Paragraphaus bma 04/08

von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de

Jeder von uns hatte schon mal die Hose voll. Einige in den frühen Jahren ihres Lebens und andere aus unterschiedlichen Gründen gelegentlich auch heute noch. Unangenehm ist das immer und nur selten bringt es Vorteile mit sich.
Ihr fragt Euch jetzt sicherlich, was dieses Thema in einer Motorradzeitschrift zu suchen hat und warum ich ausgerechnet zum Saisonbeginn dieses Thema aufgreife.
Das Thema gehört hier her, da unsere Autobahnen und Straßen nicht gerade reichlich mit Toiletten besiedelt sind und so mancher Fahrer mit plötzlichem Durchfall zu kämpfen hat. Zum anderen passt das Thema, da auch der nervöse Biker, der sich ein neues aufregendes Gefährt im Winter zugelegt hat und sich nun zuviel zutraut, damit zu kämpfen hat.
Ein jeder von uns muss sich nur für das verantworten, für das er auch wirklich verantwortlich ist. Ihr alle kennt die Problematik. Handelt man z.B. in Notwehr oder in einem Notstand dann kann man für sein Handeln auch nicht in Verantwortung genommen werden.
Notwehr kennt Ihr alle. Das ist die Verteidigung die erforderlich ist, um einen Angriff abzuwehren. Wer angegriffen wird darf sich auch angemessen verteidigen. Doch was ist Notstand?
Am besten erkläre ich den Notstand anhand eines aktuellen Urteils des Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) vom 06.12.2007 (Aktenzeichen IV- 5 Ss (Owi) 218/07-(Owi) 150/07 I). Das OLG hatte sich mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 34 Stundenkilometern zu befassen. Eigentlich nichts Ungewöhnliches, doch dieser Fall war anders als gewöhnliche Fälle gelagert: Der Fahrer bemängelte nämlich nicht etwa die Geschwindigkeitsmessung mit dem Messgerät als solche, sondern versuchte dem Gericht einen Einblick in seine Nöte als Straßenverkehrsteilnehmer zu verschaffen. Freiwillig tat er das natürlich nicht. Er beabsichtigte damit vielmehr das Gericht davon zu überzeugen, von der Geldbuße und den drei Punkten für das Verkehrszentralregister abzusehen.
Allgemein ist bei Gericht anerkannt, dass plötzlich auftretender und unabwendbarer Stuhlgang, im Volksmund auch Durchfall genannt, einen Notstand darstellen und einen Verkehrsverstoß rechtfertigen kann. Dies hat bereits das OLG Zweibrücken in einem Urteil vom 26.10.1998 (Az.: 2 Ss 263/98) entschieden. Nicht jeder Durchfall rechtfertigt jedoch einen Verkehrsverstoß, um z.B. möglichst schnell eine Toilette zu erreichen. Die Richter müssen demnach jeden Fall abwägen.
So auch bei diesem Fall, den das OLG Düsseldorf als letzte Instanz zu entscheiden hatte. Die erste Instanz hatte entschieden, dass kein rechtfertigender Notstand vorlagt. Zu diesem Ergebnis war sie auf Grund der Erörterung in der Verhandlung gekommen. Der Betroffene durfte nicht schneller fahren, da die nächste Ausfahrt auf der Kraftfahrtstraße so nah lag, dass Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit keinen nennenswerten Zeitgewinn brachte. Die Geschwindigkeitsüberschreitung war somit nicht geeignet, die drohende Gefahr abzuwenden, so das Gericht.
Der plötzlich Erkrankte verlor den Prozess und auch das OLG konnte ihm rechtlich nicht weiterhelfen. Das OLG fügte sogar noch hinzu, dass die Notdurft bei einem vorhandenen Seitenstreifen nicht bis zur nächsten Toilette verschoben werden darf bzw. damit eine Geschwindigkeitsüberschreitung gerechtfertigt werden kann.
Ob sich ein Richter an den Seitestreifen hocken würde, vermag ich nicht zu beurteilen, vom „Bürger“ wird es zumindest verlangt. Letztendlich ein Urteil was für jeden verständlich ist und hoffentlich nicht all zu oft von mir in anderen Streitigkeiten zitiert werden muss. Ich wünsche allen, die einen nervösen Darm haben, eine beständige Saison.