Paragraphaus bma 03/07

von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de

Glauben wird einem in diesem Land vor Gericht nur geschenkt, wenn man das, was man behauptet, auch beweisen kann. Kann man es nicht beweisen, und die Gegenseite bestreitet z.B. einen Unfallablauf, dann verliert man schlimmstenfalls den Prozess und muss obendrein noch die Verfahrenskosten tragen. Da fragt Ihr Euch natürlich berechtigter Weise, wie man etwas beweist.
Das bekannteste Beweismittel ist der Zeugenbeweis. D.h., ein Zeuge oder eine Zeugin hat den Unfall gesehen und kann z.B. bestätigen, dass der Pkw bei rot über die Ampel gefahren ist. Gibt es keine Zeugen, dann ist ein Beweis nur schwer zu erbringen. Evtl. kann uns dann ein Sachverständiger weiterbringen, der die Ampelschaltung analysiert. Steht die Unfallzeit jedoch nicht hundertprozentig fest, kann der Sachverständige auch nicht weiterhelfen, und das Gericht wird jedem Unfallbeteiligten 50% seines Schadens zusprechen. Man befindet sich dann in so genannter Beweisnot.
Es gibt aber ein Beweismittel, das bei einer Beweisnot weiterhelfen kann: Der so genannte Anscheinsbeweis. Ein solcher Anscheinsbeweis liegt vor, wenn feststehende Tatsachen nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Erfolgseintritt hinweisen. Ein toller juristisch formulierter Satz, doch was will er uns sagen?
Ein typisches Beispiel für einen Anscheinsbeweis liegt bei einem Auffahrunfall vor. Fährt ein Schädiger auf ein vor ihm befindliches Hindernis auf, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass er nicht den notwendigen Sicherheitsabstand eingehalten hat, bzw. unaufmerksam war. D.h., fahrt ihr mit dem Motorrad voraus und euch fährt jemand an der Ampel auf, der sich dann nachher mit der Ausrede rauswinden will, Ihr seid zurückgerollt oder habt zu stark gebremst, dann wird zunächst vermutet, er sei Euch aufgefahren und muss zahlen. Er muss dann das Gegenteil beweisen. Das wäre ein einfaches Bespiel für einen Anscheinsbeweis.
Andere Fälle für einen Anscheinsbeweis sind der Spurwechsel, die Vorfahrtverletzung, Einfahren in den Straßenverkehr und Anfahren vom Straßenrand, Zusammenstoß auf der Gegenfahrbahn, Abkommen von der Fahrbahn oder Schleudern. Hierzu im Einzelnen: Passiert ein Unfall unmittelbar nach einem Spurwechsel, dann spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass derjenige, der die Spur gewechselt hat den Verkehrsunfall verursacht hat. Ereignet sich im Kreuzungsbereich ein Unfall, dann spricht zunächst alles gegen denjenigen, der wartepflichtig war. Es spricht auch alles gegen denjenigen, der vom Fahrbahnrand in den fließenden Verkehr einfährt und dabei einen Unfall verursacht. Bei einem Unfall mit dem Gegenverkehr spricht zunächst alles gegen denjenigen, der sich nicht auf seiner Fahrbahn befand. Wer von der Fahrbahn abkommt oder ins Schleudern gerät, hat auch den Anscheinsbeweis gegen sich, dass er mit unangepasster Fahrweise gefahren ist.
Es lohnt sich also auch bei Unfällen ohne Zeugen alles genau gegenüber der Polizei schriftlich und auch bildlich festzuhalten. Dabei können schon ein Fotohandy oder eine kleine Kamera sehr behilflich sein. Macht möglichst viele Bilder vom Unfallort und lasst auch alles genauestens von den Polizeibeamten schriftlich aufnehmen. Es sollte darauf geachtet werden, dass sich die gegnerische Unfallpartei gegenüber der Polizei zum Unfall äußert und dies festgehalten wird. Kleine Zeichnungen können ebenfalls im Streitfall später weiterhelfen, da oftmals die Unfallörtlichkeit falsch wiedergegeben wird, bzw. an einem verschobenen Ort eingezeichnet wird. So könnt Ihr das eine oder andere Mal mit Hilfe des Anscheinsbeweises vermeiden dem Unfallverursacher auch noch Geld geben zu müssen, falls Ihr einen Unfallhergang nicht beweisen könnt.