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aus bma 7/10

von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de

Schutzbekleidung wird in der Rechtssprechung für Motorradfahrer immer weiter in den Vordergrund rücken. In den meisten Fällen ging es nach einem Unfall bisher nur um die Höhe des zu ersetzenden Schadens.

Das Oberlandesgericht Brandenburg hat sich nunmehr damit befasst, ob der Umstand, dass bei einem Unfall keine Motorradschutzbekleidung getragen wurde, eine Mithaftung begründen kann. Einige Biker werden sicherlich gleich aufschreien und darauf verweisen, dass doch lediglich das Tragen eine Schutzhelms gesetzlich in § 21 a der Straßenverkehrsordnung verankert sei. Das ist richtig. Bei Motorradfahrern sind auf dem Bike keine Schutzprotektoren, Leder- oder Textilkleidung geschuldet bzw. gesetzlich vorgeschrieben. Jeder Sport und jedes Fortbewegungsmittel erfordert seine Sicherheitsvorkehrungen – oder wer würde ohne Ersatzschirm Fallschirm springen? Ich habe mich folglich im Juni-bma mit einer Problematik befasst, die für mich, wie auch für viele andere Biker, niemals eine Rolle spielen wird, nämlich das Fahren ohne Schutzbekleidung. Da dieses Thema aber sicherlich einige Biker betreffen und auch interessieren wird, möchte ich es trotzdem behandeln und hierzu auch meinen Senf abgeben.

Das OLG Brandenburg (Urteil vom 23.07.2009, Az.: 12 U 29/09) vertritt die Ansicht, dass wer zwar mit einem Helm und einer Lederjacke, aber nur mit einer Stoffhose Motorrad fährt, an den Folgen eines Unfalls eine Mithaftung hat. Ein Biker war unverschuldet in einen Unfall verwickelt worden und erlitt erhebliche Verletzungen an den Beinen. Er musste über mehrere Monate in einer Klinik behandelt werden und behält für sein Leben Narben und Schmerzen durch Hauttransplantationen. Die Richter des OLG Brandenburg begründeten die Mithaftung damit, dass von einem „vernünftigen und verständigen Motorradfahrer“ das Tragen einer Schutzbekleidung, auch an den Beinen, erwartet werden könne. Wer als Motorradfahrer auf Schutzbekleidung verzichte, gehe bewusst ein erhebliches Verletzungsrisiko ein. Auf Grund dessen sei es erforderlich, dass dies bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt und der Anspruch des verletzen Motorradfahrers entsprechend gemindert werde. Was soll man dazu sagen? Mir fallen dazu eine Menge auch anderer Sicherheitsvorkehrungen ein, die aber auch nicht immer in Anspruch genommen werden. Was ist z.B. mit ABS? ABS ist eine tolle Erfindung und trägt sicherlich auch dazu bei, dass Unfälle vermieden werden. Muss derjenige, der kein ABS an seinem Motorrad hat, zukünftig einen Teil seines Schadens, obwohl er sich richtig im Straßenverkehr verhalten hat, selber tragen? Was ist mit dem, der keinen Rückenprotektor trägt und nach einem Unfall querschnittsgelähmt ist? Muss derjenige sich eine Mithaftung anrechnen lassen, wenn er mit Protektor vermutlich nicht querschnittsgelähmt wäre? Was ist mit dem Motorradfahrer, der vielleicht, und wenn es nur aus finanziellen Gründen ist, keine Topschutzbekleidung beim Unfall trägt und dem dann vorgeworfen wird, dass die Unfallfolgen mit guter Schutzbekleidung und richtig gut sitzenden Protektoren nicht so dramatisch ausgefallen wäre? Muss der dann mithaften? Eine Diskussion, die letztendlich dazu führen würde, dass auf der Straße nur noch das teuerste und beste Material an Fahrzeugen und Schutzbekleidung unterwegs wäre. Sicherlich ist eine Stoffhose nicht geeignet, die Folgen eines Sturzes abzuwenden. Letztendlich kann jeder von uns frei entscheiden, was er für Kleidung auf dem Bike trägt. Wer jedoch mit völlig unzureichender Schutzbekleidung unterwegs ist, sollte sich nicht wundern, wenn es mit den Versicherungen des Unfallverursachers Ärger gibt. Um diesen Ärger und auch solche Urteile, wie das des OLG Brandenburg zu vermeiden, rate ich allen Bikern, bei der Wahl der Schutzbekleidung etwas sorgevoller als unser Unfallopfer vorzugehen. Letztendlich bleibt es auch abzuwarten, wie andere höhere Gerichte diese Problematik rechtlich beurteilen. Das Urteil des OLG Brandenburg ist derzeit einzigartig und ein Urteil des Bundesgerichtshofes zu dieser Problematik ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Die Zukunft wird zeigen, ob sich andere Oberlandesgerichte der Rechtsprechung des OLG Brandenburg anschließen werden.

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