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aus bma 10/09

von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de

Jeder von Euch kennt Videokameras. Früher kamen sie lediglich für schöne Urlaubs- oder Familienfestaufzeichnungen zum Einsatz. Die Zeit ist leider vorbei und Kameras werden heute überwiegend zur Überwachung benutzt. Ob im Supermarkt, in den Einkaufscentern, bei unseren Behörden oder aber auf unseren Straßen. Überall sieht man Kameras, wenn man genau hinschaut. Offensichtlich ist Datenschutz in unserem Land nicht angesagt. Es zählt nur die völlige Überwachung, egal ob ein Gesetz dies erlaubt oder nicht.

Zum Glück haben wir ein Bundesverfassungsgericht und das ist über diese Methoden nicht gerade erfreut, wie ein am 11.08.2009 veröffentlichtes Urteil (2 BvR 941/08) zeigt.

Ein Straßenverkehrsteilnehmer war mit seinem Fahrzeug von einem Verkehrskontrollsystem (VKS) Vidit 3.0 gefilmt worden. Ihr alle kennt dieses System sicherlich, auch wenn ihr mit dem Namen nichts anfangen könnt. Das VKS Vidit 3.0 ist eine kleine Kamera, die an Autobahnbrücken hängt und die den Verkehr auf Video aufzeichnet. Aus den Videoaufzeichnungen kann man dann Geschwindigkeiten von Fahrzeugen und deren Abstände zum vorausfahrenden Fahrzeug ermitteln. Das Kennzeichen und der Fahrer sind deutlich erkennbar. Also die volle Überwachung, egal ob man sich gesetzteskonform oder gesetzteswidrig verhält.

Dieses System wird liebend gern von den Ordnungshütern benutzt, um Beweise für ordentliche Bußgeldbescheide zu sammeln.

Das Amtsgericht Güstrow hatte aufgrund einer Aufzeichnung einen Fahrzeugführer wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße in Höhe von 50 Euro verurteilt. Hiermit war dieser nicht einverstanden und brachte als Argument, dass die Aufzeichnung einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 des Grundgesetzes darstelle.

Er lag damit richtig, da jeder Einzelne von uns grundsätzlich selbst entscheiden kann, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. D.h. jeder bestimmt selbst, wann und wie er aufgenommen wird. Um dieses Grundrecht einschränken zu können, bedarf es einer so genannten gesetzlichen Grundlage.

Das Amtsgericht Güstrow bezog sich in dem Urteil auf einen Erlass zur Überwachung des Sicherheitsabstandes des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern. Dieser Erlass regelt die Überwachung des Sicherheitsabstandes, die Erlaubnis für eine Geschwindigkeitsüberprüfung regelt der Erlass hingegen nicht. Ein Erlass ist zudem kein Gesetz und kann keinen Eingriff in ein Grundrecht rechtfertigen. Das hätte auch der Richter aus Güstrow – fast 20 Jahre nach der Wiedervereinigung – wissen können. Es gab folglich für die Aufzeichnung keine rechtliche Grundlage. So sah es das Bundesverfassungsgericht und erteilte dem Amtsgericht Güstrow ganz richtig eine Abfuhr.

Das Bundesverfassungsgericht legt damit fest, dass wir als Straßenverkehrsbenutzer nicht jederzeit und überall überwacht und gefilmt werden dürfen. Hierfür muss der Gesetzgeber Gesetze verabschieden, ansonsten wird sich ein Betroffener auf ein Beweisverwertungsverbot berufen können, welches zur Folge hat, dass die Überprüfung rechtswidrig und nicht zu verwerten ist. Ein Urteil, das zur rechten Zeit verkündet wurde, denn einer allzeitigen Überwachung musste letztendlich schon lange ein Riegel vorgeschoben werden.

Schaut Euch einen Bußgeldbescheid genau an, wenn er ist Haus flattert, denn nach diesem Urteil ist eine pauschale Überwachung unserer Straßen derzeit verfassungswidrig!

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