Paragraphaus bma 02/05

von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de

Es ist wohl fast jedem von uns schon einmal passiert, dass es im Sommer mitten auf der Autobahn nach schönstem Sonnenschein einen kräftigen Wolkenbruch gibt und man unter der nächsten Autobahnbrücke anhält, um Schutz zu suchen oder um die Regenklamotten rauszuholen und überzustreifen. Gedanken macht man sich in diesem Augenblick nicht, da man sich zunächst eigentlich nur freut, dem Guss entkommen zu sein.
Innerhalb der geschlossenen Ortschaft wird einem niemand einen Strick daraus drehen, wenn man sich unter einer Brücke auf dem Bürgersteig vor dem Regen schützt. Steht man hingegen auf der Standspur der Autobahn oder Kraftfahrtstraße unter der Brücke und die Autos fahren mit einer sehr hohen Geschwindigkeit an einem vorbei, dann kommt gelegentlich ein schlechtes Gefühl auf und man macht sich schon mal Gedanken was denn wäre, wenn etwas passiert.
Die Gedanken sind ganz berechtigt, denn nicht immer endet so ein Brückenaufenthalt mit einem netten Schwätzchen mit anderen Bikern oder einer genüsslichen Zigarette. Das Oberlandesgericht (OLG) in Celle (Az. 14 W 48/01) musste sich mit einem Unfall zwischen einem Pkw und einem Motorrad auf einem Standstreifen unter einer Brücke befassen. Eine Pkw-Fahrerin war auf Grund eines Fahrfehlers von der Autobahnfahrbahn abgekommen und rutschte unaufhaltbar auf einen unter einer Brücke stehenden Motorradfahrer samt Motorrad zu. Es kam zur Kollision zwischen den Beiden und anschließend wollte keiner die Schuld haben. Also verlangten beide voneinander den Schaden ersetzt zu bekommen und zu guter Letzt mussten die Gerichte darüber entscheiden.
Grundsätzlich ist das Halten auf den Seitenstreifen von Autobahnen und Kraftfahrtstraßen nach § 18 VIII Straßenverkehrsordnung (StVO) verboten. Der Seitenstreifen dient lediglich dem Abstellen des Fahrzeugs bei Not- und Unfällen bzw. bei Pannen ohne Weiterfahrmöglichkeit. Die erste Instanz, das Landgericht, hatte dem Motorradfahrer noch eine Mitschuld von 25 Prozent gegeben, da er unter der Brücke, im stehenden Zustand ohne einen Defekt, nichts zu suchen hatte. D.h. der Motorradfahrer sollte 25 Prozent seines Schadens und des Schadens am Pkw ersetzen. Damit war der Biker jedoch nicht einverstanden, so dass das Oberlandesgericht Celle den Fall noch einmal durchleuchten und abschließend entscheiden musste.
Das OLG sah die Sache ganz anders und meiner Ansicht nach auch richtig. Es sprach den Motorradfahrer, obwohl er verbotswidrig auf der Standspur stand, von jeglicher Schuld frei. Das OLG begründete seine Entscheidung damit, dass es auch dann zum Unfall gekommen wäre, wenn das Motorrad auf der rechten Fahrbahn der Autobahn gefahren wäre und die Pkw-Fahrerin nach rechts von der Fahrbahn abgekommen wäre: Der Motorradfahrer hätte den Unfall auch in diesem Fall nicht vermeiden können. Einzig und allein das seitliche Wegrutschen des Pkws war Schuld am Verkehrsunfall.
Es bleibt abschließend allen, die im kommenden Sommer in einen heftigen Regen geraten werden, nur zu wünschen, dass sie sich gerade vor der eigenen Garage oder in einer guten Imbissstube befinden.