Paragraphaus bma 5/07

von Rechtsanwalt Jan Schweers, Bremen
www.janschweers.de

Es gibt wohl kaum etwas Ärgerlicheres, als schlechtes Essen am Wochenende. So ist es zumindest bei mir. Wenn ich hierüber nachdenke und mich frage, was mich sonst noch oft ärgert, fällt mir ein dass mich schlechte Straßen auch auf die Palme bringen können. Zum einen fahren sich auf schlechten Straßen jährlich hunderte Motorradfahrer tot und zum anderen zahle ich und auch Ihr dafür Steuern. Doch die Gelder gehen oft in ganz andere Kanäle. Das Schlimmste ist, dass bei einem Unfall auf einer schlechten Straße dann die zuständigen Straßenbehörden auch nicht haften wollen, sondern die Ansicht vertreten, dass schlechte Straßen hinzunehmen sind und man sich darauf einstellen kann.
Das mit dem darauf Einstellen kann ich noch verstehen, wenn es hierfür Vergünstigungen gibt, denn schließlich bekommt man die auch, wenn die Pommes Frites mal kleiner ausgefallen sind. Der Staat will jedoch voll die Kraftfahrzeugsteuer kassieren und hierfür teilweise nichts machen.
Nur unter ganz strengen Umständen muss der Staat für die Schäden eines solchen Unfalls auf einer schlechten Straße aufkommen. Ich möchte Euch das Ganze anhand einiger Beispiele aufzeigen, um anschließend an alle Leser eine Bitte auszusprechen.
Die meisten Unfälle passieren auf so genannten Bitumenflickstellen. Bitumenflickstellen sind nur dann fachgerecht ausgeführt, wenn in der Bitumenschicht eine einlagige Splittschicht richtig eingebettet wird. D.h. wird zu wenig Splitt verwendet, kann der Splitt leicht herausfallen und wird zu viel Bindemitteln genommen, dann versinkt der Splitt in dieser Schicht. In beiden Fällen ist die Straße nicht „griffig“ genug und es besteht erhöhte Sturzgefahr. Diese wird bei Regen und Nässe noch größer. Kommt man auf einer solchen Bitumenflickstelle zu Sturz, dann fragt man sich natürlich, ob die Flickstelle richtig repariert wurde.
Das Ganze lässt sich überprüfen, indem ein Sachverständiger die Oberflächenbeschaffenheit des Belages der Straße überprüft. Kommt er zu dem Ergebnis, dass der Belag zu glatt oder schlecht geflickt war, dann ist es für die Straßenverkehrsbehörde an der Zeit darzulegen was sie getan hat, um den ordnungsgemäßen Straßenzustand zu überprüfen.
Die Ausreden sind häufig keine Meisterleistung der Gehirne. Zunächst heißt es meistens der Motorradfahrer sei zu schnell gefahren und hätte erkennen können, dass eine Flickstelle eine Gefahr darstelle. Wenn die Behörde jedoch behauptet, der Motorradfahrer sei zu schnell gefahren, da die Straße geflickt worden sei, dann muss sie im Umkehrschluss davon ausgehen, dass die Straße eine Gefahr darstelle und hätte vor dieser Gefahr durch geeignete Schilder warnen müssen.
Das OLG Saarbrücken (Az. 4 U 421/00-108) verurteilte eine Straßenverkehrsbehörde zu Schadensersatz, die eine Straße durch eine Straßenbaufirma flicken ließ. Dies jedoch fehlerhaft, da der Belag, wie ein Sachverständiger später feststellte, viel zu rutschig war. Problematisch kann ein solcher Fall werden, wenn die Straße schon vor längerer Zeit „ordentlich geflickt“ wurde und dann ein Unfall passiert. Dann muss nämlich die Behörde ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt haben. D.h. sie hätte den Mangel bei ordnungsgemäßer Überprüfung erkennen müssen und hat trotzdem nicht gehandelt.
Seltener sind die Fälle, in denen Unfälle auf neuen Straßen, die jedoch schlecht asphaltiert wurden, passieren. Einen solchen Fall hatte das OLG Celle (Az. 8 U 228/06) nunmehr zu entscheiden. Ein Rollerfahrer war auf einer spiegelglatten Straße in Niedersachsen zu Fall gekommen. Die Straße wurde 1999 mit einem neuen Straßenbelag versehen. Bis 2002 gab es keine Beschwerden. Doch dann gab es ab dem Jahr 2002 reihenweise Unfälle. Die Polizei und die zuständige Behörde waren sich schnell darüber im Klaren, dass viele Unfälle auf Grund überhöhter Geschwindigkeit bei Nässe erfolgten und sie keine Schuld treffe. Die Straße wurde dann auf ihre Griffigkeit überprüft und es stellte sich heraus, dass die Straße nicht griffig genug war und sich bei Regen in eine spiegelglatte Fläche verwandelte. Der Unfall des Rollerfahrers ereignete sich im April 2002. An diesem Tag regnete es. Vor dem Unfall des Klägers gab es nur einen weiteren Unfall bei Regen. Nach dem Unfall des Klägers hingegen 11 weitere Unfälle bei Regen. Die Behörde agierte erst nach dem fünften Unfall.
Das OLG Celle vertritt die Ansicht, dass die Behörde keinen Fehler gemacht hat. Die Behörde muss erst tätig werden, wenn eine bestimmte Unfallhäufigkeit vorliegt. Die Zahl von fünf Unfällen ist nicht zu beanstanden, wie das Gericht es sieht. D.h. erst nach fünf Unfällen der gleichen Art muss gehandelt werden.
Im Extremfall hätten sich an dieser Stelle zunächst fünf Menschen totfahren müssen ehe gehandelt werden muss. Das Gericht urteilte jedoch, dass der Rollerfahrer, wenn er den Unfall zu einem späteren Zeitpunkt, z.B. als 6. Person gehabt hätte, auf alle Fälle seinen Schaden ersetzt bekommen hätte.
Meiner Ansicht nach ein nicht zufrieden stellendes Ergebnis, zumal die Straße durch die Behörde regelmäßig abgefahren wird. Dann wäre es kein großer Aufwand gewesen, die Straße nach dem ersten Unfall bei Regen zu begehen und zu gucken, ob eventuell die Straße die Ursache für den Unfall war. Hat man folglich einen Unfall auf einer Straße, dann muss man beweisen, dass auf der Straße zuvor schon andere Unfälle mit Motorrädern passiert sind und die Behörde ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. D.h., dass sie die Straße nicht richtig regelmäßig überprüft hat. Ein schweres Unterfangen, da man zunächst nicht weiß wie viele Unfälle zuvor auf der Straße erfolgt sind und was die Behörde zur Erfüllung ihrer Pflicht unternommen hat.
Wer einen Unfall auf einer glatten nicht griffigen Straße hat, der sollte den Unfall unverzüglich der Polizei melden und auch aufnehmen lassen. Nur so gelangen die Angaben zu den zuständigen Behörden, die dann tätig werden müssen. Aber auch derjenige, der noch mal Glück hat und nicht zu Sturz kommt sollte Gefahrenpunkte bekannt geben. So kann man Leben retten und die Behörden zu mehr Achtsamkeit und sensiblerem Verhalten erziehen.