Paragraphaus bma 12/05

von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de

Das Jahr neigt sich dem Ende zu, die Zeit des Bastelns und Veränderns des Motorrades fängt jetzt an, und jeder freut sich schon auf das Frühjahr. Bis dahin gibt es bei den meisten noch einige Aufgaben, die erledigt werden müssen. Bei den Händlern ist es nicht anders, und auch unsere Justiz hat mehr als genug Fälle, die zu entscheiden sind.
Einen Fall hat der Bundesgerichtshof gerade noch vor der Jahreswende erledigt, so dass ich mich hier im letzten bma des Jahres damit befassen kann. Es handelt sich um ein Urteil des Bundesgerichtshof (BGH) aus September 2005 (Az. VI ZR 219/98), worin sich der BGH damit zu befassen hatte, wann man sein defektes Gefährt nach einem Totalschaden verkaufen kann. Der Unfallschaden war übrigens aus dem Jahr 1995 und längst entscheidungsreif.
Hierzu zunächst etwas Grundsätzliches: Gerät man in einen Verkehrsunfall, und die Gegenseite hat diesen verschuldet, dann bekommt man seinen Schaden am Motorrad erstattet. Man kann folglich das Motorrad reparieren lassen oder aber auch sagen „ich lass alles so wie es ist” und bekommt dann die Reparaturkosten (allerdings ohne Mehrwertsteuer) auf die Kralle. Ist der Schaden am Motorrad so hoch, dass er den Wiederbeschaffungswert übersteigt, dann kann man es nur reparieren lassen, wenn die Reparaturkosten nicht höher als 130 Prozent des Wiederbeschaffungswertes liegen. D.h. man muss hier genau rechnen, um nachher keine Nachteile davonzutragen.
Hierzu ein Beispiel: Hat das Motorrad einen Wiederbeschaffungswert von 8.000 Euro, dann kann man es reparieren lassen, wenn die Reparaturkosten 10.400 Euro inklusive Mehrwertsteuer nicht übersteigen und bekommt auch bis zu 10.400 Euro von der gegnerischen Versicherung erstattet. Betragen die Reparaturkosten jedoch mehr als 10.400 Euro, dann darf man nicht reparieren lassen und bekommt höchstens 8.000 Euro von der Versicherung erstattet.
Jetzt komme ich zum Kern des Themas. Von dem Wiederbeschaffungswert von 8.000 Euro muss ich jedoch den Restwert des Motorrades abziehen. Der so genannte Restwert sagt uns, was das gute Stück nach dem Unfall noch wert ist. Der Restwert wird in den meisten Fällen durch einen Sachverständigen festgelegt, der das Motorrad nach dem Unfall begutachtet. Der Sachverständige hat für die Ermittlung des Restwertes eigene Berechnungs- und Ermittlungsmethoden und kann auch sagen, wer das Motorrad für den ermittelten Restwert kaufen würde. Stellt der Sachverständige fest, dass das Motorrad einen Restwert von 2.000 Euro nach dem Unfall hat, dann zahlt die gegnerische Versicherung in unserem Beispielfall nur 6.000 Euro aus, und man kann das Motorrad behalten oder aber für 2.000 Euro verkaufen. Insgesamt hat man also so oder so 8.000 Euro, entweder 6.000 Euro und das Motorrad mit einem Restwert von 2.000 Euro oder 8.000 Euro in bar.
Bei den Verkäufen gab es in letzter Zeit immer wieder Ärger mit Versicherungen, die eingewandt haben, es gäbe eine dritte Person, die mehr als z.B. 2.000 Euro für das Unfallmotorrad zahlen würde, so dass die hier im Beispiel genannten 6.000 Euro nicht ausgezahlt wurden, sondern weniger. Ich habe mich in solch komplizierten Fällen immer vor dem Verkauf des Motorrades des Mandanten bei der Versicherung vergewissert, ob das Motorrad verkauft werden darf und mir dies schriftlich geben lassen, um Ärger zu vermeiden.
Der Bundesgerichtshof hatte jüngst in dem eingangs genannten Fall zu entscheiden und hat damit etwas mehr Rechtssicherheit in diesen Bereich gebracht. Es ging dabei darum, dass bei einem Fahrzeug ein Restwert von 5.500 DM (die gab es 1995 noch) festgestellt wurde. Die gegnerische Versicherung teilte jedoch dem Geschädigtem mit, dass es einen Interessenten gäbe, der bereit sei, 8.700 DM für das Fahrzeug zu zahlen. Da die Firma weiter weg war, schrieb das Unfallopfer den Interessenten per Post an, erhielt jedoch keine Antwort, so dass er das Fahrzeug nach einer Woche für 5.500 DM verkaufte: Die Versicherung war hierüber sehr böse, da sie nunmehr 3.200 DM mehr erstatten musste und verweigerte die Zahlung des Differenzbetrages von 3.200 DM. Die Versicherung warf dem Geschädigtem vor, seine Schadensminderungspflicht verletzt zu haben, und die ganze Sache ging wegen der 3.200 DM vor Gericht. Der Bundesgerichtshof bestätigte jedoch, dass der Geschädigte sich völlig korrekt verhalten habe, da er sich an den Interessenten gewandt habe, dieser sich aber innerhalb der Woche nicht gemeldet hatte. Der BGH urteilte, dass lediglich, wenn ein konkretes Angebot ohne weiteres angenommen werden kann, der Geschädigte dies auch annehmen muss. Muss er sich hingegen noch um ein verbindliches Angebot selber kümmern, dann kann er das Fahrzeug zum Restwert im Gutachten verkaufen. Es ist dem Geschädigten nicht zuzumuten, sich in detektivischer Genauigkeit darum zu kümmern, ob es irgendwo noch jemanden gibt, der mehr für das Fahrzeug zahlen würde.
Ich denke im Ergebnis eine richtige Entscheidung, rate jedoch immer, sich noch mal zu vergewissern, ob das Motorrad verkauft werden kann, um Ärger und finanzielle Einbußen zu vermeiden.