und wenn der Leistungswahn der anderen Hersteller so weiter geht, kaufe ich mir auch eine Bullet. Dann aber die Classic EFI, denn die ist mit ihrem Einzelsitz noch ein wenig schöner als die de Luxe.

Ab 5450 Euro ist der „neue Oldtimer“ in verschiedenen Ausführungen und Farben zu haben. Infos und Adressen der Vertragshändler findet man im Web unter www.royal-enfield.info. Auch in­t­e­ressant: www.enfield-wiki.de.