aus Kradblatt 11/16 – Rechtstipp
von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
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Blitzer-Urteil: Rechtswidrige Hausdurchsuchungen

Ich habe euch bereits in der Vergangenheit darüber berichtet, dass oftmals Gerichte zur Identifizierung eines Fahrers in Bußgeldverfahren Durchsuchungen anordnen um Beweismittel, wie zum Beispiel Motorradkleidung zu finden, die auf die Fahreigenschaften des Betroffenen schließen können.

Ob dies verhältnismäßig ist, war in der Vergangenheit stark umstritten. Nunmehr ist ein solcher Fall bis zum Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 14.07.2016, AZ 2 BvR 2748/16 gekommen.

Das Bundesverfassungsgericht musste sich mit einem Fall beschäftigen, bei dem eine Geldbuße in Höhe von 80 Euro verhängt werden sollte. Ein Fahrverbot war nicht vorgesehen. Das Besondere an diesem Fall war, dass der Betroffene keinerlei Voreintragungen im Fahreignungsregister hatte. D.h. er war in der Vergangenheit nicht aufgefallen.

Offensichtlich hatte sich der Fahrer im Bußgeldverfahren nicht dazu geäußert, ob er an dem Tattag Fahrer des Motorrades war. Dieses Recht steht einem in Deutschland zu, da man sich nicht selber belasten muss.
Das Amtsgericht hatte, obwohl keine große Strafe drohte, eine Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen angeordnet, um Beweismittel zu finden, die auf die Fahreigenschaft des Betroffenen schließen sollten.

Auch das Landgericht hielt diese Maßnahme für zulässig. Der Betroffene war mit der Maßnahme nicht einverstanden und legte gegen den Beschluss der Durchsuchung Verfassungsbeschwerde ein.

Das Bundesverfassungsgericht hielt in diesem Fall die Maßnahme für unverhältnismäßig, da eine geringe Geldbuße drohte und ein Fahrverbot nicht einmal vorgesehen war. Die vorgeworfene Ordnungswidrigkeit passierte zudem außerorts, sodass keine bzw. nur eine geringe abstrakte Gefährlichkeit vorlag.

Das Amtsgericht hatte zudem nicht beachtet, dass hier auch ein anthropologisches Gutachten hätte eingeholt werden müssen, da das Beweisfoto eine gute Qualität hatte. Auch aus diesem Grund darf eine Durchsuchung nicht erfolgen bzw. muss zunächst zurückstehen, da es sich um das mildere Mittel im Verhältnis zu einer Durchsuchung handelt. Die Gerichte werden in Zukunft folglich mehr darauf achten müssen, dass eine Durchsuchung verhältnismäßig ist. Gibt es ein milderes Mittel dann wird dies kaum der Fall sein. Sie werden aber auch beachten müssen, dass bei geringen Geldbußen und bei Strafen, bei denen nicht einmal ein Fahrverbot in Betracht kommt, wohl kaum noch eine Durchsuchung möglich sein wird. Dies war alles in der Vergangenheit von vielen Gerichten ignoriert worden. Die Gerichte hatten sich mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht befasst.

Ein Urteil, das zu begrüßen ist, da es die Gerichte nunmehr auch bei Bußgeldsachen dazu zwingt, die Grundrechte des Betroffenen zu berücksichtigen. Insbesondere das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Artikel 13 des Grundgesetzes wird hiernach mehr zu beachten sein. Die Gerichte werden in Zukunft genauer abwägen müssen, wann sie Durchsuchungen anordnen. Sie werden aber auch genauer abwägen müssen, welches Mittel am wenigsten beeinträchtigt. Einfach aus Jux und Dollerei eine Wohnung nach Beweismitteln zu durchsuchen wird in Zukunft nicht mehr möglich sein.