Paragraphaus bma 11/06

von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de

Die schönste Jahreszeit ist leider vorbei. Der Winter mit seinen düsteren Feierabenden beginnt. Hoffentlich habt Ihr Eure Feierabendwerkstatt schon schön ausgestattet und nett eingerichtet oder Euch mit anständiger Schietwetterkleidung ausgerüstet. Das Schrauben am Feierabend sowie das Fahren bei schlechtem Wetter kann nämlich mächtig Spaß und der stumpfen Glotze gut Konkurrenz machen. Zwei Regeln gilt es jedoch ab jetzt zu beachten. Erstens solltet Ihr immer Abstand zu dem vorausfahrenden Verkehrsteilnehmer einhalten und zweitens Euch immer gut sichtbar anziehen.
Das, mit der sichtbaren Kleidung steht zwar in keinem Gesetz, das mit dem großen Abstand steht hingegen in der Straßenverkehrsordnung: § 4 Absatz 1 StVO: „Der Abstand von einem vorausfahrenden Fahrzeug muss in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter ihm gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird.” Wird der Abstand zu gering gewählt, droht bei einem Auffahrunfall eine Alleinhaftung des Auffahrenden und sogar noch ein Bußgeld.
Bremst der Vorausfahrende jedoch ohne zwingenden Grund stark, und es kommt zum Unfall mit dem Auffahrenden, dann haftet der Vorausfahrende zu einem großen Teil. Ein zwingender Grund für starkes Bremse liegt nur vor, wenn andere oder der Bremsende gefährdet oder geschädigt werden können. Ein an der Straße wartender Taxigast oder eine freie Parklücke sind kein Grund für starkes Bremsen. Bei Tieren auf der Straße ist immer abzuwägen, ob die Gefahr durch starkes Bremsen umgangen werden kann, oder gar der nachfolgende Verkehr durch Bremsen noch mehr gefährdet würde. Eine knifflige Sache, die genau überlegt sein will. Bremst man ohne triftigen Grund, wie es ein Autofahrer in München auf einer Schnellstraße tat, muss man für den Schaden der nachfolgenden Fahrzeuge aufkommen.
Dies bestätigt das Landgericht München in einem Urteil aus 2005 (Az. 17 O 2088/05). Ein Pkw-Fahrer legte auf Höhe einer Auffahrt eine saubere Vollbremsung hin, so dass drei dahinter fahrende Pkw richtig ins Schwitzen kamen und durch gutes Reagieren gerade noch eine Kollision vermeiden konnten. Der an fünfter Stelle fahrende Motorradfahrer rutschte bei der Vollbremsung mit dem Vorderrad weg und schleuderte samt Motorrad und Sozia über die Straße. Der Pkw-Fahrer gab wieder Gas und nahm die Auffahrt. Die Versicherung des Pkw- Fahrers wollte nichts zahlen, und ließ es auf eine Klage ankommen. Sie vertrat die Ansicht, der Motorradfahrer habe keinen ausreichenden Abstand eingehalten, denn ansonsten hätte er sein Motorrad noch rechtzeitig und ohne Sturz anhalten können. Nach dem Motto: Motorradfahrer machen immer Fehler und haften grundsätzlich für Ihre Schäden selbst. Der Motorradfahrer zog vor Gericht und konnte zumindest 2/3 seines Schadens ersetzt bekommen und musste 1/3 des Schadens selbst tragen. Der Richter des Landgerichts München vertrat die Ansicht, dass jeder Verkehrsteilnehmer einen ausreichenden Abstand zum Vordermann wählen müsse, damit er auch bei unvermuteten Vorkommnissen noch bremsen kann.
Im Ergebnis ein richtungsweisendes, jedoch nicht ganz richtiges Urteil, da sich der Richter nur auf die Zeugenaussagen verließ, obwohl er zusätzlich noch ein Sachverständigengutachten zum Unfallverlauf und zur Klärung, ob ausreichender Abstand eingehalten wurde, hätte einholen müssen. Ein Sachverständiger hätte den Fall weiter aufklären können und bei Einhaltung des erforderlichen Abstandes den Richter dazu bewegen können, dass der Motorradfahrer den vollen Schaden erstattet bekommt.
Wenn Ihr in solch eine missliche Situation kommt, solltet Ihr immer darauf drängen, sofern dies noch möglich ist, dass der Unfallort sowie die Stellung der beteiligten Fahrzeuge und die Unfallspuren genau festgehalten werden.