Die Behörde hat immer Recht! Und wenn nicht? Keine Frage, Recht gilt für alle, RA Jan Schweers beschreibt einen Fall den die Bußgeldbehörde verbockt hat …

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aus Kradblatt 4/16 – Rechtstipp

von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de

Verfahrenseinstellung durch Verstoß der Behörde.

Kaum etwas zu schnell gefahren, schon flattert Post von der Bußgeldstelle hinein … wer kennt das nicht? Das betroffene Fahrzeug ist bspw. auf die Ehefrau zugelassen, geführt wurde es aber von einer männlichen Person.

Grundsätzlich ist die Bußgeldbehörde in solch einem Falle angehalten, zunächst selbst Ermittlungen zum Fahrzeugführer anzustellen. Dies erfolgt zunächst durch Zusendung eines Fragebogens an den/die Fahrzeughalter/in mit der Bitte um Mitteilung, wer zum Tatzeitpunkt Fahrer des Fahrzeugs war. Wird keine Aussage gemacht oder die Aussage verweigert, muss die Bußgeldbehörde anschließend selbst Ermittlungen zum Fahrer anstellen. Bspw. wird die Adresse der Halterin angefahren, um sich nach männlichen Fahrern (im Umkreis des jeweiligen Halters) zu erkundigen.

Gelingt hierüber keine Auskunft, so fordert die Bußgeldstelle Auskünfte über die mit dem Halter wohnenden männlichen Verwandten beim Einwohnermeldeamt an, um so die Fahrersuche einzuschränken.
In dem vor dem Amtsgericht Landstuhl, Beschluss vom 26.10.2015, Aktenzeichen 2 OWi 4286 Js 7129/15 entscheidenden Fall, hat es sich die Bußgeldbehörde jedoch sehr einfach gemacht und sofort, ohne zunächst die Anschrift der Halterin anzufahren und dort nach männlichen als Fahrer in Betracht kommenden Personen, Ausschau zu halten oder diese ausfindig zu machen, Lichtbilder bei der Passbehörde angefordert.
Zuerst forderte die Bußgeldstelle ein Lichtbild des Ehemannes der Halterin an. Anschließend, als sich herausstellte, dass der Ehemann auf dem Passbild mit dem Blitzerfoto nicht übereinstimmt, wurde ein Passbild des Sohnes, dem anschließend Betroffenen, im o.g. Verfahren angefordert.

Genau dieses Vorgehen wurde jedoch in einem der Bußgeldstelle bereits bekannten Rundschreiben vom Landesdatenschutzbeauftragten stark kritisiert. Der Landesdatenschutzbeauftragte rügte die o.g. Vorgehensweise. Es könne nicht sein, dass sich die Bußgeldbehörde ohne vorhergehende und ergebnislos gebliebene Ermittlung die Passbilder der potentiellen Betroffenen verschafft und datenschutzrechtliche Vorschriften missachtet.

Das Vorgehen der Bußgeldbehörde stellt einen Verstoß gegen § 22 Abs. 2 und 3 PassG bzw. § 24 Abs. 2 und 3 PauswG dar, so dass der weiteren Durchführung des Verfahrens somit ein vorsätzlich begangener erheblicher Verfahrensverstoß zu Grunde lag, mit der Folge, dass das Verfahren gegen den Betroffenen zur Einstellung gebracht wurde.

Die Behörde hätte, selbst wenn sie die datenschutzrechtlich kritische Maßnahme ergreift, zumindest die notwendigen Ermittlungsschritte noch einmal durchführen und damit ihr Vorgehen legalisieren können. Selbst wenn dann ggf. eine Verfolgungsverjährung drohen würde, aufgrund des Erreichens der Dreimonatsfrist, wäre dies lediglich ein organisatorisches Problem der Behörde gewesen. Folglich hat die Bußgeldbehörde für ihr vertragswidriges Vorgehen weder Rechtfertigungs- noch Entschuldigungsgründe. Die Bußgeldbehörde hat sich im o.g. Fall schlichtweg über die Rügen des Landesdatenschutzbeauftragten, in seinem Rundschreiben und der Belehrung durch die Behördenleitung widersetzt. Ein solches Verhalten darf keine Konsequenzen für den Betroffenen nach sich ziehen, sondern ausschließlich für die Bußgeldbehörde.

Zu Recht hat somit das Gericht das Verfahren gegen den Betroffenen eingestellt und sämtliche Kosten der Bußgeldbehörde auferlegt.

In der Praxis gilt damit: Um herauszufinden, wie die Bußgeldbehörde im konkreten Verfahren vorgegangen ist, insbesondere, ob sie den „üblichen“ Ermittlungsweg und die geltenden Vorschriften eingehalten hat, muss Einblick in die Bußgeldakte (dies kann ausschließlich durch einen Rechtsanwalt erfolgen) genommen werden. Anschließend kann festgestellt werden, ob und inwieweit die Bußgeldbehörde Verfahrensverstöße begangen hat, so dass die behördliche Vorgehensweise ggf. dann anzugreifen und zu rügen ist. Denn schließlich sollte sich die Behörde primär durch eigene Ermittlungen bemühen, den Fahrer zum Tatzeitpunkt ausfindig zu machen/zu ermitteln. Falsch ist, den leichtesten und wohl bequemsten Weg zu wählen und Passbilder von vermeintlichen Fahrern im Umkreis der Fahrzeughalterin anzufordern, um so die Fahrereigenschaft nachzuweisen.

Somit ist der Beschluss des Amtsgerichts Landstuhl sehr zu begrüßen und zeigt auch der Bußgeldbehörde Grenzen auf. Auch eine Behörde hat sich an Regeln, Vorschriften und Belehrungen zu halten und darf sich diesen nicht einfach so widersetzen.