aus Kradblatt 10/20 von Michael Fromm

Kurzurlaub in Deutschland …

Am Rhein bei St. Goarshausen
Am Rhein bei St. Goarshausen

Ursprünglich war über das Wochenende Himmelfahrt 2020 ein automobiles Oldtimertreffen in Bonn/Königswinter geplant – allein: Corona zwang die Veranstalter zur Absage. Die freien Tage waren geblockt, die Wetteraussichten akzeptabel, das Motorrad startklar: die Alternative lautete Motorradtour!

Als Basislager wählte ich Koblenz, wohin der schnellste Weg südwärts trotz reichlicher Autobahnbaustellen zügig über A1 und A3 führte: alle anderen Verkehrsteilnehmer standen sich nämlich  in Richtung Küste die Reifen platt! Glück gehabt!

Komfortabel: Honda CB 1300
Komfortabel: Honda CB 1300

Koblenz gehört zu den ältesten Städten Deutschlands und geht zurück auf eine römische, befestigte Siedlung. Neben seinen Kirchen, dem nahen römischen Limes (quer durch Nordafrika, Europa und Vorderasien verlaufende Grenzsicherungen der alten Römer) und dem Deutschen Eck am Zusammenfluss von Mosel und Rhein, weiß der Ort durch seine Altstadt sowie die Möglichkeit zu Schiffsausflügen auf Rhein und Mosel zu punkten, zumal ab Koblenz die windungsreiche Engtalstelle des Mittelrheins Bingen/Koblenz beginnt. Dieser Flussabschnitt wird begrenzt von Hunsrück und Eifel im Westen, Taunus und Siebengebirge im Osten sowie von Oberrheinebene im Süden und Kölner Bucht/Niederrhein im Süden.

Der Tag nach der Anreise stand zunächst im Zeichen des Mittel­rheintals, immerhin seit 2002 als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt. Neben dem Tourismus bildet der Weinanbau einen der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren. 

Der Fluss ist auf beiden Seiten von Bundesstraßen gesäumt, die beschaulichere B42 (rechtsrheinisch) ist jedoch der gut ausgebauten B9 (linksrheinisch) vorzuziehen. Die kurvige Strecke flussaufwärts führt durch pittoreske Ortschaften, die sich im hier engen Rheintal an die Felsen des Taunusausläufers schmiegen. 

Übersetzen mit der Fähre bei Lorch
Übersetzen mit der Fähre bei Lorch

Wer auch einmal den Blick schweifen lässt, kann bei Braubach oben auf dem Felsen die bekannte Marksburg erkennen, wie überhaupt in dieser Gegend noch viele Burgen erhalten sind. Allgegenwärtig sind natürlich die Weinberge, deren Reben den Grundstoff für die berühmten Weißweine hervorbringen.

Nahe dem Ort St. Goarshausen ist die berühmte Loreley, ein knapp 200 Meter hoher Fels an der engsten Stelle des Rheins. Der Sage nach kämmte sich an dieser Stelle in der Vorzeit eine liebreizende Sirene ihr seidiges Haar, so dass oft die Boote der abgelenkten Schiffer an den zerklüfteten Felsen zerschellten.

Plastik im Lahnpark Nassau
Plastik im Lahnpark Nassau

Der weitere Weg führte mich bis nach Assmannshausen, wo sich ein wunderbarer Fleck für eine Pause am Flussufer fand. 

Fährt man dann etwa 7 Kilometer zurück, zweigt bei Lorch das gewundene Wispertal ab, durch welches sich der Taunus und das Rheingaugebirge erschließen lassen. Absolut empfehlenswert!

In Eltville erreicht man nach dem Abstieg wieder den Rhein – ich fuhr zurück bis zur Rheinfähre Lorch und setzte über den Fluss auf die linksrheinische Seite. (Motorrad + Fahrer 3,30 €)

In Lorch befindet sich übrigens nahe der Fähre der skurrile ehemalige „Freistaat Flaschenhals“, welcher auf einen Vermessungsfehler nach dem 1. Weltkrieg 1918/1919 zurückging: nach der deutschen Niederlage begründeten die Alliierten um die Städte Mainz, Köln und Koblenz jeweils halbkreisförmige Einfluss­zonen, die aber – versehentlich – diesen Flecken aussparten. Im Januar 1919 wurde dem kleinen Gebiet die Selbstverwaltung genehmigt.

Die Fährüberfahrt ermöglichst, neben dem Genuss des tollen Flusspanoramas, meist auch den kurzen Austausch mit anderen Bikern, denn diese Verbindungen werden gern genutzt.

