aus Kradblatt 11/17
von Pastor Holger Janke, www.Bikers Helpline.de

Eine Regentour im Herbst – Danke Herr Kaiser…

Herbsttour mit KTM und Pastor Holger Janke, Bikers-Helpline

Herbsttour. Indian Summer. Blätterbuntes Deutschland. Mein Kopfkino läuft in farbenfrohen Bildern ab und entführt mich auf eine wunderbare Motorradtour nach Bayern. Dabei halte ich nur eine Einladung nach Niederalteich in Händen. Das nennt man wohl Sehnsucht. Ich sage zu und freue mich auf die Tagung der Bikerseelsorge, zu der viele engagierte Kolleginnen und Kollegen kommen. Treffpunkt ist das Kloster Niederalteich nahe Passau. Da ich reisen statt rasen möchte, wähle ich die KTM 690 Enduro mit TKC 80 Stolle. Sag dem Herbstlaub, dass ich komme!

Es ist Oktober. Ich starte in Regenkombi, da das norddeutsche Wetter nicht meinen Vorstellungen von Indian Summer entspricht. „No path, no glory“, denke ich und fahre dem Zeitpunkt entgegen, an dem das Wetter besser werden soll.

Am späten Nachmittag bin ich in Süd-Hessen um einen Freund zu besuchen. Allerdings wird an diesem Tag meine Hoffnung nicht erfüllt, denn die Regenkombi bleibt meine Tagesbegleitung. Da mich auch am kommenden Tag Mitteldeutschland eher norddeutsch kühl und nass begrüßt, schlüpfe ich wieder in den Regenanzug, was mir schon richtig routiniert gelingt. Übung macht den Meister. Ich bin schon ein echter Regenkombiprofi.

Jetzt will ich es wissen und starte durch. Autobahn. Mit Stolle ist 130 km/h erlaubt. Der kleine Tankrucksack und die Gepäckrolle beunruhigen das Fahrzeug bei dieser Geschwindigkeit nicht. Der Tag ist lang, denn alle 200 km muss ich tanken. Aber immerhin wird es wärmer. Leider bleibt es feucht. Immer wieder Schauer. So komme ich etwas zerzaust mit hübscher Helmfrisur im Kloster an. Typisch Biker. Der Mönch im Gästehaus nimmt es gelassen und empfiehlt mir fürsorglich eine heiße Dusche und den gemütlichen Klosterkeller. Ein gute Empfehlung, wie sich an diesem Abend herausstellt.

Nasse Klamotten trocknen im HotelDie Tagung ist interessant und die Kolleginnen und Kollegen engagiert. Sie haben allesamt Benzin im Blut und Gott im Herzen. Und es ist trocken, warm und manchmal sogar so sonnig, dass der Biergarten des Klosters Leute lockt, im Freien zu sitzen. So habe ich mir das hier vorgestellt. Interessant ist, dass neben dem katholischen Ritus hier auch der orthodoxe praktiziert wird, bei dem ich mich sofort nach Griechenland versetzt fühle. Im Kopfkino sehe ich das blaue Meer, rieche die wunderbare Natur und bekomme Geschmack auf Ouzo. Kurzurlaub für drei Tage.

Tags drauf muss ich wieder gen Norden. Ich verlasse diese Oase, die Donau und die Weinberge. Zum schweren Abschied fängt es noch leicht an zu tröpfeln.

Die Franken wollen mir noch ihre Heimat zeigen, die ich nicht Bayern nennen darf. Wir fahren über schöne Straßen durch eine schöne Region und am Nachmittag verabschieden wir uns nach einer Pause.

Da es im Norden arg dunkel daherkommt, streife ich die Regenkombi über und setze auf die Autobahn Richtung Hof. In Thüringen geht dann die Welt unter. Bei Schleiz fahre ich mit den anderen auf der dreispurigen Autobahn 50 km/h. Die kommende Tankstelle wirkt wie eine Oase. Ich tanke, wärme mich auf und frage mich, wohin heute die Reise noch gehen soll, denn es wird dunkel. Bis Halle oder Magdeburg sollte die Kraft noch reichen.

