Paragraphaus bma 11/05

von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de

Eine der häufigsten Unfallquellen für uns Motorradfahrer sind PKWs, die nicht damit rechnen, dass sie überholt werden und einfach unachtsam abbiegen und dann mit dem Motorrad kollidieren. Es gibt danach immer ein riesen Gekloppe, wer für welchen Schaden einzustehen hat. Kommt noch ein Personenschaden des Motorradfahrers hinzu, dann ist das Gejammer um die Kosten, wie auch das Schmerzensgeld, noch größer.
Da ich in diesem Jahr vermehrt mit solch komplizierten Unfällen zu tun hatte, und die Motorradfahrer sich meistens erhebliche Verletzungen durch den Unfall zugezogen hatten, möchte ich dieses brisante Thema etwas Aufwärmen, um im nächsten Jahr einige liebsame Motorradfahrer bis zum Ende der Saison auf den Bikes zu sehen und nicht vorzeitig im Krankenhaus besuchen zu müssen.
Grundsätzlich empfehle ich, von Überholmanövern mehrerer Fahrzeuge lieber abzusehen. Es ist nie gewiss, ob einer einfach mal so eben abbiegt oder ausschert und dabei nicht darauf achtet, ob er gerade überholt wird. Eine richtige Reaktion während des Überholvorgangs ist äußerst schwierig und nur wenige Biker kommen mit einem blauen Auge davon. Meistens kommt es zu einer Kollision mit dem PKW oder aber mit einem anderen Hindernis, wie z.B. einem Baum, Graben oder Pfeilern, was zu schweren Verletzungen führt. Ist der Unfall dann passiert, macht man sich zunächst nur Gedanken über die eigene Gesundheit, die Gesundheit des „Unfallgegners” und dann irgendwann mal über das gute Weggefährt.
Wenn das mit der Gesundheit dann wieder hinhaut, liegen schon die ersten Prospekte von Traummotorrädern auf dem Nachttisch, und es wird kräftig gerechnet, was noch für die Erfüllung eines neuen Traums in der Kasse ist. Zu diesem Zeitpunkt geht es dann daran, Geld von der gegnerischen Versicherung locker zu machen.
Zur Haftung lässt sich rechtlich sagen, dass bei einer unklaren Verkehrslage ein Überholen nach § 5 Absatz 3 Nummer 1 der Straßenverkehrsordnung verboten ist. Was ist aber unklar? Unklar ist die Verkehrslage, wenn nach allen Umständen mit einem gefahrlosen Überholen nicht gerechnet werden kann. D.h. wenn nicht sicher beurteilt werden kann, was der Vorausfahrende gleich tun wird. Ein solcher Fall liegt z.B. vor, wenn bei einem vorausfahrenden Fahrzeug der linke Fahrrichtungsanzeiger betätigt ist und dies von uns vor dem Ansetzen zum Überholen erkannt werden konnte. Hingegen ist eine Verkehrslage noch nicht unklar, wenn das vorausfahrende Fahrzeug seine Geschwindigkeit verlangsamt und sich bereits etwas zur Fahrbahnmitte einordnet. Jedoch sollte man bei jedem merkwürdigen Verhalten des Vorausfahrenden das Überholen lassen, da die meisten Gerichte einem eine Mithaftung aufdrücken und man seinen Schaden nicht voll erstattet bekommt. Ist die Verkehrslage klar, kann man überholen, und die Chance bei einem Zusammenstoß seinen Schaden erstattet zu bekommen ist nicht schlecht. Fährt hingegen der Vordermann schon sehr langsam, ordnet sich mittig ein und blinkt auch noch dazu, ist oberste Vorsicht geboten, und man läuft Gefahr auf seinem Schaden vollständig sitzen zu bleiben.
Einen solchen Fall hatte das Oberlandesgericht Koblenz (Urteil vom 26.01.2004, Az. 12 U 1439/02) zu entscheiden. Ein Motorradfahrer hatte mit seiner 750er BMW zwei PKWs vor sich, die dicht hintereinander fuhren. Beide PKW-Fahrer wollten nach links abbiegen, hatten ihre Geschwindigkeit deutlich verlangsamt und geblinkt. Der Motorradfahrer setzte zum Überholen an und stieß dann schließlich mit dem vorderen der beiden Fahrzeuge zusammen, als dieses abbiegen wollte, dessen Fahrer sich jedoch nicht vorher nach hinten umschaute und den Motorradfahrer übersah. Das Landgericht sowie das Oberlandesgericht Koblenz hatten dem Motorradfahrer nur 1/3 seines Schadens zugesprochen und ihn verurteilt, 2/3 des Schadens des PKW-Fahrers zu zahlen. Der Motorradfahrer blieb also auf 2/3 seines eigenen Schadens sitzen.
Ich kann nur empfehlen, von solchen Überholmanövern strickt abzusehen und etwas mehr Geduld walten zu lassen.