Auf der anderen Rheinseite bei Bacharach führt eine schöne Strecke hinauf ins Hunsrück, durch Rheinböllen über Simmern und Kappel nach Zell an der Mosel. Alternativ kann man auch eine Schleife über die Hunsrück-Höhenstraße fahren. In jedem Fall tolle Ausblicke und gut ausgebaute Straßen.

Im Moseltal fällt der Kontrast zum zerklüfteten Mittelrheintal auf. Sanft geschwungene grüne Wiesen, geradezu anmutige Höhenzüge und die unvermeidlichen Rebstöcke wirken als Balsam für die Augen.

Am Moselland-Museum
Am Moselland-Museum

Ab Zell folgt die Straßen mehreren Moselschleifen, bevor in einer Schleife der Ort Ernst erreicht ist. Dort ist das Moselland-Museum beheimatet. Das Museum bietet Einblicke in die Tätigkeit der Winzer und zeigt Exponate der historischen Landwirtschaft.

Kurz hinter Ernst wird Cochem erreicht, ein Hotspot der Mosel. Hier herrschte so ein reger Betrieb von Besucherhorden und ein-/ausparkenden Autos auf der Uferstraße, dass ich mir einen Stopp verkniffen habe.

Die letzte Tagesetappe auf dem Weg zurück nach Koblenz führte durch Treis-Karden, Löf und Kobern-Gondorf, allesamt für Weinliebhaber bekannte Anbaugebiete für Moselweine.

Der nächste Tag startete mit auffrischender Feuchtigkeit; erst ab Mittag hatte Petrus ein Einsehen. Heute sollte es auf der B49 über Montabaur und Limburg ins Lahntal gehen.

Imbiss in Nassau
Imbiss in Nassau

Sehr empfehlenswert ist die Tour von Limburg über Giershausen, Gackenbach und Winden (!) nach Nassau. Dort lädt an der Lahnbrücke der Imbiss mit sehr nettem Service zu einer kleinen Stärkung ein.

Mitten im Naturpark Nassau erreiche ich als nächstes den Kurort Bad Ems. Bereits im 17./18. Jahrhundert galt Bad Ems als einer der berühmtesten Badeorte Deutschlands. Noch heute prägt die Geschichte als bedeutender europäischer Kurort das Stadtbild, wie z.B. das eindrucksvolle Kursaalgebäude zeigt. Exportschlager der Stadt sind die „Emser Pastillen“, die seit 1858 aus dem natürlichen Emser Salz der dortigen Quellen gepresst werden.

Folgt man von Bad Ems dem weiteren Verlauf der Lahn, gelangt man in lockeren Schwüngen über Lahnstein und die B42 zurück nach Koblenz, wo vielfältige kulinarische Angebote ermöglichen, den Tag ausklingen zu lassen.

Am Sonntag auf der Rückfahrt gen Norden galt es, die Autobahnbaustellen der Hinfahrt zu vermeiden und lieber zu reisen als zu rasen. Also wählte ich die Bundesstraßen B42, B429 und B3 für die Route von Koblenz über Montabaur, Limburg, Weilburg, Marburg nach Kassel, bevor die A7 als letzte Etappe folgte. 

Fachwerk bei Bad Ems
Fachwerk bei Bad Ems

Diese Routenentscheidung hätte sich beinahe als fataler Fehler herausgestellt, denn auf einer Strecke von gefühlt 30 km wird die A7 samt mehrerer Brücken derzeit zwischen Göttingen und Harz grundsaniert. Aber Glück im Unglück: überwiegend rollte der Verkehr und wo er sich staute, konnte ich bei ausreichend Platz vorsichtig durchrollen. Auch die später ab Kassel immer wieder einsetzenden Regenschauer konnten mich nicht aufhalten und so erreichte ich am frühen Abend nach einer abwechslungsreichen Tour wieder die heimatlichen Gefilde.

Als Fazit kann ich festhalten: Bis auf den überlaufenen Touri-Hotspot Cochem waren die Strecken abseits der Autobahn kaum befahren. 

Im Mai 2020 erlaubte die Politik nach dem Corona-Lockdown zwar allmählich wieder die ersten Lockerungen mit Hotelübernachtungen und Museumsöffnungen. Aber die Besucherzahlen dümpelten auf niedrigem Niveau. Das zeigte sich auf den Bundesstraßen wie auf den Nebenstrecken: über weite Abschnitte war meine Honda CB 1300 fast das einzige Fahrzeug. Das entspannte Fahren hatte auch den angenehmen Nebeneffekt, dass während der Tour im Schnitt nur 5,3 Liter auf 100 km verbrannt wurden.

Unterm Strich ein gelungenes langes Wochenende in wunderschöner Umgebung und gar nicht weit entfernt.