Es ist dunkel, kühl und regnerisch. Super. Da helfen nur warme Gedanken, und ich erfreue mich an der Zuverlässigkeit der Maschine und an den schönen Erinnerungen der Tagung. Mit leicht erhöhtem Tempo donnere ich mit 150 km/h die Enduro über die Autobahn. Artgerechte Haltung ist das nicht – weder für die Maschine noch für mich. Da ich flugs bei Halle bin, nehme ich Magdeburg für heute Abend ins Visier. Wir sind trotz der widrigen Arbeitsbedingungen fleißig am Gas.

Die kommende Raststätte ignoriere ich und fahre auf der A 14 nach Magdeburg. Kaum ist die Tanke passiert, leuchtet die Reservelampe der KTM. Das Autobahnschild signalisiert noch 48 km. Das wird eng und ich pendle mich auf 120 km/h runter. Nach meinen Erfahrungen sollte ich die nächste Tankstelle nutzen. Aber leider kommt keine mehr und die Zitterpartie beginnt. Nach 30 Kilometern ohne Raststätte fahre ich nur noch 100 km/h, um Magdeburg zu erreichen. Die erste Ausfahrt, obwohl sie ziemlich öde nach Industriegebiet aussieht, ist meine.

Plötzlich geht noch auf der Abbiegespur der Motor aus und ich fahre rechts ran. Im Dunkeln schüttle ich den Bock hin und her in der Hoffnung, dass sich noch irgendwo Kraftstoff im Tank versteckt hat. Die KTM springt tatsächlich wieder an und ich fahre die Abfahrt Richtung Finsternis. 100 Meter vor der Kreuzung ist Schluss, gerade hinter der Kurve, so dass ich die Enduro rechts in den grünen Graben fahre. Dafür ist sie ja eigentlich gebaut. Meine Gedanken überstürzen sich.

Plötzlich kommt ein Auto und biegt auf die Autobahn. Ich springe aus dem Graben und winke. Die Reifen quietschen, der Mercedes stoppt und das Fenster surrt langsam runter. Ein gepflegter Herr schaut mich freundlich an. Ich schildere kurz meine Not und höre die Aufforderung: „Steig ein, an der nächsten Abfahrt ist eine Tankstelle. Ich fahre dich dorthin.“ Als ich in den noblen Bürgerkäfig steige, werde ich etwas rot vor Scham, denn meine nasse Regenkombi tränkt die Kuhhaut auf dem Beifahrersitz und den Zustand meiner Stiefel muss ich ehrlicherweise nach dem Grabengang als stark matschig beschreiben. Um die Situation kommunikativ zu retten, stelle ich mich freundlich vor und erfahre auch, dass mein Engel „Herr Kaiser“ heißt. Ein Nordlicht aus Geest­hacht. Er fährt mich zur Tanke, wartet geduldig und bringt mich wieder zum dunklen Graben zurück, wo meine KTM unberührt im Grünen wartet.

Jetzt fummle ich in der Finsternis einer unbeleuchteten Autobahnauffahrt nahe Magdeburg die Gepäckrolle ab, um den Tankstutzen zu öffnen und gieße den Kanister mit dem schwarzen Gold hinein. Die Enduro springt gleich wieder an und ich verzurre wieder die Gepäckrolle samt Kanister. Dann geht es mit Schwung aus dem Graben. Mensch und Maschine sehen aus, als ob wir gerade von einem Endurotraining kämen. Da Herr Kaiser in Magdeburg arbeitet, empfiehlt er mir ein Hotel in der Innenstadt, das ich ansteuere. Mir reicht es für heute.

Eine gute halbe Stunde später stehe ich dreckig in einem gut besuchten Hotel und bekomme netterweise ein Zimmer. Die heiße Dusche ist wunderbar. Als ich frische Klamotten aus der Gepäckrolle herausholen möchte, bleiben Textilien am Boden kleben. Irgendwie habe ich im finsteren Graben die Tasche an den Auspuff gedrückt und ein Loch ist die Folge. Allerdings ist es gerade verschweißt mit meiner Funktionswäsche. Egal. Ich bin froh, den Tag geschafft zu haben und schlendere gegen 21 Uhr in die Hotelbar. Dort erhebe ich mein Glas mit kühlem Bier auf meinen Engel: „Danke, Herr Kaiser!“

P.S. Diese kleine Herbstreise ist der Anlass dafür, dass meine KTM nun einen Zusatztank und ein Koffersystem trägt.