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aus bma 10/10 – Rechtstipp

von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de

Es gibt Menschen in unserer Gesellschaft, die texten jeden voll. Egal ob bekannt, befreundet oder gar fremd, jedem wird alles ohne Rücksicht auf Verluste oder Peinlichkeiten erzählt. Eine Angewohnheit, die mehr als abschreckend ist. Eine gewisse Kommunikationsbereitschaft ist sicherlich positiv, nur zuviel vom Ganzen kann zu einer erheblichen Belastung des Gesprächspartners führen. Daher auch das Sprichwort: „Reden ist Silber, schweigen ist Gold.“ Schweigen ist folglich mehr wert. Es sollte folglich kein Nachteil sein, wenn man mal schweigt.

So sollte es eigentlich auch in unserem Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht sein. Unsere Strafprozessordnung und Rechtsprechung sehen nämlich vor, dass keine nachteiligen Schlüsse daraus gezogen werden dürfen, wenn ein Angeklagter im vollen Umfang die Einlassung in der Hauptverhandlung verweigert. Demjenigen, der sich hingegen zu einem Vorwurf einlässt, kann dies zu seinen Gunsten bei der Strafbemessung ausgelegt werden. Welches Verhalten ist also richtig?

Pauschal kann man das leider nicht sagen. Man kann nur davor warnen, dass zu munteres und unkontrolliertes Drauflosplappern sicherlich bei den Spitzfindigkeiten der Juristen nicht vorteilhaft ist.

Jetzt fragt Ihr Euch wie man es denn rausbekommt, ob einem das Schweigen im Urteil negativ ausgelegt wurde.

Man muss sich die Urteilsbegründung schon genau anhören. Das Kammergericht Berlin, Beschluss v. 11.06.2010, Aktenzeichen 3 Ws (B) 270/10- 2 Ss 157/10 hatte über die Rechtmäßigkeit der Verdoppelung einer Geldbuße in einem Bußgeldverfahren und das anschließende Rechtsmittel zu entscheiden. Der Betroffene hatte zu dem Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung in der Hauptverhandlung geschwiegen. Er hatte weder einen Laut noch eine Gestik von sich gegeben. Dies war sein gutes Recht und der vorsitzende Richter musste sein Urteil ohne jegliche Äußerung des Betroffenen finden. Offensichtlich führte das Schweigen zur Verärgerung des Richters, der kurzerhand die Geldbuße verdoppelte. In seiner Urteilsbegründung führte er aus, dass der Versuch des Betroffenen die Aufklärung des Sachverhaltes zu verhindern oder zumindest zu erschweren durch sein Schweigen gescheitert ist. Obwohl der Betroffene nichts aussagen wollte und dies auch nicht gemacht hat, wird ihm das in der Urteilsbegründung negativ ausgelegt. Allein dieser Satz führte dazu, dass das Kammergericht das Urteil aufhob. Es sah hierin nämlich, einen Verstoß gegen das dem Betroffenen zustehende Recht, dass ihm durch sein Schweigen keine Nachteile entstehen dürfen. Die Verdopplung der Geldbuße war damit rechtswidrig. Das Urteil war aufzuheben. Ein Urteil, das vollumfänglich unserer Verfassung entspricht und den Versuch die Verfassung zu unterwandern unterbindet.

Ihr solltet Euch vor einer Gerichtsverhandlung, nach Rücksprache mit Eurem Verteidiger, genau überlegen, was Ihr tut. Redet Ihr oder schweigt Ihr. Aber auch wenn Ihr redet, sollte der Inhalt wohl überlegt und vorher besprochen sein.

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